Von Geistern und andere Nachtgestalten

273 17 53
                                    

Wollte ich einen Halloween-Oneshot schreiben? Ja. Hat die Deutsche Bahn das verhindert? Auch ja. Also jetzt mit einiger Zeit Verspätung und ein paar Änderungen eine kleine Geistergeschichte für euch...

In der Bibliothek des alten Herrenhauses prasselte ein Feuer im Kamin. Die umsitzenden Politiker hatten sich in den vergangenen Stunden gut unterhalten und dabei nicht nur Tee getrunken. Claudia Roth hatte an diesem Wochenende zum gelb-grünen Bonding geladen und so saßen nun sie, Annalena, Robert, Christian, Gyde und Linda in den gemütlichen Sesseln und lernten sich besser kennen. Claudia hatte sich für diese Idee auch sehr gefeiert, bis Christian damit begonnen hatte Geistergeschichten zu erzählen.

„Auf jeden Fall soll es in diesem Haus spuken", sagte er mit einem unheilvollen Gesichtsausdruck. Linda verdrehte die Augen, während Gyde neben ihr in ihr Weinglas lächelte. Claudia sah ihn mit großen Augen an. „Spuken? Hier gibt es Geister?", flüsterte sie. „Christian macht nur Spaß, Claudia", versuchte Robert sie zu beruhigen.

„Von wegen Spaß", antwortete Christian. „Ich meine es Ernst. Hier gibt es so einige Gespenster. Durch die Gänge huschen Schatten, Dinge verschwinden und in manchen Nächten hört man die klagenden Schreie der weißen Frau."

„Die weiße Frau?", fragte Linda und konnte ihren spöttischen Unterton nicht ganz verstecken. „Ach komm schon Christian, jedes zweite Kaff hat seine weiße Frau. Das sind Ammenmärchen." Annalena räusperte sich. „Also ich weiß ja nicht", sagte sie verlegen. „Ja, man hört diese Geschichten überall auf der Welt, aber spricht das nicht eher dafür, dass sie einen wahren Kern haben? Millionen Menschen, die sich diese Gruselgeschichten seit Jahrhunderten weitererzählen, die können sich doch nicht irren, oder?"

„Ich denke es liegt an der menschlichen Natur. Wir wollen diese Geschichten glauben, weil das Mysteriöse, der Tod und was danach kommt ungewiss und deshalb faszinierend ist. Abseits des Horrors lässt sich Trost darin finden, dass es nach unserm Ableben vielleicht doch nicht zu Ende sein könnte. Außerdem suchen wir doch immer Erklärungen für das, was wir uns nicht erklären können", sagte Robert und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Linda schlug sich auf die Oberschenkel und die anderen stöhnten auf. „Er fängt an zu philosophieren", jammerte Christian. „Und das ist mein Stichwort. Ich gehe jetzt ins Bett", verkündete Linda. Gyde erhob sich ebenfalls. „Ich komme gleich mit hoch. Ich bin hundemüde von der Fahrt."

Nach und nach schlossen sich auch die anderen Politiker an.
Als Claudia sich schließlich neben Annalena in ein Doppelbett kuschelte schaute sie misstrauisch in jede Ecke des Zimmers. „Ich fühle mich beobachtet", sagte sie und zog sich die Bettdecke bis ans Kinn. „Dieses Haus hat aber auch einfach einen komischen Vibe", sagte Annalena. „Aber wir beide sind ja zu zweit. Und kein Gespenst der Welt kann es mit uns im Doppelpack aufnehmen!" Claudia sah davon gar nicht so überzeugt aus, als sie sich zur Seite drehte und das Licht löschte.

Die Nachtruhe der beiden Grünen dauerte nicht lange. Claudia und Annalena waren kaum eingeschlafen, als sie ein Geräusch aus dem Schlaf riss.

Annalena saß kerzengerade im Bett. „Claudia? Claudia wach auf!" Die Ältere schaltete das Licht an und sah ihre Kollegin panisch an. „Annalena! Was ist das?" Die beiden hielten inne. Das langgezogene Stöhnen einer Frau hallte in der Ferne durch das Haus. Eine Weile setzte sich diese Geräuschkulisse fort, dann verstummten die Schreie abrupt. Die beiden Frauen sahen sich an. „Die weiße Frau", flüsterte Claudia. Keine von ihnen machte in dieser Nacht noch ein Auge zu.

*

„Ich schwöre euch, dass wir uns das nicht ausdenken!", rief Annalena entrüstet, als die Truppe am nächsten Morgen beim Frühstück saß. „Aber das war doch nur so eine dumme Geschichte!", stöhnte Lindner genervt in seinen Kaffee. „Es gibt keine Geister!"

Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem BundestagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt