30 - [Karma Is A Bitch]

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,,Vielleicht wird dich das ja etwas lehren" Sprach er in meine Richtung.

Adelina trug aber nicht das selbe freudige Grinsen. Völlig verstört und den Tränen nah, sah sie zu mir mit ausgestreckten Händen.

Ich wollte ihr ein Lächeln schenken, doch hätte es alles nur noch schwerer gemacht. Schließlich ahnte ich schon, was Antonio ihr geben wollte: ein Taschenmesser.

Seine Hände packten ihre Schultern und langsam stellte er sich hinter ihr. Nun sah auch endlich Enzo hoch, der, obwohl er es erwartet hatte, es nicht glauben konnte.

Vielleicht bildete ich es mir ein, aber ich hätte schwören können, dass er eine Entschuldigung flüsterte, die so leise war, dass sie niemand hörte.

,,Ich will das nicht tun, Vater" Bittete Adelina ihn, doch gefiel es ihm nicht. Er schien keine Widersprüche von ihr gewohnt zu sein. Seine Finger krallten sich nur tiefer in ihr Fleisch, was sie vor Schmerzen zusammenzucken ließ.

Ich wollte schreien, sagen, dass er aufhören sollte, jedoch kam kein Ton aus meiner Kehle heraus.

Flehend sah ich zu Enzo, er sollte Antonio dazu bringen sie loszulassen, doch entgegnete er mir nur ein machtloses Schweigen, was trotzdem mehr als tausend Worte sprach.

Enzos handeln verriet mir trotzdem etwas über Antonio, was mir wohl jetzt nichts mehr nützen würde: man widersetzt sich ihn nicht, man befolgt all seine Befehle und man sei ihn niemals respektlos gegenüber.

Alles Regeln, die Giovanni auch besaß, trotzdem schien Antonio seine anders. Niemand konnte so viel Macht über seine eigenen Kinder haben.

Wir waren keine Jugendlichen mehr, trotzdem hätte der Enzo, den ich kennenlernen dürfte, sich gegen dieses Verhalten aufgelehnt.

Es war nichts weiter, als ein offensichtlicher Beweis, dass Antonio seine Kinder mit Angst manipulierte. Wer hätte sich allerdings auch seinen Vater widersetzt, wenn man wusste, dass er einen ohne zu zögern umbringen würde?

Ich musste Enzos Machtlosigkeit akzeptieren. Er fürchtete sich.

Lustig, irgendwie erinnerte er mich an damals, als er zu uns gekommen. Er war schüchtern, sprach kein Wort und versteckte sich oft. Nando liebte es ihn zu suchen. Irgendwann versteckte sich Enzo nur noch, um von ihm gefunden zu werden

Ich habe die beiden immer beobachten und empfand ihre Spielereien als sinnlos und dumm.

Nun wünschte ich mir, ich hätte damals mit ihnen gespielt, anstelle mich zurückzuziehen und Schießen zu üben.

Vielleicht hätte ich dann nicht meine Verlobte mit einem Messer in der Hand auf mich zu laufen sehen müssen.

Langsam, fast taumelnd kam sie auf mich zu gelaufen. Tränen liefen ihre Wangen herunter und ich selbst konnte sie in meinen Augen aufsteigen spüren.

Vorsichtig nahm ich meine Hände von meiner Kehle. Ich wollte nach Adelina greifen, stattdessen krallten sich meine Nägel in meine Oberschenkel.

Sie sollte an mir vorbei laufen, aber leider blieb sie schluchzend vor mir stehen. So leise, dass es nicht einmal ihr Vater, geschweige denn Enzo hören konnte.

Wie ein heiliges Relikt hielt sie das Messer an ihrer Brust und kniete sich zu mir.

,,Gaia" Wisperte sie weinend meinen Namen. Ich wollte etwas sagen, ihr zu lächeln, meine Hände nach ihr ausstrecken, nur hätte das den Abschied schwerer gemacht, als er ohnehin schon war.

Schweigen sah ich sie an - ihr Gesicht war völlig rot - und hoffte, sie würde es endlich tun. Schnell, für uns beide. Keiner von uns wollte länger leiden als nötig.

Ihre Hände zitterten, unruhig hielt sie mir das Messer an die Kehle, auch wenn sie einige Millimeter Abstand ließ.

Tu es, wollte ich sagen, doch blieben mir all meine Worte im Hals stecken, als sie ihre frei Hand auf meine Wange legte.

Alles war plötzlich wie vergessen. Mich interessierten die Konsequenzen nicht mehr. So wollte ich mich nicht verabschieden und so sollte sie mich auch nicht in Erinnerung behalten.

,,Ich vergebe dir" Wisperte ich mit einem Lächeln und ließ endlich meine Tränen freienlauf. Adelinas Augen weiteten sich in Schock. Mit viel Kraft und Überwindung festigte sie ihr Griff um das Messer.
,,Ich liebe dich, Gaia"

Ihre Stimme brach. Ich konnte den ungeduldigen Blick ihren Vaters auf uns spüren.

Mir blieb mein Atem in meiner schmerzenden Kehle stecken. Nie hatten wir zu einander diese drei Wörter gesprochen. Ich wünschte mir, ich hätte sie früher gesagt, vielleicht hätten wir dann auch schon die Flucht ergriffen

,,Ich liebe dich auch" Kurz hielt ich inne.
,,...Adelina" Sie fiel mit offen stehenden Mund auf den kalten Boden. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass ich sie bei ihren richtigen Namen nennen würde.

Das Messer in ihrer Hand wurde ihr immer schwerer. Ganz tief in mir, hoffte ich irgendwie, dass sie das Messer doch noch fallen lassen würde.

,,Ich wollte das alles nicht" Wiederholte sie weinend ihre Worte vom Vortag.
,,Ich glaube dir"

Ich wollte sie in meinen Armen halten, ihr durch das braune Haar fahren und Küsse auf ihrer Stirn platzieren.

Gestern hätte ich uns schon im Ausland am Strand gesehen, wo ich ihr einen Ring gegeben hätte, der ihrer würdig gewesen wäre.

Stattdessen konnte ich ihr nur meine bedeutungslosen Worte schenken.
,,Egal was du tun wirst, ich liebe dich"
,,Sag das nicht, als wäre es ein Abschied" Aber es war einer, nur wollte sie es nicht hören und es auch nicht wahr haben.
,,Ich werde dich finden, egal wo du bist. Ich würde dir sogar in die Hölle folgen"
,,Sag das nicht"

Meine Stimme war nur noch ein leises hauchen, kaum noch hörbar. Vielleicht entgegnete sie mir deshalb auch keine Widerworte

,,Adelina!" Drang die Stimme von Antonio zu uns durch. Schnell begann sich ihre Brust zu heben. Gerne hätte ich ihre Haut auf meiner gespürt und gesagt, dass alles in Ordnung werden würde. Aber wir beide wussten, dass das eine Lüge war.
,,Nun tu es schon endlich!"

Mein Blick glitt an Antonio vorbei und fokussieren sich auf Enzo, der wohl schon langsam seine Gebete für mich sprach.

Es konnte nicht ewig so weitergehen"

,,Adelina" Sprach ich ihren Namen aus. Ihre geschwollenen Augen fokussierten mich. Ich glaube, ich besaß den Mut nicht dafür.
,,Dieses mal musst du mir vergeben" Lachte ich.

Verwirrt sah sie mich an, doch erstarrte sie sofort zu Stein, als ich meine Lippen auf ihre drückte.

Blitzartig löste sie sich und ließ die blutige Klingen fallen, dessen Klirren durch den ganzen Saal zu hören.

,,Gaia!" Schrie sie, als ich mich endlich in ihre arme fallen lassen konnte. Sie rief meinen Namen, immer und immer wieder, aber ich konnte nichts darauf antworten. Blut füllte nicht nur mein Mund, sondern auch meine Lunge.

Hustend wollte ich ihren Namen sagen, während sie mich immer fester an sich drückte. Niemand lauschte ihren verzweifelten Hilferufen, die in ihren eigenen Hals stecken blieben.

Nach Luft ringte ich, doch gab ich es auf, als meine Augen kraftlos zu fielen. Es gab kein weißes Licht, nur schwärze, die von Adelinas Geschrei erfüllt wurde.

Das war wohl Karma, welches mir mein Leben in den Armen meiner geliebten raubte, für all die Vergehen, die mir dieses Leben bescherte.

Karma Is A Bitch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt