Die schlechte Nachricht

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POV. Amara

Stirnrunzelnd starre ich das gefühlt hundertste Bild von einem Typen an, den mein Vater anscheinend als heiratsfähig genug gehalten hat, um ihn in den Ordner mit reinzunehmen.

Er hat rotblondes Haar und einen Dreitagebart.
Ein Blick auf seinen Lebenslauf zeigt mir, dass dieser Herr auch nur 13 Jahre älter ist als ich es bin, womit er zu den jüngeren aus diesem Ordner gehört.

„Was für ein Scheiß...."
Fluche ich leise vor mich hin und blättere zur nächsten Seite, ohne mir auch noch den Rest über ihn durchzulesen.
Der Fakt das die Hälfte meines Teams unter Will's und nicht unter meiner Führung einen Club von den Valentino's stürmen verbessert meine Stimmung nicht besonders.

Es ist ein gut besuchter und sehr edler Club, der zu dieser Stunde nicht mit allzuvielen unschuldigen Leuten gefüllt sein sollte.
Er ist zwar sehr beliebt und immer randvoll gefüllt, doch um 7 Uhr Abends ist er für gewöhnlich geschlossen und nur ein paar Securetys der Valentino's sollten vor Ort sein. Immerhin ist die normale Öffnungszeit von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens.

Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass ich schon circa 6 Stunden hinter meinem Schreibtisch hocke und diesen Ordner noch nicht einmal bis zur Hälfte durchhabe, während Blaze neben mir in seinem Körbchen schnarcht und Will mit meinem Team schon circa vor einer Stunde im Club eingetroffen sein sollte.
Die Liste, die ich meinem Vater mit den bevorzugten Kandidaten geben sollte, ist in den vergangenen Stunden ebenfalls nicht besonders vorangekommen, denn sie besteht lediglich aus einem leeren, weißen Blatt.
Man mag es vielleicht darauf schieben, dass ich nicht heiraten will, doch selbst als Bekannte will ich die meisten erst garnicht in Betracht ziehen, geschweige denn als Ehemann.

„Du weißt garnicht wie gut du es hast Blaze...." sehnsüchtig schaue ich ihn an und mein Blick wandert wieder zurück zum nächsten Kandidaten, bei dem ich nur das Bild sehen muss, um sofort zu sehen, dass er mindestens 30 sein sollte.
Definitiv nicht

„Wie geht's dir? Du siehst ziemlich fertig aus. Nimm's mir nicht übel."
Jeffrey's Kopf lugt vorsichtig und mit einem besorgten Stirnrunzeln durch den Türspalt.
„Soll ich dir einen Tee oder einen Kaffee bringen lassen?"

„Nicht nötig. Ich denke hier kann nur noch Wodka oder etwas anderes hochprozentiges helfen."
Mit einem kraftlosen Lächeln hebe ich den Ordner so an, dass er einen Blick auf den aktuellen Kandidaten werfen kann.

„Im Bezug auf das Hochprozentige hast du vermutlich Recht."
Conner's Kopf erscheint neben Jeffrey's, welcher ihn in einer Mischung aus Entsetzen und Tadel anstarrt.
„Was mischst du dich denn jetzt hier ein? Wir versuchen hier gerade ein vertrauliches Gespräch zu führen und du solltest besser den Gang bewachen, anstatt solche bescheuerten Ratschläge zu geben!"

Mit einer Hand schiebt Jeffrey Conner's Kopf wieder aus der Tür und schenkt mir noch ein entschuldigendes und gleichzeitig mitfühlendes Lächeln.
„Die Jugend von heute. Wissen nicht, wann sie ihre neugierigen Lauscher besser zuklappen sollten."

Ein beleidigtes Schnaufen ertönt von der anderen Seite der Tür, was mich nun doch zum Schmunzeln bringt.

„Ähm...." meldet sich Conner auf einmal erneut zu Wort und klingt nun auf einmal ganz ernst.
„Da läuft jemand panisch in unsere Richtung und ich glaube er ist aus deinem Team....
Jaxon glaube ich."

Das letzte Bisschen meiner guten Laune verfliegt augenblicklich, da ich Jaxon extra hierbehalten habe, damit er in ständiger Verbindung zu meinem Team steht und mir Bericht erstatten kann.
Panisch sollte er dabei jedoch nicht sein...

„Lasst ihn rein."
Bringe ich tonlos hervor und höre nur noch ein gemurmeltes „Als würden wir ihn davon abhalten können." von Conner, bevor Jaxon ins Zimmer sprintet und japsend vor meinem Schreibtisch stehen bleibt.

Blaze neben mir, der durch Conner und Jeffrey bereits wach geworden war spitzt die Ohren und sieht mich abwartend an, als würde er einschätzen wollen, ob Jaxon eine Gefahr darstellen könnte.
Normalerweise würde Blaze dies nicht tun, wenn es um einen aus meinem Team geht, da er sie alle kennt, doch wenn jemand so aufgeregt in mein Büro stürmt ist auch Blaze misstrauisch.

„Amara..."
Nach Luft japsend stützt er sich auf der Tischplatte ab und schluckt, bevor er den Kopf hebt.

„Was ist passiert?" ich bemühe mich um eine feste und ruhige Stimme, während ich den noch immer aufgeschlagenen Ordner schließe und Jaxon dabei nicht aus den Augen lasse.

„Das Team.... Es...."

„Was ist mit dem Team?!"
Ich werde lauter, da ich bei meinem Team wirklich keinen Spaß verstehe. Sie sind diejenigen, die mir am nächsten sind.

„Valentino... er .... Er hat fast alle hinrichten lassen...." er schluckt merklich, bevor er fortfährt „Das hat er uns geschickt."

Fassungslos und mit großen, ungläubigen Augen starre ich erst Jaxon und dann den Computer an, auf welchem in diesem Moment ein Video abspielt, welches mich von Sekunde zu Sekunde mehr bereuen lässt, dass ich nicht dabei gewesen bin. Ich hätte da sein müssen und nicht in diesem Ordner mit potenziellen Ehemännern blättern sollen, als wäre es ein Prospekt aus irgendeinem Geschäft.

Nach und nach beobachte ich, wie meinen Leuten eine Kugel in den Kopf geschossen oder ein Messer in die Kehle gedrückt wird, bis ihre Körper leblos zusammensacken.

Insgesamt sind es zehn von elf Leuten, die ich aus meinem Team habe ziehen lassen.
Einer jedoch fehlte bei dieser Massenabschlachtung und ich weiß nicht ob ich erleichtert sein oder oder komplett durchdrehen sollte.

„Wo ist Will?" Würge ich die Frage mit trockener Stimme heraus und schaffe es dabei noch nicht einmal Jaxon anzuschauen. Mein Blick haftet weiterhin auf dem Bildschirm, der nun nicht mehr meine Leute zeigt, die inmitten von Lucianos Club hingerichtet wurde, sondern stattdessen einen Satz.

"Was wird wohl das nächste sein, dass ich dir nehmen werde?"

Ich schlucke.
Es ist alles meine Schuld....

„Er ist bei ihnen." fängt Jaxon vorsichtig an und setzt sich auf den Sessel gegenüber von mir.
Sie haben ihn mitgenommen, doch es ist unklar was sie mit ihm vorhaben."

Mein Bauch krampft sich zusammen, denn etwas sagt mir, dass ich ganz genau weiß, was sie mit ihm vorhaben werden und ich ihn entweder nie wieder sehen werde, da sie ihn umgebracht haben, oder dass ich ihn wiedersehen werde, da er entschlossen hat mich zu verraten und somit ans Messer zu liefern. In diesem Falle müsste ich ihn umbringen, was vermutlich das schlimmste sein wird, was ich in meinem Leben je getan habe oder auch tun werde.
Zwar habe ich kein romantisches Interesse an ihm, doch er ist immer noch mein bester Freund.

„Ich muss hier raus. Danke, dass du es mir so schnell gesagt hast."
Verzweifelt fahre ich mir mit meinen Händen übers Gesicht, bevor ich den Ordner meines Vaters nehme und ihn in meinem Mülleimer versenke.
Nur deshalb war ich nicht da. Nur deshalb habe ich sie in Stich gelassen. Nur deshalb treffe ich nun die dümmste Entscheidung meines Lebens.

Langsam erhebe ich mich aus meinem Sessel und steuere die Tür an, wobei ich Jaxon sein fragenden Blick ignoriere.
Er stellt keine Fragen, da es ihm nicht zusteht, doch man muss keine Hellseherin sein, um zu wissen was ihm auf der Zunge brennt.

Gefolgt von Blaze gehe ich ohne ein Wort zu irgendjemanden zu meinem Zimmer, wo ich mir ein Kissen von meinem Bett schnappe, mein Gesicht hineinpresse und so laut ich nur kann meine ganze Wut und meinen ganzen Kummer herausschreie.

Als ich schließlich wieder halbwegs heruntergekommen bin, schnappe ich mir ein trägerloses, rotes Minikleid, welches sich eng an meine Kurven schmiegt und lege etwas Make-up auf, um mir nichts anmerken zu lassen.
Mein Haar fällt in sanften Wellen über meine Schultern und erst als ich mir sicher bin, dass alles verdeckt ist, was meine Verzweiflung verraten könnte, stehe ich auf, um meinen Kummer genau da zu betäuben, wo ich am wenigsten sein sollte.

Im Club meines Feindes, wo vor weniger als zwei Stunden mein halbes Team hingerichtet wurde.

Born to kill youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt