Weil es dich gibt - Teil 1

221 9 41
                                    

„Ich muss komplett verrückt sein", murmelte Katja, als sie sich in den Stuhl hinter ihrem Schreibtisch fallen ließ. Langsam glitt ihr Blick durch das kleine Büro im Jakob-Kaiser-Haus. Sie war zurück. Und das obwohl sie sich geschworen hatte niemals zurück zu kommen. Obwohl sie so glücklich war mit dem Leben, das sie abseits der Politik geführt hatte. Doch Katja hatte Herausforderungen schon immer geliebt. Und vor einer solchen hatte die FDP gestanden, als Christian Lindner sie im letzten Winter angerufen hatte.

„Du hättest nicht sagen dürfen, dass du ein Comeback in Erwägung ziehen würdest, wenn wir wirklich auf der Kippe stehen", sagte Linda Teuteberg grinsend und verschränkte die Arme. Katja lächelte ihre Kollegin an und nickte langsam. „Ich muss echt lernen meine Klappe zu halten. Aber jetzt ist es zu spät. Jetzt bin ich gewählt." Lindas Grinsen wurde noch breiter. „Das bist du und du warst unsere beste Spitzenkandidatin seit Langem. Ich bin so gespannt auf die neue Ära. Willkommen zurück, Katja. Und nochmal Glückwunsch zum Fraktionsvorsitz."

*

„Gut gemacht, Kollegin! Ich bin wirklich froh, dass du wieder hier bist!", sagte Johannes und klopfte Katja auf die Schulter, die gerade ihre erste Rede seit ihrem Comeback in den Bundestag gehalten hatte. Überraschenderweise hatte es sich nicht im entferntesten so schlimm angefühlt, wie sie das erwartet hatte. Natürlich hatte Katja über die 11 Jahre, die Politik ihr Leben gewesen war, ihre Angst irgendwann ein bisschen abgelegt, doch sicherlich war es auch hilfreich gewesen, dass sie viel über ihre Angst vor Reden gesprochen hatte. Und geschrieben. Jeder, der ihr Buch gelesen hatte wusste, dass Katja früher einmal lieber eine Treppe hinuntergefallen wäre, als sich ans Rednerpult zu stellen und irgendwie wartete sie nur darauf, dass irgendjemand dieses Wissen gegen sie benutzen und einen dummen Spruch bringen würde.

Vollkommen in Gedanken verließ Katja nachdem der TOP beendet worden war den Saal und schlenderte hinüber zu den Aufzügen, als sie plötzlich jemand am Arm berührte. „Katja! Hallo! Mensch, ich hatte noch gar keine Zeit mal vorbeizuschauen", rief Michelle Müntefering und schloss Katja in ihre Arme. „Oh hi! Ach, nur kein Stress. Wir sehen uns ja jetzt öfter, nicht? Wie läufts?" Es war kein Geheimnis, dass Katja immer der Ansicht gewesen war, dass es sich mit der SPD ganz gut zusammenarbeiten ließ. Sie glaubte nicht wie viele andere an den Mythos vom natürlichen Koalitionspartner CDU und auch privat verstand sie sich mit einigen SPDlern ganz gut. So auch mit Michelle. Die beiden hatten sich schon immer abseits der Politik ganz gut unterhalten können. Über Musik, Motorräder und ihre vielfältigen Reiseziele. Doch so wie mit fast allen Menschen aus der Politik, hatte Katja in den vergangenen Jahren nur sporadisch Kontakt mit Michelle gehabt und als die jüngere Frau jetzt vor ihr stand, fiel der Liberalen sofort auf, dass sie sich verändert hatte.

Michelle trug die Haare jetzt kurz und steckte in einem dunkelblauen Anzug. Ihre Krawatte glänzte silber. Lässig hatte sie die Hände in die Hosentaschen geschoben und grinste. Alles in allem sah sie verdammt cool aus, das musste Katja zugeben. „Ach, alles wie immer. Man lebt. Und bei dir? Mensch, ich hätte echt nicht gedacht, dass wir dich hier mal wieder sehen, aber ich freue mich total! Auch, dass du den Laden jetzt übernommen hast. Glaube jetzt habt ihr wieder richtig Potenzial zur alten Stärke zurück zu finden." Katja lachte und antwortete: „Dann sozialliberale Koalition in 4 Jahren?" Michelle wog den Kopf hin und her. „Ach, darüber reden wir, wenn es soweit ist."

„Du siehst übrigens toll aus", sagte Katja. „Der Style gefällt mir gut an dir." Michelles Wangen wurden Augenblicklich knallrot. „Oh äh, ich... danke... du bist aber auch sehr hübsch. Deine Frisur steht dir richtig gut und... ach ich bin froh, dass es dir gut geht und du wieder hier bist." Katja strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah sich in der Westlobby um. „Nun... ich hätte es selbst nicht geglaubt aber ja... irgendwie bin ich auch froh wieder hier zu sein."

Hinter den Kulissen - Oneshots aus dem BundestagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt