Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem Bundestag

Regel Nr. 1

„Äh heute? Das ist ganz schlecht", sagte Gyde und mied Lindas Blick. „Aber wir treffen uns immer Montags nach der Fraktionssitzung", sagte Linda und Konstantin, der hinter ihr stand nickte eifrig. „Komm schon Gyde, was ist denn da so wichtiges, dass du uns einfach versetzt?" Gyde zuckte mit den Schultern. „Ich... ich hab da so eine Sache."

Linda hob die Augenbrauen. „Eine Sache?" Konstantin begann zu grinsen. „Uhh die hat n Date! Wie ist sein Name?" Gyde verdrehe die Augen. „Ich habe kein Date und ich treffe mich nicht mit irgendeinem Typen, ich... ich hab auch noch ein Privatleben, okay? Das geht euch nichts an!", erwiderte sie ungewohnt heftig. „Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Ich muss los." Gyde stapfte davon.

„Was ist denn mit der los?", fragte Konstantin verwundert. „Keine Ahnung", murmelte Linda. „Aber irgendetwas stimmt da nicht."

Schon seit ein paar Wochen verhielt Gyde sich seltsam. Sie verschwand stillschweigend früher aus den Fraktionssitzungen, kam nicht mehr zu den After-work-Drinks und war allgemein sehr kurz angebunden, wenn man sie fragte was sie beispielsweise am Wochenende gemacht hatte. Doch all dies hatte Linda nicht auf den Schock vorbereiten können, der sie am Dienstagmorgen treffen sollte.

Linda stand im Fahrstuhl des JKH und die Türen waren gerade dabei sich zu schließen, als Gyde und eine handvoll weiterer Abgeordnete heraneilten und sich mit ihr in die Kabine quetschten. „Morgen Linda!", rief Gyde ausgelassen, doch die Angesprochene konnte den Gruß nicht erwidern. Entsetzt starrte sie ihre Kollegin an. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte Linda mit zitternder Stimme.

„Ach das... äh...", stammelte Gyde, deren linkes Auge ein dunkelblauer Schatten umgab. „Das ist halb so wild. Nur ein kleiner Unfall." Ungläubig sah Linda sie an. „Kleiner Unfall? Du siehst aus, als ob man dir eine reingehauen hätte!" Gyde hatte öfter mal blaue Flecken am Körper, behauptete aber, dass sie diese einfach schnell bekam und vielleicht auch einen kleinen Eisenmangel hatte. Das hier sah für Linda aber alles andere als harmlos aus.

Der Fahrstuhl hielt und einige Abgeordnete stiegen aus. „Wir sehen uns dann!", rief auch Gyde und schlüpfte aus dem Aufzug. „Weshalb musst du denn hier raus?", fragte Linda verwirrt, denn auf diesem Stockwerk befanden sich eigentlich nur Büros des BSW und der Linken. Gyde zuckte mit den Schultern und verschwand. Seufzend lehnte Linda sich gegen die Wand. Mit einem Mal hatte sie ein ganz ungutes Gefühl in der Magengegend.

*

„Mit wem hat Jensen sich denn angelegt?", fragte Annalena und ließ sich auf einem der Sofas im Reichstag neben der Liberalen nieder. „Oder nimmt sich Lindner jetzt ein Züchtigungsrecht raus?" Linda verdrehte die Augen. „Nee, so weit ist selbst der noch nicht, aber was mit Gyde los ist würde ich auch zu gern wissen. Die benimmt sich total komisch und jetzt das blaue Auge... irgendwie habe ich ein komisches Gefühl bei der Sache."

Annalena überlegte kurz. „Hat sie jemanden neues am Start?" Linda zuckte mit den Schultern. „Gyde sagt nein, aber wenn ich mit jemandem zusammen wäre, der mir eine reinhaut, dann würde ich das auch nicht an die große Glocke hängen wollen."
„Mal' den Teufel nicht an die Wand. Für das blaue Auge kann es auch eine Menge weniger ernste Erklärungen geben", sagte Annalena. „Zum Beispiel?", wollte Linda wissen.

„Na vielleicht ein Sportunfall oder sie ist wirklich gegen eine Tür gelaufen oder ein... Sexunfall?" Linda musste unwillkürlich grinsen. „Will ich überhaupt wissen, was du so treibst, dass du blaue Augen davonträgst?" Annalena hob verteidigend die Hände. „Jeder von uns hat so seine Vorlieben. Vielleicht mag Jensen es hart." Linda verzog das Gesicht. „Das will ich mir absolut nicht vorstellen! Mal ganz davon abgesehen: wer steht denn auf sowas? Das hat doch nichts mehr mit ein bisschen härter zu tun, das ist in meinen Augen verdammt brutal. Übrigens wir müssen los." Die beiden erhoben sich und machten sich auf den Weg zum Plenarsaal.