Kapitel 3

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Kapitel 3

3 Jahre vorher

Justin

Ich stehe vor Emilys Haustüre und klopfe an der Türe.
„Mach auf, Emily.", sage ich etwas lauter, weil es nichts neues mehr ist, dass sie die Türe nicht öffnet, wenn sie nicht weiß, wer vor der Türe steht. Emily leidet an Depressionen und ist zusätzlich schwanger, außerdem fällt ihr das Laufen immer noch schwer, was ihr wirklich zu schaffen macht. Die Türe öffnet sich, Emily dreht sich sofort um und humpelt zurück in Richtung Schlafzimmer. Ich betrete ihre Wohnung, schließe die Türe hinter mir und folge ihr dann.

„Wir müssen zu diesen Frauenarzttermin. Wieso bist du noch nicht umgezogen?", frage ich sie.
„Weil ich nicht hingehen werde. Ich bin ein Krüppel, ich kann nicht laufen." Ich spanne mein Kiefer an und fahre mir verzweifelt durch die Haare.
„Du bist kein Krüppel, Emily. Was für ein Scheiß gibst du da von dir?"

Es sind wieder ewige Diskussionen, bis ich es dann schaffe, sie zu diesem Termin zu zerren. Seit Malia verschwunden ist, ist das Einzige was mir bleibt dieses Kind. Meine Gefühle zu Malia sind immer noch so stark, dass ich keinerlei Gefühle mehr für Emily habe. Das Wissen, dass sie die Mutter unseres Kindes ist, ist das einzige, was mich an sie hält. Ich will es nicht einmal mehr mit ihr versuchen, denn ich will sie nicht. Mein Herz schlägt nur für Malia, so sehr sie mich auch verletzt hat. Sie zu vermissen tut noch mehr weh.

Die Ärztin kontrolliert Emilys Bauch. Ich starre in den Bildschirm und plötzlich wird die Ärztin bleich im Gesicht.

„Wir müssen einige Untersuchungen machen.", sagt sie sofort. „Sie müssen leider noch ein wenig hier bleiben." Ich runzel meine Stirn.
„Was ist denn Ihre Vermutung?", konfrontiere ich die Ärztin. Bevor sie aber sprechen kann, keucht Emily plötzlich schmerzvoll auf und packt sich am Bauch.
Alles geht so schnell.
Auf einmal verliert Emily Blut.
Ich stelle mich zur Seite und beobachte alles.
Mein Herz schlägt wie verrückt.
Meine Sorge ist groß.
Ich mache mir Sorgen um das Kind.
Niemand sagt etwas.
Sie kümmern sich um Emily und das Kind aber niemand kann mir Auskunft geben.
Ich bin kurz davor mein Verstand zu verlieren.
Es geht Emily besser.
Doch das Kind...
Es ist tot.
Es lebt nicht mehr.
Eine Fehlgeburt nennen sie es.
Ich gebe Emily die Schuld dafür.
Ich bin wütend und gebe ihr die Schuld dafür.
Sie hat sich ungesund ernährt und auf ihre Medikamente verzichtet.
Sie hat alles schlechte für das Baby getan, vielleicht nicht mit Absicht, doch sie hat es getan.
Ich gebe ihr die Schuld, obwohl es ihr sowieso schon schlecht geht.
Sie hat auch jemanden verloren.
Jetzt habe ich nichts mehr.
Ich habe niemanden mehr.
Ich habe alles verloren.
Die Wut in mir ist unkontrollierbar.
So viel Hass.
So viel Leid.
So viel Sehnsucht.
Ich verlieren Tränen - was selten passiert.
Ich kann sie kaum kontrollieren.
Mein Sohn oder meine Tochter, ich konnte es nicht mal erfahren, so früh ist er oder sie verstorben.
Ich habe Schuldgefühle.
Alles frisst mich innerlich auf.
Ich will alles erschlagen was mir in den Weg kommt.


***


„Justin, da bist du ja. Ich hab gerade Besuch, ich hoffe es stört dich nicht.", sagt meine Mutter. Ich drücke nichtsahnend die Türe zu und laufe in die Richtung, von der die Stimme herkommt.
„Nein, kein Ding", sage ich und meine Schritte werden langsamer, als ich sehe, wer ihr Besuch ist. „Was soll der Scheiß?", knurre ich sofort, schaue meine Mutter an und zeige auf dabei Malia.
„Justin", fängt Malia an, doch sofort schaue ich zu ihr runter und lasse sie gar nicht erst sprechen.
„Ich will von dir gar nichts hören.", knurre ich wütend. Ich bin so verdammt sauer auf sie. Diese Wut in mir hat nicht einmal Emily in der Vergangenheit in mir ausgelöst, als sie sich gegen mich entschieden hat. Trotzdem ist da eine weiche Seite in mir, die sich schlecht fühlt, sobald ich ihr mein Hass offenbare. Meine weiche Seite, die ihre Lippen küssen will.
Die ihre Wange küssen will.
Die alles küssen will.
Jede einzelne Stelle an ihrem Körper.
Immer noch.

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