Weil es dich gibt - Teil 2

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„Und deswegen ist es unsere Pflicht... Ähhh..." Michelle hatte den Fehler gemacht in die Reihen der FDP zu schauen. Wie zum Teufel konnte sich irgendjemand in dieser Fraktion konzentrieren, wenn Katja so da saß und einen einfach nur anschaute? Sie hatte den Kopf leicht schief gelegt und mit einem leichten Lächeln betrachtete sie Michelle am Rednerpult. Woran sie wohl dachte? Im Saal erhob sich Gemurmel. „Frau Kollegin?", fragte Yvonne Magwas. Michelle zuckte zusammen. „Eh ja. 'Tschuldigung. Ah... ich sehe meine Redezeit ist vorbei... ehm... danke und... danke." Mit hochrotem Kopf kehrte Michelle in die Reihen der SPD zurück und schnappte sich sofort ihre Tasche mit dem breiten Regenbogen-Riemen. Nur schnell weg hier. „Oh Gott, wie peinlich", murmelte sie, als sie aus dem Plenarsaal eilte, stur geradeaus blickend, jedoch sicher, dass einige ihrer Kollegen sich gerade ein Lachen verkneifen mussten.

„Ich bin so ein hoffnungsloser Fall", zischte sie, als sie sich auf den Weg in ihr Büro machte. Doch was sollte sie tun? Katja ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wenn Michelle ehrlich war, dann hatte die Liberale ihr schon immer ein bisschen gefallen. Schon 2017. Katja war nett, offen für Neues und andere Meinungen und auch unheimlich attraktiv. Sie hatte sich schon oft ausgemalt, wie es wohl wäre, am Morgen nicht neben Franz, sondern ihr aufzuwachen, doch seit genau das in Italien geschehen war, fuhren Michelles Gefühle Achterbahn. Dieser Kuss. Die sternenklare Nacht. Michelles Herz, das vielleicht noch nie so schnell geschlagen hatte wie in dem Moment, bevor sie sich geküsst hatten. Katja, die sie am nächsten Morgen, von den ersten Strahlen der Sonne beschienen, angrinste. Die weißen Laken der Hotelbettwäsche, die beinahe genauso durcheinander waren wie Michelle selbst.

Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Sie wollte Katja wieder küssen. Immer und immer wieder. Allein der Gedanke daran trieb sie in den Wahnsinn, doch die beiden Frauen hatten noch keine Gelegenheit gehabt über das, was in Rom geschehen war zu sprechen. Nach ihrer Landung in Deutschland hatten sie sich verabschiedet und Katja hatte ihr nur einen flüchtigen Kuss auf die Lippen gehaucht. Dann waren zwei Wahlkreiswochen vergangen, in denen Michelles Mut bei der nächsten Gelegenheit einfach an Katjas Bürotür zu klopfen immer mehr gesunken war und in den letzten 2 Tagen hatte sie das Gefühl gehabt, Katja ginge ihr aus dem Weg. Sie wusste wirklich nicht mehr weiter. Ja, Michelle hatte sich schon öfter verliebt und ja, sie war auch schon in Frauen verliebt gewesen, hatte Beziehungen mit ihnen geführt, doch das mit Katja, das war irgendwie anders. Sie fühlte es. So richtig.

Michelle war so in Gedanken versunken, dass ihr gar nicht auffiel, dass jemand hinter ihr ihren Namen rief. Erst als die Person sie eingeholt hatte und sie an der Schulter packte, riss sie dies aus ihren Tagträumereien. „Mensch Michelle, ist alles gut bei dir?", fragte Bärbel und musterte ihre Kollegin besorgt. Mit großen Augen sah Michelle sie an. „Ja aber natürlich Bärbel, wieso?" Die Bundestagspräsidentin sah sie forschend an. „Deine Rede grade? Du hast doch noch nie den Faden verloren. Es sah so aus, als ob du gar nicht wüsstest, wo du gerade wärst. Zapp, als hättest du dich weggebeamt." Michelle zuckte mit den Schultern. „Ach, ich bin einfach ein bisschen gestresst. Mach dir keine Sorgen. Und sorry, aber ich muss jetzt wirklich weiter ich..." Bärbel unterbrach sie.

„Michelle jetzt mal ohne Scheiß, wir kennen uns seit Jahren! Wir haben uns immer alles erzählt, waren auf Roland Kaiser Konzerten, auf dem CSD... ich kenne dich besser als sonst jemand in der Fraktion. Du verheimlichst mir etwas. Und langsam habe ich die Vermutung, dass es etwas mit Katja Suding zu tun hat." Erschrocken sah Michelle sie an. „Wie kommst du denn darauf?" Bärbel grinste. „Also erstens sabberst du beinahe, wenn du sie ansiehst und zweitens... Du hast neulich in einem Schriftstück an mich nicht Bärbel geschrieben, sondern Katja. Kann es sein, dass diese Liberale dich gerade ein wenig ablenkt?" Michelle seufzte resigniert. „Ja, also das war so...", begann sie zu erzählen.

*

„Das ist so unfassbar kitschig", sagte Gyde und lümmelte sich auf das Sofa in Katjas Büro. Katja grinste bis über beide Ohren. „Es war wirklich wie direkt aus einem Liebesfilm, Gyde! Oh und sie zu küssen, das war... wow. Ich sage es dir. Sowas habe ich ewig nicht mehr erlebt. Ihre Lippen, ihre Hände, all das ist so warm und weich und passt so perfekt zu meinen und sie riecht so gut und..." Katja stockte der Atem. Sie schlug die Hände vors Gesicht und lachte. „Ich muss pausenlos an sie denken!"

Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem BundestagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt