Mina - Die Gefährtin der Shurshio

36 2 0
                                    

Der Mond stand in seiner vollen Pracht hoch oben am Himmel und verteilte sein fahles Licht bis in die tiefsten Winkel des Waldes. Die kahlen Bäume warfen ihre Schatten auf den Schnee, der durch die einzelnen Mondstrahlen glitzerte. Neben dem Knarren der Äste ertönte ein erschöpftes Keuchen, das die Stille des Waldes unterbrach. Jeder Meter, der tiefer in den Wald führte, zeigte eine Spur aus Blutstropfen, die das reine Weiß des Schnees besudelte.

Ein Hustenreiz entrang sich aus Yunas Kehle, der nach Blut schmeckte. Sie humpelte, keuchte und rang nach der Luft, die ihr durch das Blut in der Kehle verwehrt blieb. Sie wusste nicht, wie lange sie durch den Wald trottete oder wie viel Blut sie verloren hatte, das aus ihrer Wunde unaufhörlich strömte – selbst wenn sie mit ihrer Hand versuchte, sie zu stoppen. Es reichte aber nicht aus und die Kraft in ihrem Körper verließ sie, woraufhin sie über ihre eigenen Füße stolperte und den kleinen Abhang unmittelbar vor ihr hinunterrollte. Der einkommende Schmerz war kein Vergleich zu der Wahrnehmung, die zu schwinden drohte. Yuna kämpfte dagegen an und versuchte sich umso mehr auf ihre einzelnen, kleinen Bewegungen zu konzentrieren, wenn nicht der hämmernde Herzschlag ihre Ohren betäuben würde. Sie raffte sich langsam auf, schaffte es aber nur bis auf die Knie, sodass sie sich mit aller Kraft den Abhang hochzerrte. Doch als sie am oberen Ende ankam, erschienen vor ihren trüben Augen zwei Beine in einer weißen Uniform. Yuna blickte langsam nach oben und erkannte hinter dem Schleier die Gestalt eines Night-Class Schülers mit zerzaustem, honigblondem Haar und stechend roten Augen.


Zwölf Stunden zuvor.

Inmitten eines Gerümpels aus Luftballons, Luftschlangen und allem drum und dran saßen Yuna und Sakura auf dem Boden und knoteten große Schleifen aus langen, silbernen Bändern zusammen. Die gesamte Zeit über schwiegen sich die beiden Mädchen an, was Yuna nur zu guthieß – dafür war sie zu sehr in ihren Gedanken versunken. Ihr fiel nicht einmal auf, dass Sakura sie die gesamte Zeit aus den Augenwinkeln beobachtete.

»Und nun wollen sie dich. Sie wollen dein Blut. Sie wollen dein Leben.«

Immer und immer wieder sprach diese bedrohliche, aber gleichzeitig beängstigte Stimme ihrer selbst, die dafür sorgte, dass sich ihr Magen umdrehte. Jedenfalls brauchte sie für die Schleifen viel länger als gewöhnlich. Yuna wurde erst durch das dauerhafte Fingerschnipsen vor ihren Augen in die Realität zurückgeholt.

»Man, Hayomi-San! Jetzt hör auf zu träumen. Wegen dir sitzen wir noch hier bis zur Feier«, brummte Sakura und warf ihr die losen Bänder entgegen, während sie sich eine Leiter schnappte und die fertig gebundenen Schleifen aufhing. »Ich verstehe sowieso nicht, warum der Rektor uns zur Zusammenarbeit verdonnert hat, denn du bist sowieso keine Hilfe.«

Yuna schenkte ihrer giftigen Aussagen keinerlei Aufmerksamkeit und widmete sich einem großen Karton voller Vorhänge, die an den vereinzelten Säulen, die die Aula schmückten, aufgehängt werden mussten. »Das wäre alles nicht passiert, wenn du nicht so ein Theater veranstaltet hättest«, murmelte Yuna und bereute es sofort, sich auf ein Streitgespräch eingelassen zu haben.

»Tzz, wer von uns beiden hatte die Nerven verloren?«

Darauf blieb Yuna stumm, da sie der Day-Class Schülerin nicht die Bestätigung geben wollte, wie viel Recht sie mit dieser Aussage hatte. Stattdessen widmete sie sich den Vorhängen, die sie sorgsam aufhing und dem großen Raum eine dekorative und elegante Atmosphäre verlieh. Die Schüler der Akademie würden sich sicherlich freuen, auch wenn die Day-Class ihre Aufmerksamkeit eher auf die Night-Class Schüler richten würden. Yuna schüttelte leicht den Kopf und versuchte nicht allzu viel über die heutige Veranstaltung zu denken, da sie kein Kleid hatte und somit nicht daran teilnehmen konnte. Sie musste sich noch überlegen, wann sie ihrem Partner die Neuigkeit am günstigsten beichten konnte. Yuna überlegte sich eine Strategie, während sie den nächsten Vorhang aufhing, der ihr wiederum zwischen die Finger glitt und hinabfiel. Zum selben Zeitpunkt, als das Geräusch vom fallenden Vorhang ertönte, wurde Yunas Wahrnehmung von einem Szenario beansprucht, bei dem sie in ihren Gedanken Bilder von Schritten sah, die nach etwas jagten. Das, was auf der Flucht war, oder besser gesagt die weibliche Stimme, stieß einen lauten Hilferuf hervor.

Ich werde dir folgen, bis ans Ende der Welt ♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt