KAPITEL 6

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"Bitteschön.", murmelte ich und übergab einem Mann seine verpackten Kekse. Das war der letzte Kunde für heute. Der Mann schaute mich merkwürdig an. Heute war er nicht der einzige mit dem Blick. Denn heute haben fast alle Kunden mich komisch angeschaut. Sogar Lucy und die anderen Mitarbeiter warfen mir seltsame Blicke zu. Kein Wunder auch. Ich sah so aus, als hätte ich keine einzige Minute geschlafen. Meine Augenringe waren deutlich zu erkennen, meine Haare nicht richtig durchgebürstet und ich gab mir nicht all zu viel Mühe, beglückt auszusehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich lange nicht mehr so gefühlt hatte. Das letzte mal vielleicht vor einem halben Jahr. Damals war es aber nicht aus dem selben Grund gewesen.

Nachdem ich gestern George anlügen musste, lief ich heulend nach Hause. Das Gefühl verfolgte mich immer noch. Das Gefühl, dass Lara mein Leben ständig kontrollierte. Dass ich nie meine eigenen Entscheidungen treffen konnte, weil alles von ihr abhing. Ich verkroch mich im Bett und schlief schluchzend ein. Ich hatte sogar genug Schlaf gehabt, was man von meinem Aussehen nicht behaupten konnte.

Dieser Tag würde allerdings lang sein. Das Training fand heute statt. Ich überlegte den ganzen Abend lang schon, ob ich hingehen sollte, denn ich hatte Angst. Angst vor Lara. Noch nie hatte ich mehr Angst vor ihr, als jetzt. Ich hatte Kontakt mit ihrem festen Freund. Was wenn George ihr von mir erzählt hat? Die Folgen wollte ich mir gar nicht vorstellen. Ich sah Laras wütendes Gesicht schon vor mir. Ihre glühenden Augen.

Doch so sehr ich auch Angst vor ihr hatte, so musste ich auch viel trainieren, um den Wettbewerb am Februar zu meistern.

Ich seufzte vor mich hin.

Die letzten Kunden gingen raus und der Laden musste schließen. Ich räumte auf und wollte nach meiner Jacke greifen, doch Lucy hielt mich auf.

"Olivia", sagte sie ruhig und besorgt. Ich fragte mich was los sei. Sie nahm meine Handgelenke und platzierte ihre Finger wie Handschellen um meine Handgelenke. Ihre Hände waren kalt, doch ich zuckte nicht zurück. "Ja?"

"Was ist heute los mit dir?" Ich wechselte den Blick auf den Boden und befreite mich von Lucys griff. Ich nahm wahr, dass sie ihren Kopf zur Seite neigte. "Schau doch wie du aussiehst, Olivia" "Ich weiß", murmelte ich. "Ich möchte nicht gern darüber reden, Lucy" Sie seufzte. "Setzt dich mal bitte hin.", sagte sie schließlich und zeigte auf einen Sitzplatz, der für Kunden gedacht war. Mein Gesicht formte ein Fragezeichen. "Mach einfach." Komischerweise lächelte sie. "Ich komme sofort", sagte sie während sie sie wegging. Ich hatte keine Ahnung was sie vor hatte. Ich nahm einfach schweigend einen Platz. Lucy war schon immer so eine fürsorgliche Person. Und sie schaffte es immer wieder mich zu durchschauen. Immer wenn ich einen schlechten Tag hatte und versuchte es zu verbergen, war Lucy die erste, die es bemerkte.

Lucy kam mit ihrer Tasche wieder zurück. Sie setzte sich neben mich; ihre Tasche an ihrem Schoß. Dann packte sie Schminksachen raus. Ich war verwirrt.

"Was-"

"Stell nicht alles infrage."

Sie nahm ihren Schminkschwamm und fing auch schon an mich zu schminken. "Ich möchte nicht, dass du kurz vor Weihnachten so aussiehst.", murmelte sie während sie versuchte meine Augenringe zu verdecken. Lucy ist eine Person, die sich gerne schminkt. Und sie konnte das auch wirklich gut. Ich aber schminkte mich nicht oft. Wenn schon, dann nicht viel. Es war keine große Überraschung, dass Lucy Schminksachen dabei hatte, denn sie nahm es überall hin mit. "Nur für alle Fälle.", sagte sie immer.

Lucy begann etwas Mascara aufzutragen. Hin und wieder musste ich zurück zucken, da ich Angst hatte, dass etwas in meine Augen gelangt. Auch eine Haarbürste hatte sie dabei und bürstete mir die Haare.

Broken Heart Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt