Eigene Regeln

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POV. Amara

„Dass kannst du nicht ernst meinen!"
Fassungslos starre ich meinen Vater an, der mit vor der Brust verschränkten Armen hinter seinem Schreibtisch sitzt.
Links und rechts von ihm befinden sich große Stapel mit Akten und direkt vor seiner Nase sein Computer, an dem er bis gerade eben gearbeitet hatte.
Das hat mich aber nicht daran gehindert in sein Büro zu stürmen, als ich heute erfahren durfte, dass ich nicht die Führung der Mafia übernehmen werde. Jedenfalls nicht in den nächsten Jahren.

In zwei Monaten werde ich 20 und laut dem Brauch, sollen die Kinder mit dem Erreichen dieses Alters ihre Väter ablösen können. Meist passiert sowas zwar erst Jahre später, doch bis zum jetzigen Zeitpunkt war ich der festen Überzeugung, mit meinem kommenden Geburtstag bald das Ruder zu übernehmen. Immerhin ist mein Vater nun schon 64 Jahre alt und in den meisten Mafias ist das ein Alter, was für eine Neubesetzung der Führung spricht.
Mein Vater hat sich jedoch, eigen wie er nun einmal ist, dazu entschieden seine eigenen Regeln zu befolgen, was vermutlich darauf hinauslaufen wird, dass ich irgendwann, wenn ich alt und grau bin, den Thron besteigen darf, falls er sich nicht noch kurzfristig dazu entscheiden sollte meinen Cousin zu bevorzugen, was ich ihm auch noch zutrauen könnte. Die Brut meines Onkels ist mir schon seit unserem ersten Treffen ein Dorn im Auge. Nicht nur, dass er komplett impulsiv ist und ständig Blut vergießen möchte — auch wenn das wohl schon Grund genug wäre ihn nicht zu leide — nein, er muss sich auch noch bei meinem Vater einschleimen, wie das nervige Wiesel, das er nun einmal ist. Wenn ich mir also eine Sache zum Ziel mache, dann ganz bestimmt die, dass ich alles dafür tun werde diesen Plagegeist von meinem vorherbestimmten Platz fernzuhalten. Vorausgesetzt, dass mein Vater endlich zur Vernunft kommt und zurücktritt.

Vielleicht könnte man es darauf schieben, dass die Mafia D'Angelo erst vor circa 22 Jahren entstand und sich so explosionsartig ausgebreitet hatte, dass diese sogenannten Gesetze einfach bei meinem Vater untergegangen sind, doch ich weiß es eben besser. Er hat noch nicht genug davon Mafiaboss zu sein und dies wird sich vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern.

„Doch Amara, ich meine es ziemlich ernst.
Du bist dafür noch nicht bereit und überhaupt hast du noch garnicht in dieser Szene Fuß gefasst.
Die Leute kennen dich nicht, also wie sollen sie dir vertrauen und sich mit dir verbünden?
Bündnisse sind wichtig, wenn du hier überleben willst."

Das ist doch jetzt ein Scherz....

Entfremdet sehe ich meinen Vater an.
„Und wessen Schuld ist es, dass mich keiner kennt? Meine jedenfalls nicht!"
Ich kann förmlich spüren, wie die Wut in ihm hochkocht, doch davon lasse ich mich nicht bremsen.
Er hat Recht. Offiziell bin ich nämlich tot. Ich existiere nicht. Nicht in irgendwelchen Dokumenten und schon garnicht in irgendeiner Form digital im System. Auslöser für dies war der Tod meiner Mutter. Sie wurde umgebracht und mein Vater hielt es für die besten Lösung, um mich vor dem gleichen Schicksal zu bewahren.
Jedoch dauert diese Lösung inzwischen fast 20 Jahre und somit deutlich zu lange für meinen Geschmack.

„Ich bin praktisch mit einer Waffe in der Hand auf die Welt gekommen, habe ein eigenes Team, dass ich leite und bin bereits so berüchtigt, dass die Leute sich fast in die Hosen machen, sobald sie erfahren, mit wem sie es zu tun haben.
Keiner hat der Valentino Mafia, unseren Rivalen, mehr Schaden zugefügt als ich und erst gestern habe ich eine Lagerhaus von ihnen in die Luft gesprengt. Wie kannst du also behaupten, dass ich noch nicht bereit bin?"

Ich habe garnicht gemerkt, dass ich inzwischen von meinem Stuhl aufgestandenen und meine Fäuste auf seinen Schreibtisch geschlagen habe.

„Die Valentino's haben uns auch schon genug Schaden zugefügt, falls du dich erinnerst."
Seine Wut scheint wie weggewischt zu sein und seine Miene wird ganz trüb.

Born to kill youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt