Der Teufel trägt Polo - Teil 2

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2017
Die Plakate waren aus dem Stadtbild bereits verschwunden, als Linda in der Bahn nach Berlin saß. Sie zitterte innerlich. Freude und Angst vermischten sich in ihr zu einer unerträglichen Nervosität. Es war ihr erster Tag im Bundestag, ihre erste Fraktionssitzung. Sie war so gespannt auf die Arbeit, die Menschen und die anderen Politiker und auch so voller Freude, dass die FDP zurück war. Und sie war Teil davon. Der einzige Wermutstropfen war diese unsägliche AfD , die ebenfalls den Sprung in den Bundestag geschafft hatte und deren Spitzenkandidatin Linda seltsam bekannt vorkam.

Alice Weidel war plötzlich aus dem Nichts auf der politischen Bühne aufgetaucht und auch wenn Linda sie nicht genau einordnen konnte, war sie sich sicher sie schon einmal gesehen zu haben. Immer, wenn sie gerade kurz davor war darauf zu kommen, woher sie Weidel kannte, war es beinahe so, als hätte man ihr einen Stromschlag verpasst und sie so von ihrem Gedanken abgebracht. Sie war doch sonst nicht so zerstreut! Es war einfach seltsam...

Sobald Linda den Fraktionssaal der FDP betreten hatte, verschwendete sie jedoch keinen Gedanken mehr an Weidel. Sie begrüßte Wolfgang und Otto, drückte Nicola und Katja, zwinkerte Christian zu. Man kannte sich hier im Raum. Natürlich. Von Parteitagen, aus dem Wahlkampf, noch damals von den JuLis.

Und so begannen Lindas erste Wochen im politischen Berlin. Sie bezog ihre Büroräume, nahm an der konstituierenden Sitzung und ihrer ersten Ausschusssitzung teil. Das Jamaika-Bündnis war zwar scheiterte, doch Lindas Euphorie über ihr neues Leben hielt an. Sie war einfach so glücklich das hier erleben zu dürfen. Bis lange ins neue Jahr. Bis zu dieser einen Sitzung, in der Alice Weidel ans Rednerpult trat.

Als Weidel ihre Rede beendet hatte und zurück in die Reihen der AfD-Fraktion ging, traf sie Lindas Blick. Sie lächelte und plötzlich wusste Linda, woher sie die Frau kannte. Es war, als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen. Diese Lächeln, die stechenden Augen, die Art wie sie sich bewegte. Statt dem schwarzen Polo trug sie zwar eine Bluse und einen Anzug, doch es war plötzlich ganz offensichtlich: Alice Weidel war Lille. Alice Weidel war der Teufel.

Linda erhob sich und verließ den Saal. Es dauerte nicht lange und sie hörte schnelle Schritte hinter sich. Sie bog um eine Ecke in einen leeren Gang und fühle eine kalte Hand auf ihrer Schulter. Linda wirbelte herum. Alice Weidel grinste. „Renn doch nicht weg! Behandelt man so alte Freunde?"

Linda hatte es die Sprache verschlagen. Lille war alles, aber definitiv keine Freundin. „Schau mich nicht so an", sagte Lille schließlich. „Ich habe mittlerweile so viele Geschäftspartner hier in Berlin, da dachte ich mir ich mische auch mal in der Politik mit."

„Wieso habe ich dich nicht erkannt?", fragte Linda. Lille verdrehte die Augen. „Linda, ich bin der Teufel", sagte sie, als ob das alles erklären würde. „Und der Teufel wählt AfD?"

„Ach was heißt hier AfD wählen... Ich hab mir nur die Truppe ausgesucht, von der ich dachte, dass es am lustigsten sein würde sie zu ärgern. Außerdem sind die alle super easy zu beeinflussen und ich suche mir alle paar Jahre einen Politiker aus, mit dem man Mist bauen kann, da hat es sich angeboten selbst mal Politikerin zu spielen.", erklärte Lille. Dann grinste sie und boxte Linda freundschaftlich auf die Schulter. „Hey, du sitzt im Bundestag, das ist super! Endlich da, wo du hinwolltest, oder?" Ihre Augen funkelten gespannt, so als ob sie schon wüsste, was Linda sagen würde. Vermutlich war dem auch so.

Linda hatte immer in den Bundestag gewollt, das war ihr höchstes Ziel gewesen, aber nun, da sie dieses erreicht hatte... Lille kicherte. „Schlimm, wenn man immer höher hinaus will, oder? Ich sagte ja: Wünsche können sich jederzeit ändern."

„Ich denke, ich könnte noch mehr leisten", sagte Linda zögernd. „Ich denke, ich wäre auch gut als stellvertretende Fraktionsvorsitzende oder so." Lille lächelte schelmisch. „Nun, du hast noch eine ganze Weile Zeit, um herauszufinden was es ist, das dich glücklich macht, Linda. Ich muss jetzt wieder los. Ich habe noch ein paar Seelen unten in München einzutreiben. Wenn du wüsstest, was dieser Söder mir alles versprochen hat, nur um endlich Ministerpräsident zu werden!" Lille zwinkerte Linda zu und verschwand ihrerseits hinter einer Ecke. Als Linda ihr wenige Sekunden später folgte, war sie weit und breit nirgends zu sehen. Nichts zum ersten Mal hatte Linda ein flaues Gefühl im Magen, wenn sie über ihren Deal mit Lille nachdachte.

Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem BundestagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt