Nördlicher Regenguss sendet seine Liebe

530 19 58
                                    

Vincents P.o.V.:

"Komm mit", flüsterte er in die Dunkelheit, vorher hatte nur Stille geherrscht. Draußen knallte der leichte Regen gegen das Fenster.

Ich antwortete nicht, versuchte meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und das Blau seiner Augen zu finden.

"Ich weiß, dass du nicht schläfst, Vinnie", murmelte er leise, tastete nach meinem Arm, "Es ist Vollmond, da kannst du nie schlafen."

Sanft nahm ich seine Hand von meinem Arm und drückte sie, während ich gleichzeitig das Licht anknipste. Ich konnte das leichte Lächeln sehen, das seine Lippen zierte. Etwas siegessicher vielleicht, weil er Recht behalten hatte und ich nicht schlief.

"Okay", flüsterte ich leise, "Ich komm mit."

Damit hatte er mich auch schon aus dem Bett gezogen, schlich auf Zehenspitzen durch die Wohnung, als wenn noch jemand da wäre, den er wecken konnte.

Er schmiss mir einen Hoodie und Jogginghose entgegen und kaum hatte ich sie angezogen, nahm er auch schon meine Hand und zog mich mit.

Leise schloss Dag die Tür auf und zog mich mit nach oben - statt anders als von mir gedacht, nach unten.

"Aufs Dach?", fragte ich lächelnd, es war ein Platz, den Dag über alles liebte. War er nicht zuhause oder im Studio, dann war er dort und genoss die Stille.

"Aber es regnet doch", es war eine kleine Herausforderung die Nachbarn nicht zu wecken. Der Flur hallte und die eigene Stimme noch mehr - außerdem waren die Wände aus Papier.

"Nördlicher Regenguss sendet seine Liebe", murmelte er leise vor sich hin, was ihm einen verwirrten Blick von mir einbrachte.

"Wo hast du das denn her?"

Er grinste leicht und verschwörerisch, legte sich einen Finger auf die Lippen. "Das ist mein Geheimnis."

Kopfschüttelnd folgte ich ihm, erklomm die Stufen hoch zum Dach. So etwas wie einen Fahrstuhl besaßen wir hier natürlich nicht.

Die Wohnung hatten wir uns schon lange vor unserem Erflog gemietet, da hatten unsere finanziellen Möglichkeiten noch gar nicht zu gelassen, dass wir uns so etwas überhaupt leisten konnten.

Aber wir waren schon damals glücklich gewesen, auch wenn wir nicht alles gehabt hatten.

Kaum hatte Dag die Tür zum Dach aufgedrückt, nieselte uns sofort der Regen entgegen. Dag hatte allerdings vorgesorgt - auf dem Dach hatte er schon vor lange Zeiten einen Regenschirm versteckt.

Falls er Luft brauchte, allem entfliehen wollte, aber es regnete.

Sanft zog er mich mit darunter, schob mich bis fast an den Rand des Daches und setzte sich in die kleine Ecke, die er eingerichtet hatte. Manch anderer hätte wohl gesagt, dass es ziemlich romantisch war.

Aber ursprünglich hatte es nichts mit Romantik zu tun.

Ich setzte mich zu ihm, legte meinen Kopf auf seine Schulter und nahm seine Hand wieder, strich sanft über seinen tätowierten Handrücken, fuhr die Tattoos nach.

Wie in Trance konzentrierte ich mich nur darauf und auf nichts anderes, während ich gleichzeitig seiner Atmung lauschte, die immer wieder leicht meine Haut streifte.

Irgendwann schloss ich die Augen, hielt seine Hand aber weiter fest, wusste nicht, wie lange ich sie geschlossen hatte.

Als ich sie wieder öffnete, sah ich, wie der Schein des Mondes gleichmäßig in den Pfützen glitzerte, die sich durch den Regen gebildet hatten. Gebrochen wurde er gespiegelt und sobald die Regentropfen das Wasser durchbrachen, löste sich das Bild auf.

Das ganze Dach war hell erstrahlt vom Mondlicht, sodass ich auch um Mitternacht noch perfekt die Konturen von Dags Gesicht ausmachen konnte.

In seinen Augen spiegelte sich der Mond, den er ohne Pause anschaute, sich darin zu verlieren schien.

Das blau in seinen Augen funkelte, ebenso sehr wie die Pfützen funkelten, zumindest kam es mir so vor.

Es fühlte sich an, als wären wir dem Mond nun näher, als noch unten in unserem Bett. Es war, als wenn der Himmel mit dem Mondschein die Erde küssen würde.

„Manchmal wünschte ich, er würde niemals untergehen", flüsterte Dag leise in die Stille und lehnte sich mehr an mich, der Regenschirm noch immer über uns. Meine Haare wurden trotzdem langsam nass, es war eben nicht so einfach, sich zu zweit unter einen Regenschirm zu quetschen.

„Alles wirkt so friedlich", murmelte ich leise, kraulte sanft seinen Nacken, was mir zufriedene Laute entgegen brachte, die mich leicht schmunzeln ließen.

Sanft begann ich mit seinen Haaren zu spielen, während er sich weiter auf den Mond konzentrierte, als würde es nichts interessanteres für ihn geben. Vorsichtig fuhr ich immer wieder durch seine Locken, oder vergrub das Gesicht in seinen Haaren, küsste seinen Haaransatz.

Zufrieden brummte er, schlang die Arme um mich und zog mich so weiter unter den Regenschirm.

Ich war glücklich, dass ich nicht mehr halb im Regen saß, langsam wurde mir kalt, aber Dag wärmte mich ganz gut. Im Nachhinein war es vielleicht nicht die beste Idee gewesen, keine Jacke anzuziehen.

"Ich liebe dich", murmelte Dag leise, legte eine Hand auf mein Herz, während er weiter Richtung Mond sah, "Die Welt ist so kaputt, aber mit dir kann ich sie doch irgendwie mein Zuhause nennen."

Ich musste breit lächeln, drehte seinen Kopf zu mir um ihn küssen zu können, spürte seine Hände in meinem Nacken, wie er mich sanft näher zu sich zog. Vorsichtig legte ich die Hände an seine Hüfte, hob ihn leicht auf meinen Schoss.

"Ich liebe dich auch, Dag, so sehr", nuschelte ich gegen seine Lippen um ihn danach wieder liebevoll zu küssen. Ich schloss die Augen, nahm nur seine Lippen und den Regen, der leicht auf den Regenschirm prasselte, wahr.

"Würdest du mich heiraten?", flüsterte er in die entstandene Stille hinein, sah mich mit leuchten Augen an.

"Ich würde", gab ich ohne zu Zögern zurück, küsste ihn wieder.

"Auch ohne Ring?"

"Auch ohne Ring", ich musste leicht grinsen, drückte ihn fest an mich, strich immer wieder über seinen Rücken und genoss einen Moment nur seine Nähe.

"Ist das jetzt mein offizieller Heiratsantrag von dir, Herr Kopplin?", fragte ich grinsend, küsste ihn wieder kurz, während seine Wangen leicht rot wurden.

Er schwieg eine Weile, senkte leicht den Blick und schien sich auf das Muster meines Hoodies, bis ich ihn unter das Kinn fasste und ihn dazu brachte, wieder hochzuschauen.

"Wenn du das möchtest, Herr Stein", es war nur ein Flüstern, das leicht unsicher klang, während er sanft mit meinen Fingern spielte, mich wieder nicht ansah. Als wenn ich ihm alleine mit meinem Blick den Kopf abreißen würde oder könnte.

Ich zog ihn weiter auf meinen Schoss und sah ihn an, bis er vorsichtig wieder seinen Blick hob. In diesem Moment schien das Licht des Mondes nur auf ihn zu fallen, alles andere war für mich dunkel.

Sein ganzes Wesen strahlte für mich.

"Natürlich, Dag, natürlich möchte ich das", einen kurzen Moment brauchte er noch, um zu realisieren, was meine Worte bedeuteten, dann erhellte sich sein Gesicht, bevor er mich wieder küsste.

"Ich verspreche, du bekommst auch noch den Ring", nuschelte er in den Kuss, hielt sich leicht an mir fest.

Ich wusste nicht, wie lange wir uns küssten und wir uns danach noch aneinanderklammerten, einfach nur kuschelten. Eigentlich wusste ich überhaupt nichts, ich wusste nur, dass irgendwann die Sonne aufging.

Ab diesem Zeitpunkt liebte ich den Vollmond.

Hey moon please forget to fall down, hey moon don't you go down

Und wir gucken UFOs beim Fliegen zu - SDP OneShot-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt