04 | Domenico.

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Gelangweilt musterte ich die leeren Eisenstangen. Es war eine Seltenheit, dass der Laden unter der Woche geschlossen war. Ehrlich gesagt war es eine Seltenheit, wenn der Laden überhaupt geschlossen war.

Geile Singles, betrunkene Väter und jungfräuliche Männer, fanden jeden Tag ihren Weg zu den heißen Frauen an den Stangen.

Auch ich hatte das ein oder andere Mal mein Interesse an den hübschen Stripperinen gezeigt — Naja, eigentlich gab es nur eine, die ich an mich heran ließ.

Wenn es nicht für die Mädels war, dann kaufte ich mir Drogen von Dealern, welche für andere Mafias arbeiteten oder ich arbeitete an der Entwicklung einer Spielsucht. Viel hatte ich ja schließlich nicht zu tun.

Meine Ohren spitzten sich, als ich hörte, wie eine der schwarzen Türen ins Schloss fiel.

Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen, wer hereingestörmt kam. Lächelnd schaute ich einfach weiter auf die Stangen. "Verzeih' mir die Verzögerung." Sprach eine männliche Stimme.

Ein Mann mit schwarz zurückgegelten Haaren, ein fein getrimmten Bart und einen Körper der vor Muskeln nur so strotzte, stand mit einem Tablett vor der weinroten Couch, auf der ich saß.

Er stellte das Tabletten auf einen schwarzen Beistelltisch ab und gesellte sich sofort neben mich. "Seit einer Weile, wolltest du keine ernsten Gespräche mehr mit mir führen. Was verschafft mir denn die Ehre?" Fragte er mit hochgezogener Augenbraue.

Ich nahm mir ein Glas des Rotweins, welcher nun auf dem Beistelltisch stand. "Kannst du dich noch daran erinnern, was du mir versprochen hattest, als ich dir das Geld für diesen Laden lieh?" Ein unbeabsichtigter provozierender Ton, schlich sich in meine Stimme hinein. "Das ich dir einen gefallen schulde, egal was für einen." Gespannt nippte er am Glas.

Ein kleines Lächeln zog sich über meine Lippen, welche ebenfalls einen Schluck des Weins nahm. "Ich will, dass du ein Mädchen hier anstellst." Sichtlich neugierig lagen seine Augen auf mir. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, was er dachte: er fragte sich, ob ich die Mädchen die hier arbeiteten, nicht mochte. "Beschreib sie mir." Forderte er, anstelle seine Frage beantwort zu bekommen.

"Sie hat bis zu Brust lange braune Haare, einen zierlichen und schlanken Körper, doch ihre Oberschenkel haben einen breiten Umfang, der ihre Taille sehr schmeichelt." Kurz musste ich mich selbst unterbrechen und mir das Lachen über meine eigene Beschreibung verkneifen.

Sein Glas war zur Hälfte schon leer getrunken. Er ließ den Rest des Weins im Glas umherschwanken und beobachtete es. "Wie sieht es mit ihrer Oberweite aus?" Er lüsterte nich danach es zu wissen, trotzdem brauchte er diese Informationen um zu wissen, welche Position er ihr geben konnte. "Im Vergleich zu den Mädels hier, hat sie eine kleine Oberweite, doch ich würde sagen, dass ihre Brüste perfekt in Jedermanns Hand passt."

Lachend schnaufte er schnell aus. "Mit anderen Worten; sie ist genau dein Typ." Ich nahm ein größeren Schluck des Weins und wandte mich ihm endlich zu. "Domenico, dies hat nichts damit zu tun." Versicherte ich ihm, der mich nur mit einem dümmlichen Grinsen ansah. "Mmh, sicherlich." Summte er.

Ich musste meine Augen einfach rollen. "Ich habe einen Deal mit meinen Vater ausgehandelt." Domenicos Augen weiteten sich. "Ich kann vollwertiges Mitglieder der Mafia werden." Ich trank den letzten Schluck des Weins aus.

Anstelle von Freude, ließ er mich seine Besorgnis sehen. "Du hast doch selbst erlebt wie es ist, wenn man nicht als Mitglied angesehen wird." Mit diesen Satz Riss ich die alten Wunden auf, welche uns beiden miteinander verbunden.

"Ich bin es leid als Frau wie ein Accessoire behandelt zu werden, welches ein-zwei mal benutzt wird, nur um am Ende links liegen gelassen zu werden. Und das solltest du, als Zweitgeborener am besten verstehen!"

Schon lang saß ich nicht mehr auf der Couch. Wütend lief ich den schmalen Gang, zwischen dem Sofa und der Bühne, auf und ab.

Er Seufzte auf. "Natürlich verstehe ich das, aber ich werde mir trotzdem Sorgen machen. Gaia, wenn man dich als offizielles Mitglied ansieht, dann kannst du die ganzen Morde, nicht mehr so einfach vertuschen." Ich verstand seine Besorgnis — das tat ich wirklich, doch seine Predigten waren überflüssig.

"Wenn ich dich verliere, dann verliere ich mich selbst! Du hast aus mir Domenico Antonelli gemacht." Kurz musste ich lachen.

Seine Worte waren keine kitschige Aneinanderreihung von Zitaten, in denen er sein Name einfach einfügte.

"Ich kann mich noch erinnern." Ich fand mich selbst in alten Erinnerungen wieder, welche ich nur selten vor meinen geistigen Augen sah. "Wie lange ist es her, Salvatore?" Sogar in den gedämmten Raum, konnte ich sehen, wie sich eine leichte blässe über seine Wangen zog.

"So lange, dass ich diesen Namen beinah wieder vergessen hätte." Seine Stimme klang schmerzerfühlt. "Verzeihung" Ich war nicht sonderlich feinfühlig, doch wusste auch ich, wenn ich einen Fehler gemacht hatte.

Acht Jahre muss es hergewesen sein, als Domenico zuletzt Salvatore genannt wurde.

Acht schmerzvolle Jahre, die ihn zu Dominico Antonelli formten.

Salvatore Montanari gehörte zu einer der größten Mafias Sardiniens, die versuchte in Sizilien Fuß zu fassen.

Er war der Zweitgeborene Sohn der Monatari-Familie. Er besaß weder den Anspruch das Oberhaupt der Familie zu werden, noch stand ihm irgendeine hohe Position zu.

Entführung, Folterung und Demütigung, gehörte zu seinem Tagesablauf, auch wenn die letzten beiden Handlungen eher von seiner eigenen Familie ausgeführt wurden, als von rachsüchtigen Feinden.

Salvatore war ein Kind, auch ihn belastete sowas. Es führte ihn zu einem Punkt, an dem er beschloss, dass es besser wäre, wenn er nicht existieren würde.

So lernten wir uns schließlich kennen. In einer verregneten Herbstnacht, in der er sich heimlich auf ein Schiff geschlichen hatte und vor dem Hafen von Giovanni Fuß faste. Er war die erste Person der es gelang, so etwas wie Mitleid bei mir aus zu lösen.

Ich half ihn sein Tod zu inszenieren. Bat ihn mit Hilfe von Valentino eine Unterkunft an und lieh ihm schließlich das Geld für diesen Laden, welches er mir in den letzten Jahren zurückzahlte.

Und so wurde aus den depressiven kind, der erfolgreiche Domenico Anonelli.

Uns verband etwas — mehr als nur unser Leid. Wir beide konnten einander unseren ersten Freund nennen.

In diesen acht Jahren, lernten wir einander kennen, uns zu vertrauen und uns zu helfen, auf eine emotionale Weise.

Wir schenkten uns die Zuneigung, die uns vor allem im Kindesalter verwehrt blieb.

"Morgen Abend soll sie anfangen." Wechselte ich schnell das Thema. Der abrupte Themenwechsel war jedoch auch bei Domenico sehr erwünscht. "Ich werde dir morgen ihren Arbeitsplan schicken." Versprach er, bevor ich in Richtung der schwarzen Tür lief.

Aus den Taschen meines Anzugs, holte ich eine kleine Schachtel mit Zigaretten hervor. "Ich werde warten, doch nicht zulang." Es war eine Drohung, doch dies wusste Domenico natürlich. Er wusste, dass er es sich nicht mit mir verscherzen dürfte.

Mit meiner angezündeten Zigarette, verschwand ich aus dem geschlossenen Club.

Karma Is A Bitch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt