Konfrontation

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Die darauffolgenden Tage waren nicht gerade das, was als angenehm betrachtet werden konnte. Sakuras Aufruhr hatte leider zur Folge, dass so gut wie die gesamte Day-Class Yuna mehr als nur neugierige Blicke zuwarf und viele von ihnen in Horden auf sie zu rannten, um Fragen zu stellen. Letzteres Problem konnte sie nur aus dem Weg gehen, indem sie die Flucht ergriff, ein Versteck fand und auf den nächsten Unterricht wartete. Das Interesse an ihrem Privatleben verblasste zum Glück nach etwa zwei Woche, was ein gutes Zeichen war, aber es verging kein Tag, wo ihr nicht die Frage gestellt wurde, was aus ihrer Verlobung geworden war.

Somit wurden die Nachtschichten zu erholsamen Nächten, wenn Yuna es so bezeichnen konnte, wo sie sich von einer hohen Position auf dem Baum aus alles in Blick hatte und dabei entspannen konnte – so wie heute.

Es war eine besonders windige Nacht, was sie jedoch keinesfalls störte oder verhinderte, sich nicht auf dem Baum niederzulassen – selbst wenn der Wind von allen Seiten zu spüren war und der Wald ihn mit den kahlen Ästen nicht abfangen konnte. Jedes Gefühl, sei es auch nur ein Geräusch, hinderte sie daran, sich zu sehr in ihre Gedanken hineinzufinden, die eine Unruhe in ihr auslöste, seitdem sie sich fragte, ob ein gewisser Night-Class Schüler Verdacht schöpfen könnte.

Yuna schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass das keine Lösung war, doch sich durch Spekulationen verrückt zu machen, war ebenso keine Alternative. Ein weiterer Windstoß fegte über die Cross-Akademie hinweg und drückte heftig gegen Yunas Körper. Sie schloss genüsslich die Augen; die Kälte war so unglaublich wunderbar. Dabei gingen ihre Gedanken in eine andere Richtung und gaben ihr die Vorstellung, dass der Wind eine Berührung von Aido wäre, wie bei der ersten Begegnung, wo er ihr einen Kuss auf die Handfläche schenkte. Seine Lippen, die sich anfühlten wie Seide, hatten bereits ihre Lippen berühren dürfen, als sie damals im Krankenzimmer lag. Yuna konnte dies leider nicht spüren, sodass sie sich noch tiefer in ihre Fantasie versetzte und sich die seidigen Lippen auf ihren vorstellte – ein Gedanke, den sie sich insgeheim zu sehr herbeiwünschte. Ganz unverhohlen biss sie sich auf die Unterlippe.

Dann waren noch seine Hände, die ihren Arm berührten und auf ihrer Schulter lagen. Und obwohl er ein Eisprinz war, strahlte er eine derart unglaubliche Wärme aus, dass sie glaubte, in Flammen aufzugehen.


Plötzlich ertönte der Schrei einer weiblichen Stimme. Yuna wurde so rasch aus ihren Gedankengängen geworfen, dass sie kurz einen Moment brauchte, um in die Realität zurückzukehren und dabei achten musste, nicht vom Baum zu fallen. Mit einem schnellen Kopfschütteln sprang sie vom Ast herunter und erzielte eine saubere Landung, ehe sie in die Richtung rannte, wo der Schrei herkam. Währenddessen zückte sie nur zögerlich den Dolch aus dem Gurt heraus, der an ihrem Oberschenkel befestigt war – es widerstrebte sie danach, eine Waffe zu verwenden, die den Vampiren erheblichen Schaden zufügen konnte, doch sie war sich der Situation nicht bewusst und musste auf alles gefasst sein. Als sie jedoch in Reichweite war, glaubte Yuna, ihren Augen nicht zu trauen: Es war Sakura, die schrie, und an ihrer Seite befand sich... Aido! Er stand ganz nah bei ihr und näherte sich mit seinem Gesicht dem ihren. Er wollte ihr Blut! Bis Yuna überhaupt erst dazwischen gehen konnte, wäre es viel zu spät, sodass sie einem Impuls folgend den Dolch, den sie noch fest in ihrer Hand hielt, nach Aido warf und ihn um eine Haaresbreite verfehlte. Der Treffer im Baum machte Aido sofort aufmerksam – sein Ausdruck wechselte von überrascht zu verärgert und erneut zu überrascht, als er in Yunas Richtung blickte.

Sakura, die nicht so aussah, als würde sie Angst haben, schien regelrecht vor Wut zu platzen, als ihr klar wurde, dass der romantische Augenblick, den sie empfand, unterbrochen wurde.

»Das kann doch nicht wahr sein! Du hast mir den Moment zerstört!«, schrie sie buchstäblich.

»Ich fasse es nicht!«, warf Yuna entrüstet gegenüber Aido ein und ignorierte das Gebrülle des Mädchens.

Ich werde dir folgen, bis ans Ende der Welt ♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt