27 - [Bitte Vergib Mir]

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Sie alle verschwand im Schatten. Alle, außer Adelina. Laute Schritte machten sich hinter ihr bemerkbar. Sie gingen irgendeine Treppe hoch.

Ich wollte sie hassen, doch brauchte ich wirklich nur ihr Schluchzen zu hören, um ihr alles zu verzeihen.

Sie wollte auf mich zukommen, doch sank sie mit jedem Schritt weiter zu Boden.

,,Es tut mir leid" Schluchzte sie heftig. Tränen strömten aus ihren blauen Augen, die jegliche Farbe gleich mit sich nahmen.
,,Ich wollte das alles nicht, glaube mir bitte"

Ihre Hände griffen nach mir, nie hatte ich mich ihr Ferner gefühlt. Selbst als ihr Kopf auf meinem Schoß lag und ihr heißer Atem gegen meine Beine schlug, fühlte sie sich unerreichbar an.

,,Bitte sag doch etwas, Gaia" Flehend sah sie mir in die Augen, doch wollte ich ihr keine Hoffnung machen. Meinen Blick richtete ich auf die Leiche, die ihr erst eine Waffe an den Kopf hielt.
,,Ich wurde dazu gezwungen"

Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, mit der ich sofort mein Gehör verloren hätte, dann hätte ich sogar meine Seele an den Teufel verkauft. Ich wollte all ihre Rechtfertigungen nicht hören, ich kannte es ja schließlich aus meiner eigenen Familie. Sie hatte keine Wahl - ihr Leben oder meins. Wer hätte denn auch ahnen können, dass ich sie zu meiner Frau nehmen wollte?

,,Hat er dir irgendetwas getan?" Fragte meine Stimme heiser. Mit Ekel sah ich seine Leiche an. Sechs, vielleicht sieben Schüsse in die Brust. Wäre ich seine Mörderin gewesen, hätte ich ihn sicherlich keinen so friedvollen Tod beschert.
,,Nein" Schluchzte sie leise.

Ich hatte einen Fehler gemacht, ich hatte angefangen mit ihr zu reden. Ihre Antwort trug einen leichten Ton von Erleichterung. Sie sollte sich keine Hoffnungen machen, schließlich wusste ich schon, wie alles enden würde. Und Adelina - meine wunderschöne Adelina war schlau genug, um es selbst zu wissen.

Ihre Hände wanderten zu meinen Rücken, sie wollte die Fesseln meiner Handgelenke lösen.
,,Nicht" Seufzte ich jedoch nur und sah ihr endlich wieder in dir Augen. Ihre blauen Augen sahen in der Dunkelheit grau aus. Ihre Tränen hatten wirklich die Farbe ausgewaschen.
,,Aber-" Schrie sie verzweifelt.
,,Es gibt kein aber!"

Schlapp fielen ihre Hände zu Boden. Tief atmete sie ein und aus, als würde sie hoffen, dass die Zeit meine Meinung ändern würde.
,,Wir wollten doch zusammen fliehen"
,,Ich wollte mit Aurora fliehen"

Ihre Augen weiteten sich in Schock. Zittertend führte sie ihre Hände zu ihrer Brust. Adelinas aufgelöster Blick, ließ mich selbst zerbrechen. Ich war bereit ihr all diese Schmerzen zu zufügen, nur damit sie mich vergessen könne.

Wir hatten keine Zukunft mehr.

Allerdings hätte ich unser Aufeinandertreffen auch nie verhindern wollen. Nur eine Sache hätte ich geändert: wenn ich gewusst hätte, wie wenig Zeit uns eigentlich bleiben würde, hätte ich ihr nicht so spät den Antrag gemacht.

Ich hätte sie in einem weißen Kleid sehen wollen, umgeben von den Menschen, die mir wichtig waren - Domenico, Nando und Valentino.

Es hätte der Tod uns sein treuer Freund die Zeit sein sollen, die uns von einander trennen würden und uns in unserem nächsten Leben wieder zusammenführen sollen.

Nun war es ihr Vater, der uns all das nahm. Und ich konnte es nicht einmal verhindern. Ich konnte nur versuchen den Schmerz erträglich zu machen.

Was wäre schließlich grauenhaften gewesen: einander zu lieben und gehen zu lassen? Oder mich von ihr zu distanzieren, damit sie eine Chance hatte, ihr Herz erneut jemanden zu schenken?

,,Du bist eine wirklich gute Schauspielerin, dass muss ich dir lassen" Adelinas Lippen verkrampften sich, fest kniff sie ihre Augen zu, während sie sich mit ihrer Hand über ihre feuchten Wangen fasste.
,,Du hasst mich, nicht wahr?" Lachte sie verzweifelt, als würde es ihre Schmerzen lindern.

Ich schwieg, ich konnte weder mit der Wahrheit, noch mit einer Lüge darauf antworten. Jedes einzelne Wort, verpasste mir einen genauso großen Stich ins Herz wie sie.

,,Ich dachte, wir hätten genug Zeit um fliehen zu können" Hörte ich ihre Stimme heiser sagen.
,,Ich wusste nicht, dass sie dich so früh holen würden"

Mein Blick ging zur Decke. Hätte ich sie weiterhin angesehen, wären meine Tränen gefallen.

Seufzend versuchte ich meine Augen zusammen zu kneifen. Meine Sicht war völlig verschwommen und alles brannte.
,,Wie habt ihr es geschafft, Giovanni zu überlisten?"

Schniffend legte sie ihren Kopf auf meinen Schoß ab, ihre Arme umschlossen meine Beine und ihre Tränen sickerten durch meine Hose.

,,Wer waren die Leute, die Giovanni umgebracht hatte" Noch immer sagte sie kein Wort.
,,Die Polizei wollte ihn sogar für diesen Mord verhaften" Sie schwieg.

Es war sinnlos. Adelina bereute ihre Taten, gleichzeitig wollte sie allerdings auch nicht für diese büßen.

,,Je länger du schweigst, umso größer wird deine Schuld" Ihre Finger krallten sich in meine Haut, stumm schluchzte sie. Adelina schien es selbst zu wissen.
,,Sieh mir in die Augen" Forderte ich, doch sie schien nur den Kopf zu schütteln.
,,Ich verdiene Antworten!" Schrie ich.

Ihr Griff lockerte sich, langsam sah sie zu mir hoch. Ihr Gesicht war kreidebleich. Sie sah aus, als würde sie sich jede Sekunde übergeben müssen.

,,Die Morettis waren wirklich Junkies, die Giovanni Geld schuldeten. Nur hatten sie ihre beiden Töchter vor Jahren in einem Autounfall verloren" Ihre Stimme war gebrochen. Adelina konnte mir nicht einmal mehr in die Augen sehen.
,,Du hast ihre Identität gestohlen" Wisperte ich leise zu mir selbst. So machte alles schon mehr Sinn.

Ich hatte so viele Fragen, doch wollte ich sie ihr nicht stellen. Valentino - Enzo war es, der mir die meisten Antworten schuldete. Ich kannte ihn mein halbes Leben lang, nur er besaß für manches Antworten.

,,Und was wird nun mit dir passieren?" Fragte ich, um nicht in der Stille zu ertrinken, die uns beide quälte.
,,Ich werde meinen Vater stolz machen"
,,In anderen Worten: er lässt dich am Leben"

Leicht, fast schon heimlich, krallten sich ihre Fingernägel in die Haut ihrer Arme fest und begannen diese aufzukratzen. Ihre Arme färbten sich rot.

,,Lass das" Forderte ich sie auf, und zu meiner Überraschung tat sie das auch. Langsam hob sie ihren Kopf an. Ich war nicht vorbereitet darauf, ihr in ihre leblosen Augen zu sehen. Adelinas Tränen hatten nicht nur die Blauefarbe weggespült, sondern auch ihr das Leben genommen.

,,Du solltest verschwinden"

Karma Is A Bitch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt