Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem Bundestag

Der Teufel trägt Polo - Teil 1

2005

Noch immer starrte Linda auf die kleine Zahl unterhalb des Votums. 3. Warum eigentlich immer 3? Mit 2 oder weniger Punkten war man wenigstens krachend durchgefallen, aber mit 3? Sollte sie das etwa motivieren? Für sie klang das eher nach: es waren fast 4, aber sorry, du warst einfach trotzdem nicht gut genug. Seufzend legte sie die Probeklausur beiseite, während langsam Hoffnungslosigkeit in ihr aufstieg. Seit Wochen wurden ihre Ergebnisse immer schlechter statt besser. So würde sie das Examen nie packen.

Umso mehr sie lernte, desto weniger hatte Linda das Gefühl irgendetwas zu verstehen. „Ich hätte einfach Lehramt studieren sollen, so wie alle anderen auch", stöhnte sie und ließ sich in ihrem Stuhl zurückfallen. Einfach bisschen Lyrikanalyse mit der Oberstufe oder Exkursionen zu wichtigen Orten der Deutschen Geschichte - das wäre es gewesen! Naja, wenn es hart auf hart kam, dann hatte sie ja noch immer ihren VWL-Bachelor.

Ein Blick auf die Uhr verriet Linda, dass es bereits 23:58 Uhr war. Eigentlich höchste Zeit ins Bett zu gehen, doch sie hatte das Gefühl sich das noch nicht erlauben zu können. Wie hätte sie auch schlafen können, wenn es noch zu viel zu erledigen gab? Linda musste noch unbedingt etwas für die JuLis fertig machen und auch die nächste Sitzung des StuPa musste sie vorbereiten. Gleichzeitig war sie super unkonzentriert, weil Björn noch immer nicht auf ihre letzte SMS geantwortet hatte. Vermutlich schlief der ältere BWL Student schon tief und fest, während Linda hier saß und ihn einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam.

„Ich will doch einfach nur dieses scheiß Examen bestehen, Politikerin werden und Björn heiraten", murmelte sie und legte ihre Stirn auf die Tischplatte. „Ist das denn zu viel verlangt?" Als in der Ferne eine Kirchturmuhr 12 schlug fragte Linda sich, ob es denn keinen einfacheren Weg gab an ihr Ziel zu kommen.

„Oh, den gibt es", sagte plötzlich eine Stimme und Linda schreckte hoch. Moment mal. Da hatte eindeutig jemand gesprochen! Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Vielleicht drehte sie wegen des ganzen Stresses auch langsam durch. „Nein, Linda, du hörst richtig", sagte die Stimme wieder und langsam bekam die Studentin wirklich Angst.

Linda wusste ganz genau, dass ihre Mitbewohnerin nicht zuhause war. Es war unmöglich, dass diese ihr einen Streich spielte. Auch war die Wohnungstür abgeschlossen und einen Balkon gab es nicht. Hinzu kam, dass sich die Wohnung im dritten Stock befand und doch trat aus dem Schatten neben ihrem Bett nun eine Gestalt in den Lichtkegel ihrer Schreibtischlampe. „Was zum...?", entfuhr es Linda, als sich eine junge, blonde Frau in schwarzer Jeans und schwarzem Polo gegen ihr Bücherregal lehnte und sie breit angrinste. „Guten Abend", sagte sie.

Linda sprang auf und wich so weit es ging vor ihr zurück. „Wer zum Teufel bist du? Und wie kommst du hier rein?" Die blonde Frau stieß sich vom Regal ab und kam einige Schritte auf sie zu. „Tja... Ich bin der Geist, der stets verneint... haha nee, wir sind hier schließlich nicht im Deutsch-LK. Mal ganz davon abgesehen, dass dieser müde Abklatsch eines Dichters keine Zeile ohne meine Hilfe hervorgebracht hätte. Du liegst goldrichtig mit deiner Vermutung, aber ich habe viele Namen. Meine Geschäftspartner nennen mich allerdings..." Die Frau stand nun direkt vor Linda und hatte sie vor dem Fenster in die Enge getrieben. „Lille."

Auch wenn sie christlich erzogen wurde, hatte Linda nie an die Person – vor allem nicht in dieser Form - geglaubt, die da mutmaßlich vor ihr stand. Sie war ja schließlich nicht katholisch. Trotzdem zweifelte sie keine Sekunde an ihrem Verstand, als ihr durch den Kopf schoss: das ist der Teufel.

„Wa... was willst du hier?", fragte sie nervös. Lille legte den Kopf schief. „Na du hast doch einen Ausweg, aus deiner Situation gesucht, oder? Ich kann ihn dir bieten. Liebe, Ruhm und Erfolg, Linda. Alles, was du dir je erträumt hast."