Aufklärung

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»Komm, Yuna. Setz dich erstmal hin.«

Es konnte nicht schlimmer werden. Zuerst war Yuki mit Zeros wahrer Natur konfrontiert worden, was mehr als ein schockierendes Ereignis für sie war. Und nun stellte sich heraus, dass auch eine Day-Class Schülerin vom Geheimnis der Night-Class wusste. Yuki hatte genug eigene Probleme, um mit der Situation von Zero klarzukommen, als sich um eine verstörte Day-Class Schülerin zu kümmern. Sie wusste wirklich nicht, wie sie mit Yunas Gefühlsausbruch hätte klarkommen können, als das Mädchen vor ihren Augen auf die Knie sank und aus tiefster Seele weinte. Ihr Herz, das sowieso Risse besaß, zerbrach bei diesem Anblick ein weiteres Stück. Yuki endschied sich, sie mit zum Büro des Rektors zu gehen.

Auf dem Weg sprach keiner von ihnen. Sie beobachtete nur, wie Yuna in sich gekehrt war und sogar Angst hatte.

Im Gebäude des Rektors drückte sie die Blauhaarige sanft auf das Sofa, wo auch Yuki selbst erstmal zur Ruhe kommen musste. Yuna schwieg weiterhin und machte einen gequälten Eindruck. Ihre halb geöffneten Augen waren durch das Weinen gerötet und ihr ganzer Körper zitterte vor Angst. Wie lange wusste sie es? Hatte sie Zero gesehen und sich plötzlich erinnern können? Der Gedanke an Zero trieb Yuki selbst in einen Abgrund der Verzweiflung. Er hatte es all die Jahre verheimlicht und darum gekämpft, sodass sie es nicht bemerken konnte, benahm sich weiterhin menschlich und drückte immer wieder seinen abgrundtiefen Hass gegenüber den Vampiren aus, doch letztendlich hatte er sich selbst die gesamte Zeit über gehasst. Und Yuki setzte der Tragödie noch die Krone auf, indem sie in Zeros Gegenwart erwähnte, dass Vampire Bestien in Menschengestalt wären. Wenn sie die Zeit zurückspulen könnte, sei es nur für diesen einen Moment, so hätte sie dies ohne zu zögern bereits gemacht.


Yuna wusste nicht, wie lange sie gemeinsam mit der Vertrauensschülerin im Wohnzimmer saß. In Wirklichkeit interessierte sie es nicht im Geringsten. Das wichtigste war, dass Yuki unversehrt war, jedenfalls dachte sie es – genaueres hatte sie bisher nicht fragen können, denn die Vertrauensschülerin sah mit ihrer derzeitigen Lage nicht besser aus als Yuna selbst. Irgendwie hatten beide ein Schicksal auf ihren Schultern zu tragen, was sie auf einer Art und Weise innerlich miteinander verband.

»Der Rektor unterhält sich gerade mit Kaname-Senpai. Sie werden sicherlich gleich zu uns stoßen. Sag mal, woher wusstest du davon? Ichijo-Senpai hatte dir die Erinnerung an diese Nacht genommen. Ich verstehe das nicht...«

Yuki klang nicht sonderlich wütend auf sie, was sie etwas entlastete, doch die Verwirrung in ihrer Stimme war allzu deutlich zu entnehmen. Yuna wusste trotzdem nicht, was sie darauf hätte antworten können, sodass sie schwieg und sich lieber auf die kommenden Schritte konzentrierte, die ihr einen weiteren Anflug der Furcht bereiteten. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, den Blick auf die Tür zu richten, die sich öffnete. Es war schon schlimm genug, zu wissen, dass sie gleich ein Vampir erwartete.

Die Tür wurde sanft geschlossen und die Schritte nahmen an Lautstärke zu, was Yunas Herz höher schlagen ließ. Dann herrschte Funkstille. Yuna konnte die starke Präsenz des reinblütigen Vampirs deutlich spüren.

Der Reinblüter kniete sich plötzlich vor ihr hin, was sie mehr als nur überraschte, es aber selbstverständlich nicht zeigte. Dafür war sie viel zu müde. Trotz allem musste sie sich die Frage stellen, warum er das tat. Um mit ihr Augenkontakt aufzunehmen? Aber würde diese Haltung, die er eben einnahm, nicht seinen Stolz verletzen? Vampire dieser Art waren äußerst nervig, wenn es um die Arroganz ging. Allein der Gedanke erfüllte sie mit Abscheu, der ihre Angst etwas verdrängte.

»Hayomi-San, kannst du mir sagen, woran du dich erinnerst?«, fragte er in einem so ruhigen Ton, dass ihr schon wieder die Tränen in die Augen stiegen. Yuna musste sich auf die Lippen beißen, um nicht auch noch jämmerlich zu winseln – und das vor einem Reinblüter. Sie wagte es nicht einmal, in seine Augen zu schauen, sondern hielt den Blick weiter zu Boden gerichtet.

Ich werde dir folgen, bis ans Ende der Welt ♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt