Es eskaliert eh'.

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So, ein kleines Schmankerl für zwischendurch, wie man bei Nicole Zuhause sagen würde. Ist eine interessante Kombi, die ich eigentlich so gar nicht sehe, aber die beiden haben sich dafür angeboten. Außerdem: #GydeDeservesMoreRepresentation 

Gydes Augen brannten vom langen Starren auf den Bildschirm. Wie lange saß sie jetzt hier? 12 Stunden? 14? Schwer zu sagen. Trotzdem hatte sie nicht mal einen Bruchteil dessen erledigt, was sie hatte erledigen wollen. 

Sie schaffte es einfach nicht sich zu konzentrieren. Schon seit Tagen nicht. Hilflos vergrub sie das Gesicht in ihren Händen. Niemals hätte Gyde geglaubt, dass sie all das so beschäftigen, dass es sie so aufwühlen würde. 

Diese verdammte Party bei Konstantin. Connecting für Abgeordnete U40. Wäre sie doch nur zu Hause geblieben. Denn die Geschehnisse dieser Nacht wollten ihr auch Tage später nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sie wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen. 

Es lag ja nicht mal daran, dass ihr Intermezzo mit Nicole von emotionaler Bedeutung gewesen wäre, sondern daran, dass es sich irgendwie gut angefühlt hatte. Jedenfalls besser als gedacht. Vielleicht lag es auch daran, dass Gyde seit 100 Jahren Single war.

Seufzend lehnte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP zurück und ergab sich ihrem Schicksal. Erneut ließ sie den letzten Dienstag Revue passieren. 

*Dienstagnacht*

Aus den Boxen dröhnte Dancing in the Moonlight. Erschöpft ließ Gyde sich auf einen Stuhl fallen. Sie brauchte unbedingt mal eine Pause. Die letzten drei Runden Vodka-Saft-Shots hatten sie ganz schön fertig gemacht. Sie konnte echt nicht mehr so trinken wie in ihren 20ern. 

Einen kleinen Schluck von ihrem Bier nehmend sah sie sich in Konstantins Wohnzimmer um. Es war viel zu voll hier drin und im Stillen dankte sie Gott dafür, dieses Chaos morgen nicht beseitigen zu müssen. 

Wenige Meter entfernt tanzte ihre Parteifreundin Nicole Bauer mit einer Abgeordneten der SPD. Naja, was hieß tanzen? Nicole hatte die Arme um den Hals der Frau gelegt und rieb ihren Körper lasziv gegen den der Sozialdemokratin, die sich das augenscheinlich gerne gefallen ließ. Gyde schüttelte amüsiert den Kopf. Die Nicole, die eskalierte gerne mal, wenn sie etwas getrunken hatte. 

Auch Gyde selbst war schon mehr als einmal in das Visier der Niederbayerin geraten. Eigentlich ging das schon seit Jahren hin und her zwischen den beiden. Ein kleiner betrunkener Flirt hier, eine anzügliche Bemerkung da. Alles ganz harmlos und just for fun. Damit konnte Gyde echt leben, aber mehr? Das war für sie eigentlich ausgeschlossen. 

Sie mochte Nicole wirklich gern und war auch wirklich gut mit ihr befreundet, doch sie hätte niemals etwas mit ihr anfangen können. Schon weil sie beide Kollegen waren und sich das romantische Interesse an Frauen (zumindest bei Nicole) in Grenzen hielt. Außerdem hatte diese lange Zeit einen Freund gehabt. Einen Freund, der erst Nicole und dann Gyde umgebracht hätte, wenn da jemals mehr als ein Kuss auf die Wange passiert wäre. Nein, die Vorstellung war einfach zu absurd. Flirten war die eine Sache, auf alles andere konnte Gyde verzichten. 

So in Gedanken versunken bemerkte sie gar nicht, dass Nicole mittlerweile ihre Tanzpartnerin verlassen hatte und auf sie zugetigert kam. "Na, machst du schon schlapp?", fragte sie und nahm Gyde ihr Bier aus der Hand, um selbst einen Schluck zu trinken. "Ich brauche mal eine Pause, ja", antwortete Gyde und wollte die Flasche wieder entgegen nehmen. Nicole hatte jedoch andere Pläne. 

Breitbeinig setzt sie sich auf Gydes Schoß und legte die Arme locker über ihre Schultern. "Ach Gyde, mein Schatz", seufzte Nicole und grinste. Gyde hob die Augenbrauen. Okay, die war voll. "Was soll das, Nicole?", fragte sie und lehnte sich zurück.

Die Angesprochene ließ ihren Zeigefinger über die Wange und den Kiefer ihres 'Opfers' wandern und beugte sich näher zu ihr herunter. "Wie lange willst du mich eigentlich noch abblitzen lassen?", flüsterte Nicole nah an Gydes Ohr. Die bekam ganz unweigerlich eine Gänsehaut, als sie den warmen Atem ihrer Kollegin auf der Haut spürte. 

"Das, was du da in deinem Kopf ausheckst, ist einfach keine so gute Idee. Und das weißt du", seufzte Gyde. Nicole sah sie mit diesen verdammt großen, unschuldigen Augen an. "Nicht mal jetzt, wo ich wieder Single bin?", fragte sie, wohlwissend, dass ihre Beziehung immer Gydes Hauptargument gewesen war, nicht auf ihre Avancen einzugehen. 

Die Norddeutsche versuchte sich zu konzentrieren. Ja, auf der einen Seite war das hier wirklich keine gute Idee, auf der anderen allerdings... "Nicole, du weißt doch wie die Leute sind. Das sieht wieder jemand und dann wird zu viel hineininterpretiert. Ich meine... Oh mein Gott." Nicole hatte unterdessen angefangen sanft an ihrem Hals zu saugen und final leicht zugebissen. Lächelnd brachte Nicole ihr Gesicht wieder vor Gydes und sah sie mit vorgeschobener Unterlippe einfach nur an. Mist, attraktiv war sie ja schon. 

Wie automatisch fiel Gydes Blick im Halbdunkeln auf die Lippen ihres Gegenübers. Naja, wenn sie genau darüber nachdachte, dann hatte sie schon irgendwie Lust zu knutschen und wenn Gyde an den Punkt kam, dann war ihr eigentlich auch egal mit wem, aber hier hatte sie irgendwie Angst vor Konsequenzen. Ihr Blick entging jedoch auch Nicole nicht, die ihr wenige Sekunden später die Entscheidung abnahm. 

Noch eher Gyde wusste wie ihr geschah, presste Nicole ihre Lippen auf Gydes. Diese brauchte einige Sekunden um zu realisieren, was da gerade passierte. Dann erwiderte sie den Kuss. Stürmisch. Sehnsüchtig. Dass das ganze Wohnzimmer voller Leute war, hatten sie beide ausgeblendet. 

Gyde grinste in den Kuss und zog Nicole an ihrer Taille näher. Mutig geworden schob sie ihre Zunge in den Mund der anderen Frau, die diese bereitwillig begrüßte. Gott, das fühlte sich schon gut an. Nicole schmeckte leicht nach Vodka und Zitrone. 

Ricarda Lang betrat das Wohnzimmer und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. "Ähm, machen die zwei da etwa rum?", fragte sie an Ria, Konstantin und Johannes gewandt, die auf dem Sofa saßen. "Das überrascht dich nicht wirklich, oder?", fragte Johannes Vogel. "Ich glaube, das überrascht niemanden hier", antwortete Ria, woraufhin Ricarda nur mit den Schulter zuckte. "Ich hab immer gesagt, dass das früher oder später mal passiert", murmelte Konstantin. 

Nicole entwischte währenddessen ein leises Stöhnen, als Gyde sanft mit den Zähnen an ihrer Unterlippe zog und sich schließlich von ihr trennte. "Bist du endlich zufrieden?", fragte die Rothaarige leise. Nicole nickte lächelnd. 

Kopfschüttelnd, aber ebenfalls mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, stand Gyde auf und begab sich Richtung Küche. "Die Frau bringt mich noch ins Grab", murmelte sie zu sich selbst und ließ sich von Kevin Kühnert noch einen Shot geben. 

Später am Abend, als Nicole die Party verließ, begegneten sich die beiden noch einmal. "Wer macht jetzt schlapp?", neckte Gyde und lehnte sich in den Türrahmen. Nicole murmelte irgendwas von sehr betrunken. Dann lachte sie plötzlich und drückte Gyde noch schnell einen weiteren Kuss auf die Lippen. Diese sah sie wieder nur überrascht an. "Viel Spaß noch!", nuschelte Nicole, eher sie die Tür hinter sich zu zog. Gyde sah einige Sekunden auf das dunkle Holz. Dann kehrte sie lachend zu den anderen zurück. 

*Gydes Büro*

Gyde rieb sich über das Gesicht. Sie dachte definitiv zu viel über diesen Kuss nach. Dabei wollte sie gar nichts von Nicole. Gott nein, das letzte was sie wollte, war in irgendwas emotionales rein zu geraten. Aber verdammt, sie hätte diesen Kuss gerne wiederholt. Denn dieser Kuss war verdammt gut gewesen und Nicole verdammt heiß. Und solange alles cool und freundschaftlich bliebt? Warum auch nicht? Fun and games. Mehr nicht. Vielleicht sollte sie ihre Prinzipien mal überdenken, vielleicht gab es da ja doch noch ein paar Dinge, die sie und Nicole ausprobieren sollten. 

Kurz hatte Gyde die Hoffnung - oder die Sorge? - gehabt, dass sich nun, da die beiden einander geküsst hatten, diese Spannung endlich legen würde. Dass sie sich nicht mehr so anzogen, wenn sie in Situationen wie auf Konstantins Party kamen. Doch nein, genau das Gegenteil war der Fall. Es war noch immer alles wie zuvor. Der Flirt, die Spannung und irgendwie, ja irgendwie freute Gyde sich innerlich schon auf die nächste Eskalationsstufe. 

Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem BundestagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt