Otto und Nicola standen in der offenen Tür des WG-Zimmers und starrten Linda an, die mit einer Tasse Tee schweigend auf ihrem Schreibtischstuhl lümmelte und aus dem Fenster starrte. Sie zeigte keine Gefühlsregung.
„Das geht jetzt schon fast 3 Wochen so", murmelte Nicola. „Sie spricht nicht, sie isst kaum noch und - was mich am meisten beunruhigt - sie war die ganze Zeit nicht einmal in der Bibliothek!" Otto legte den Kopf schief und betrachtete den blonden Hinterkopf vor ihm. „Naja, vielleicht ist sie krank?", sagte er. Nicola schnaubte. „Krank. Ja genau. Krankhaft verrückt nach dieser Kleinen aus London!", zischte sie.
Otto seufzte und lächelte versonnen. „Liebeskummer. Wie tragisch! Linda leidet an einem schweren Fall von Melancholie." Nicola verdrehte die Augen und boxte ihn auf die Schulter. „Mein Gott, Otto! Das ist kein Drama von Shakespeare!" Der junge Mann grinste breit und legte einen Arm um Nicola. Zärtlich küsste er sie auf die Wange und hauchte: „Wohn' ich denn nur in der Vorstadt eurer Zuneigung? - William Shakespeare, Julius Cäsar."
Nicola lachte und wurde ein klein wenig rot. „Ach, du wohnst nicht in der Vorstadt meiner Zuneigung. Du siedelst schon lange im Stadtzentrum meiner Liebe", nuschelte sie. „Du wirst noch eine wahre Poetin, Baby", entgegnete er.
Mit einem Mal drehte Linda sich in ihrem Stuhl herum. „Hättet ihr beide die Güte euer Gespräch woanders fortzusetzen? Und bei der Gelegenheit könntet ihr gleich damit aufhören über mich zu sprechen, als ob ich nicht da wäre. Noch höre ich euch ziemlich gut!", sagte sie mit kratziger Stimme. Das kam vermutlich daher, dass sie in letzter Zeit so selten etwas sagte.
Anstatt ihre Freundin allein zu lassen, betrat Nicola Lindas Zimmer und schmiss sich auf ihr Bett. „Also Klartext, Linda: du musst über sie hinwegkommen! Annalena und du, das war doch nicht mehr als ein kleiner Sommerflirt. Sowas muss man mitnehmen und dann loslassen. Ich meine ihr könnt natürlich noch miteinander schreiben und telefonieren und so weiter, aber vermutlich sehr ihr euch eh nie wieder. Tut mir echt leid das so hart ausdrücken zu müssen, aber vielleicht musst du es mal hören. Da draußen gibt es sooo viele Frauen, die nur auf dich warten!"
Mit jedem Wort hatten Lindas Augen sich mehr mit Tränen gefüllt und drohten nun überzulaufen. „Mann Nicola, gut, dass du keine Seelsorgerin geworden bist", sagte Otto und setzte sich neben Linda auf deren Schreibtisch. Die vergrub sofort ihr Gesicht an seiner Seite. „Schau mal, ich verstehe dich ja. Ich weiß genau wie du dich grade fühlst, aber nur hier rumliegen und ihr nachtrauern, das bringt doch nichts", flüsterte Otto ihr zu.
Linda schniefte laut und wischte sich über das Gesicht. „Ich vermisse sie aber so sehr! Jedes Mal, wenn ich am Telefon ihre Stimme höre, dann platzt mein Herz fast vor Sehnsucht! Ich will sie wiedersehen! Aber sie weiß nicht wann sie wieder in Deutschland ist und selbst wenn... sie kommt doch gar nicht aus Potsdam."
Otto lächelte und strich ihr beruhigend über die Haare. „Ob du's glaubst oder nicht Linda, die wahre Liebe kann man auch außerhalb von Brandenburg finden." Nicola kicherte und selbst Linda musste lächeln. „Manchmal, da macht es das Schicksal uns nicht leicht. Aber Tatsache ist, dass sie in London sitzt und du hier. Wie soll das funktionieren?", fragte Nicola.
Nachdenklich stand Otto auf. Langsam nickend betrachtete er die Fotos von Annalena und Linda, die bei dieser an der Wand hingen. Sie sahen so glücklich aus, der Gedanke daran, dass die beiden einander vielleicht nie wieder sehen würden brach sogar ihm ein bisschen das Herz.
Linda und Nicola beobachteten ihn schweigend dabei wie er eines der Bilder der beiden jungen Frauen von der Wand nahm und es näher betrachtete. Linda erinnerte sich gut an den Moment, so wie eigentlich an jeden mit Annalena. Auf dem Bild lehnten die beiden an einem Brückengeländer und hielten einander im Arm. Annalena hatte ihren Kopf auf Lindas Schulter gelegt und strahlte in die Kamera.
DU LIEST GERADE
Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem Bundestag
FanfictionDer literarische Snack für zwischendurch! Alles was ich noch sagen wollte, Ideen die es nicht in fertige Stories geschafft haben oder einfach nicht für eine eigene Geschichte ausreichen. Es wird divers werden. Enjoy. Wie immer gilt: All das ist fre...