Kapitel 1 | Albträume

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Ich saß mit Jase in unserem Stammcafé und wir lachten uns gerade über einen aus unserer Klasse ab.

Er hieß Sam und er konnte nie die Klappe im Unterricht halten, was ihm oft unangenehme Situationen einbringt, die am Ende mit einer Stunde Nachsitzen getoppt werden. Aber das ist ihm auch nicht genug, denn auch beim Nachsitzen hält er nie den Mund zu und es ist einfach immer wieder witzig, wie die Lehrer aufgelöst und genervt aus dem Raum stürmen um den Direktor zu rufen.

,,Ich bin froh, dass du wieder in der Schule bist Angel. Die letzten Monate waren einfach viel zu langweilig ohne dich. Selbst Sam fand ich nicht halb so witzig, wenn du nicht da bist um deine Sprüche über ihn abzugeben."

Ich musste bei seinen Worten lächeln.

,,Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber ich bin auch froh, dass ich wieder zur Schule gehen kann. Aber jetzt lass uns wieder zum eigentlichen Thema zurück kommen, weshalb wir hier sind. Ich verstehe immer noch nicht, was Mrs. Hazel an meinem Aufsatz zu bemängeln hat."

,,Das kannst du auch nicht verstehen, wenn du die letzten Monate nicht im Unterricht warst. Komm, ich erkläre es dir nochmal."

Wir saßen ungefähr eine Stunde lang im Café und Jase half mir mit meinen Aufgaben.

Ein Glück hatte ich einen schlauen besten Freund.

Als wir fertig waren, packten wir unsere Sachen und verabschiedeten uns von Bernado bevor wir das kleine Café verließen und in Jase Wagen stiegen.

Bei Jase zu Hause angekommen setzte er sich vor den Fernseher und ich ging in das Gästezimmer um mich umzuziehen und meine Sachen wegzuräumen.

Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach 6 Uhr abends.

Schnell ging ich runter zu Jase.

,,Jase hast du schon die Snacks vorbereitet?" fragte ich ihn und sofort sprang er auf.

,,Ich mach schon." Damit verschwand er in die Küche.

In dieser Zeit suchte ich schon mal den Filme raus, den wir heute gucken wollten.

Zehn Minuten später saßen wir neben einander auf dem Sofa in einer kuscheligen Decke eingewickelt und starteten den Film.

,,Angel?" Jase stupste mich in mitten des Films an.

Ich sah fragend zu ihm.

,,Was willst du tun, wenn die Lüge auffliegt?"

Ich sah auf meine Hände und überlegte.

,,Eine neue Lüge ausdenken."

,,Aber glaubst du nicht, sie werden es merken?"

,,Was sollen sie schon merken?"

,,Nächste Woche ist die Klassenfahrt. Und du hast noch immer diese schrecklichen Albträume nachts. Wie willst du damit klar kommen?"

Ich zuckte mit den Schultern und dachte an den Tag zurück an dem die Albträume bei mir anfingen.

Damals war ich zwar erst sieben Jahre alt, doch ich hatte noch genau das Geschehen vor Augen als wäre es soeben passiert.

Meine Familie und ich waren damals mit unseren Verwandten an den Strand gefahren und hatten dort ein Ferienhaus. Am Rand des Strandes war ein Wald und tief darin eine alte Lagerhalle, die kurz vor dem Einsturz lag.

Meine Geschwister, die Zwillinge schlugen vor, dass wir dort drin verstecken spielen und das taten wir auch. Nach mehreren Runden war ich an der Reihe zu suchen. Zu dem Zeitpunkt war die Sonne dabei unter zu gehen, doch ich ließ mich davon nicht beirren und suchte die anderen.

Ich suchte lange und hatte nicht bemerkt, dass es eigentlich schon Zeit war wieder zurück zum Ferienhaus zu gehen.

Als ich jedoch scheiterte irgendjemanden von ihnen zu finden, bekam ich Angst und fing an zu weinen.

Dann hörte ich Gelächter von draußen und sah zum offenen Fenster an dem alle Kinder standen und mich auslachten.

Ich war sauer, aber gleichzeitig auch erleichtert und wollte auf sie zu rennen, doch ich stolperte über etwas Holz und fiel auf dem Boden.

Wieder fing ich an zu weinen. Und in dem Moment schloss meine Schwester Sarah mit einem lauten Schlag das Fenster.

Dann geschah alles so plötzlich. Laute Geräusche um mich herum fingen an und die Wände so wie die Decke bewegten sich.

Das letzte was ich sah, war, wie alle anderen schreiend wegrannten, bevor ich unter dem Holz vergraben wurde und ohnmächtig wurde.

Bis heute war es für alle ein Rätsel, wie ich diesen Unfall überleben konnte und auch wenn ich es heile überstanden hatte, hatte es seine Spuren tief in mir gelassen.

Seit dem Tage hatte ich viel zu viele Albträume davon, die mich mitten in der Nacht Laut aufschreien und mich herum schlagen ließen.

Meine Eltern schickten mich in Therapie, ich hatte Medikamente eingenommen um ruhig schlafen zu können und ich hatte viele verschiedene Selbsthilfegruppen besuchen müssen, bis ich die Albträume endlich los geworden bin.

Erst seit zwei Wochen, als Diana Jase entführt hatte und ich zu ihm fahren musste um ihn zu retten, kamen die Albträume zurück und ließen mich Nachts nicht mehr in Ruhe.

Ich spürte wie Jase neben mir laut ausatmete.

,,Tut mir leid. Ich hätte dich darauf nicht ansprechen dürfen. Erst recht nicht jetzt, kurz vorm Schlafen." meinte er, doch ich schüttelte den Kopf.

,,Es hätte nichts geändert, auch wenn du nicht darüber geredet hättest."

Daraufhin erwiederte er nichts, sondern machte den Fernseher zu und schlug die Decke zur Seite.

,,Ich glaube nicht, dass wir heute irgendeinen Film sehen können, ohne dabei in Gedanken zu versinken. Ich schlag vor, dass wir jetzt schlafen gehen."

,,Aber morgen ist Wochenende."

Jase zuckte nur mit den Schultern und zog mich auf die Beine.

,,Komm. Geh du schon hoch und leg dich hin. Ich Räume noch alles hier weg und geh dann auch schlafen. Wenn was sein sollte, weißt du ja, wo ich bin."

Ich nickte bei Seinen Worten und stieg die Treppen rauf und ging in das Gästezimmer, was für die nächste Zeit mein Zimmer ist.

Dort legte ich mich wie er sagte in mein Bett und schloss meine Augen.

Ich dachte an Jase Worte. Wie konnte ich verhindern, dass nicht jeder aus meiner Stufe meine nächtlichen Attacken mitbekommt? Wie konnte ich mein Geheimnis wahren?

In Gedanken versunken merkte ich nicht, wie die Matratze sich senkte.

Erst als sich Arme um meinen Körper schlangen kam ich wieder ins hier und jetzt und drehte mich um.

,,Guten Abend schöne Frau."

Forced Passion IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt