Part 21

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YARA| Regentropfen

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YARA| Regentropfen. Nebel. Frische Luft. Heißer Dampf, der als Wolke aus dem Mund nach dem Ausatmen kommt. Mitte Herbst, angenehm kühl.  Der Geruch von nasser Erde. Ich umschließe meine Arme enger um meinen Körper. Mein Hals wird trocken. Müde schaue ich raus auf den großen Garten und beobachte den Regen auf der Terrasse. Mein Brustkorb verengt sich. Achtzehn Jahre ist es nun offiziell her. Sein Gesicht verblasst von Tag zu Tag immer mehr aus meinem Gedächtnis. Ich habe seinen Geruch vergessen. Seine Stimme. Verletzt beiße ich mir auf die Lippe und versuche nicht die Fassung zu verlieren.

„Wie es wohl wäre, wenn du noch leben würdest?", frage ich laut nach. Ich rede oft mit mir selbst.

„Wie würden wir wohl leben?", wäre ich ganz normal zur Schule gegangen? Wäre ich ganz normal aufgewachsen? Ich will weinen.

„Unter welchen Umständen hätten wir gelebt?", unkonzentriert kratze ich mir die Haut vom Finger ab. Mein Herz schlägt schneller.

„Wäre Adam noch am Leben?", meine Stimme bricht ab. Fragen über Fragen. Auf die ich niemals eine Antwort bekommen werde.

„Wer weiß.", ich zucke mit dem Kopf nach oben, als ich eine kratzige Männerstimme höre. Er ist gerade aufgewacht.

„Warum bist du aber jetzt schon wach?", fragt Nael, als er mich auf der Terrasse auffindet. Es ist sieben Uhr morgens. Ich drehe nur meinen Kopf weg und schenke ihm keine Beachtung. Er hat mich unterbrochen, während ich eine emotionale Phase habe. Er schnalzt mit der Zunge und sitzt sich zu mir auf den Boden der Terrasse. Ich ziehe meine dünnen Beine an mich heran und stelle meinen Kopf auf meinen Knien ab. Mann, beginnt der Tag jetzt schon beschissen.

„Seit wann führst du Selbstgespräche?", fragt er mich erneut, nachdem er sich eine Zigarette angezündet hat.

„Schon immer.", antworte ich ihm und schiele zu ihm. Er hat tiefe Augenschatten und rote Augen. Seine Haare sind ganz durcheinander und auch sein Gesicht ist noch vom Schlafen angeschwollen.

„Schlecht geschlafen?", frage ich ihn. Er muss leicht aufgrinsen, bleibt für einen kurzen Moment ganz leise. Die Regentropfen füllen unsere Stille.

„Ich schlafe am Tag nur drei Stunden.", sagt er in einem ernsten Ton. Überrascht schaue ich ihn an. Still raucht er seine Zigarette weiter und legt seinen Kopf in den Nacken. Eins muss man ihm lassen. Selbst mit Augenringen und durcheinander liegenden Haaren sieht er gut aus. Ganz ein Hübschling.

„Über wen hast du gesprochen?", ich werde wieder hellhörig, als er aus dem Nichts wieder anfängt zu reden. Er schaut mich nicht an, sondern drückt seine Zigarette an der Wand neben uns aus.

„Meinen Vater.", meine Stimme bricht wieder. Sein Blick schnellt sofort zu mir. In seinen Augen verstehe ich raus, dass er alles versteht.

„Er ist vor achtzehn Jahren verstorben.", füge ich hinzu. Ich will mich wieder in seine Arme werfen. Mit ihm zusammen einschlafen. Ihm wieder sagen, wie sehr ich ihn lieb habe. Wie sehr ich ihn vermisse. Wie sehr mir seine Nähe fehlt. Wie sehr er mir fehlt. Ich schließe meine Augen, damit keine Tränen aus meinem Auge rollen. Ich will nicht weinen. Dafür bin ich zu schwach.

„Mein Beileid.", meine Nase läuft. Auch eine Träne sammelt sich in meinem Augenwinkel. Ich nicke nur, da ich befürchte, dass meine Stimme komplett den Geist aufgeben wird. Ich reibe mir die Tränen weg.

„Deine Mutter?", fragt er mich nach einer Weile. Spöttisch lache ich auf. Allein das Wort „Mutter" bringt mich zur Weißglut. Sie hat es nicht verdient, Mutter genannt zu werden.

„Diese Schlampe hat mich mit drei bei meinem Vater abgegeben.", die Narbe an meinem Rücken zieht allein nur bei dem Gedanke an diese Frau. Naels Augenbrauen ziehen in die Höhe. Hat er wohl nicht damit gerechnet, dass ich meine eigene Mutter beleidige.

„Aber ich nehme es ihr nicht übel.", sage ich und winke es ab.

„Wieso?", fragt er interessiert nach. Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben, ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Sie ist mit dreizehn schwanger geworden und hat mich dann mit vierzehn bekommen.", fange ich an und warte auf seine Reaktion ab. Wie als hätte ich einem kleinen Kind erzählt, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt.

„Unehelich, wurde von ihren Eltern verstoßen.", sage ich. Ich weiß nicht mehr viel. Nur das, was sie mir mit meinen jungen Jahren an den Kopf geworfen hat. Ihre Gewalt mit gegenüber. Sei es psychisch, als auch physisch.

„Sie und mein Vater wollten es wirklich versuchen. Aber ihre giftige Art hat ihn abgeschreckt, weshalb er sie verlassen hat.", füge ich hinzu.

„Und rate, wer die ganze Schuld bekommen hat.", meine Stimme ist die ganze Zeit über ganz ruhig und gelassen. Als würde mir meine Vergangenheit nichts ausmachen. Als würde ich eine Geschichte nacherzählen.

„Du?", ratet er. Ich nicke. Seine Stirn legt sich in Falten.

„Mein Vater hat mich dann aufgenommen. Die schönsten drei Jahre—", ich unterbreche mich selbst. Ja, die schönsten drei Jahre meines Lebens. Das Schicksal ist nicht auf meiner Seite.

„Tut mir leid.", flüstert er, was sich wie ein Brummen anhört. Ich lächle auf.

„Dir muss nichts leid tun. Diese Frau kann mir gestohlen bleiben.", ich fange an aufzukichern. Sie soll verrecken. Er schaut sich auf die Hände.

„Mein Vater hat mich damals auch geschlagen.", spricht er aus. Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihm. Irgendwas hat sich in seinem Blick verändert. Als würde er mir wirklich etwas anvertrauen wollen. Ich will nach seiner Hand greifen, halte aber inne, als ich bemerke dass er meine Hand beobachtet. Doch als er nickt, weiß ich, dass er es auch will. Meine kalte Hand umgreift seine warme Hand, die ich einmal zudrücke.

„Das tut mir wirklich leid.", gebe ich von mir und versuche so innig wie möglich ihm in die Augen zu schauen.

„Aber schau dich doch mal an!", kommt es plötzlich laut von mir, weshalb er fast schon erschrocken meinen Blick erwidert. Verwirrt zieht er seine Augenbrauen zusammen. Ich fange an zu lachen.

„Aus dir ist, mehr oder weniger, ein toller Mann geworden!", seine Augen werden groß. Auch er fängt an zu lachen.

„Ich meine, wer hilft einer Frau, die dich davor festgebunden und gefoltert hat?", rede ich weiter, damit er sich besser fühlt. Naja. Wir beide lachen im Chor. Wir hören gleichzeitig auf zu lachen und schauen uns unbewusst in die Augen. Hell-, dunkel.

Es ist wieder so ruhig zwischen uns.

Sein Blick verändert sich. Erneut.

„Ich... weiß auch nicht.", sind seine Worte, die in mir eine Welle der Gefühle auslöst.







Fillerkapitel

Nicht korrigiert

She Loved Him Too Early Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt