Kapitel 26 - Jonathan

10 3 4
                                    

Jonathan betrachtete Sheila eine Weile im Schlaf. Sie sah so wunderschön aus, trotz der Blessuren in ihrem Gesicht. 

Es hatte gutgetan, mit ihr über alles zu sprechen und er ärgerte sich über sich selbst, dass er es nicht schon früher getan hatte. Das hätte ihm einigen Ärger erspart und Sheila wäre nicht so enttäuscht von ihm gewesen. 

Seine verletzte Hand pochte unangenehm und er versuchte, sich anders hinzulegen, doch es brachte nur wenig. Egal, wo er sie hinlegte, es pochte immer weiter. Allerdings bereute er es kein bisschen, dass er diesem Typen eine reingehauen hatte. Es hatte sich richtig befriedigend angefühlt, ihm mehr Schmerzen zu bereiten, als er Sheila zugefügt hatte. 

Jonathan schaffte es noch ein paar Minuten liegen zu bleiben, doch dann musste er aufstehen. Seine Hand pochte zu sehr und er musste dringend auf die Toilette. Er schnappte sich ein paar frische Klamotten und ging nach unten ins Bad. Der Arzt im Krankenhaus hatte ihm erklärt, dass sein Gips nicht nass werden durfte. Als würde es ihn nicht schon genug behindern, nur eine Hand benutzen zu können. 

Etwas unbeholfen putzte er sich die Zähne und kam sich dabei blöd vor. Wie ungeschickt man doch mit der falschen Hand war. Irgendwie bekam er es sogar hin, seine Hand in eine Plastiktüte zu wickeln und er stellte sich unter die Dusche. Er ließ sich Zeit, denn das heiße Wasser entspannte ihn. 

Jonathan wusste nicht, wie lange er schon unter der Dusche gestanden hatte, doch irgendwann raffte er sich auf, sich abzutrocknen. Vielleicht konnte er Sheila irgendwie ein Frühstück machen, das würde sie sicher freuen. Doch gerade als er aus dem Bad ging, kam Sheila ihm entgegen, die Hand schon erhoben, um an die Tür zu klopfen. 

„Oh", stieß sie überrascht aus, doch dann lächelte sie. 

„Hast du es hinbekommen mit einer Hand?", fragte sie und er nickte. 

„Irgendwie schon. Tut nur ein bisschen weh", gestand er, woraufhin Sheila ihm über die Wange strich. 

„Vielleicht solltest du dich heute etwas ausruhen", schlug sie vor, doch eigentlich war ihm gar nicht nach Ausruhen zumute. 

„Ich dachte, ich könnte dich mit einem Frühstück überraschen. Willst du nicht noch was schlafen gehen?", fragte er und lachte leise. Es fühlte sich ganz ungewohnt an, zu lachen. Sheila grinste, doch auch sie kicherte leise. 

„Nein, du ruhst dich heute aus. Ich mache Frühstück, das hast du dir verdient", sagte sie, küsste ihn auf die Wange und verschwand nun selbst im Bad. Jonathan fühlte sich geschmeichelt, doch er konnte sich nicht erklären, womit er sich einen Verwöhn-Tag verdient haben sollte. 

Er ging in die Küche und schaltete den Backofen ein, dann holte er aus dem Tiefkühlfach eine Packung Aufbackbrötchen. Sheila konnte sagen was sie wollte, fürs Frühstück war er heute zuständig. 

Jonathans Gedanken fuhren wie so oft in letzter Zeit Achterbahn, doch es war anders als noch gestern. Er fühlte sich viel fröhlicher und es schien nicht mehr alles grau zu sein. Er dachte daran, was Sheila und er letzte Nacht getan hatten und auf einmal hatte er wieder Hoffnung, dass es vielleicht ja jetzt geklappt hatte und sie schwanger war. Er müsste sie nachher fragen, wann sie normalerweise ihre Periode bekommen würde, denn er war in der letzten Zeit so unaufmerksam gewesen, dass er es vergessen hatte.

********************************

Jonathan hatte lange gebraucht, bis er mit einer Hand alles zum Esstisch im Wohnzimmer getragen hatte, doch gerade als er fertig war, kam Sheila zu ihm herein. Ihr langes Haar war noch feucht und ohne Schminke leuchtete ihr Veilchen noch mehr. 

„Ich habe doch gesagt, dass ich das mache", beschwerte sie sich und stupste ihn am Ellbogen an, aber es war nicht wirklich ernst gemeint. Sie schien sich offenbar zu freuen, denn sie lächelte, als sie sich auf ihren Platz setzte und nach der Kaffeekanne griff. Er selbst ließ sich ihr gegenüber nieder und streckte seine gesunde Hand über den Tisch nach ihr aus. 

Er erinnerte sich noch genau, wie es das bei ihren ersten Treffen in einem Café auch gemacht hatte, doch damals hatte sie seine Hand ignoriert. Nun allerdings verschränkte sie ihre Finger mit seinen und es fühlte sich einfach nur schön an. 

„Ist zwischen uns wieder alles in Ordnung?", fragte er leise, denn ihm war durchaus bewusst, dass er Schuld daran hatte, dass sie in der letzten Zeit unglücklich gewesen war. Sie lächelte und ihre Wangen färbten sich rot. 

„Vorausgesetzt du versprichst mir, in Zukunft nicht mehr so lange zu warten, bis du mir von so etwas erzählst. Ich habe gedacht, du willst nicht mehr mit mir zusammen sein", sagte sie ernst und suchte seinen Blick. Jonathan schluckte. Er hatte nicht bemerkt, dass sie sich ernsthafte Sorgen gemacht hatte. 

„Versprochen", erwiderte er, doch dann fiel ihm etwas ein. Er grinste und neugierig sah sie ihn an. 

„Dir ist klar, dass uns niemand die Story abnehmen wird, dass nicht ich es war, der das da mit deinem Gesicht gemacht hat, oder?", sagte er, dann wanderte sein Blick von ihrer Wange zu seiner Hand. Sie lachte leise.

„Stimmt. Da machen wir ja einen guten Eindruck bei Karims Freunden. Die halten uns bestimmt für komisch", lachte sie, doch Jonathan zuckte die Schultern. 

„Ist mir egal", erwiderte er und fuhr sanfte Kreise über ihren Handrücken. 

„Apropos, ich muss noch irgendein Geschenk besorgen. Ich habe mir gedacht, vielleicht einen Kuchen oder Muffins zu backen", sagte sie und er nickte. 

„Klingt doch nach einer guten Idee", gab er zurück. 

„Ich könnte in der Zeit ein bisschen arbeiten. Ich bin mit dem Aufnehmen so weit fertig, also ist es gar nicht so dramatisch, dass meine Hand gebrochen ist", erwiderte er, doch Sheila sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an. 

„Heute ist Samstag, du kannst auch mal einen Tag freinehmen", tadelte sie ihn, doch er seufzte. 

„Ich habe gestern nicht viel geschafft", sagte er, aber Sheila winkte ab. 

„Ist doch egal. Du könntest mir beim Backen Gesellschaft leisten", sagte sie und es war eindeutig, dass sie ihn gern dabei hätte. Er seufzte. Wahrscheinlich wäre es für ihre Beziehung gar nicht schlecht, wenn sie etwas Zeit miteinander verbrachten. 

„Danach wollte ich noch Haare färben", sagte sie und er hob kapitulierend die Hände. 

„Dabei kann ich dir aber nicht helfen", sagte er und lachte leise. Er hatte ihr schon ein paar Mal beim Haarefärben zugesehen, doch er musste zugeben, dass es eine ganz schöne Sauerei war. 

„Ich wollte eigentlich damit zu Johnny rübergehen, damit er mir hilft", sagte sie dann. 

„Okay, mach das, dann ist das Bad bei denen versaut und nicht unseres", lachte er, doch sie sah ihn empört an. 

„Ich mache danach doch alles wieder sauber", beschwerte sie sich, doch ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. 

„Es wird auch ordentlicher, wenn Johnny es macht. Ich sehe schon wieder schlimm aus", sagte sie und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Schon seit er sie kannte, färbte sie sie knallpink. Es passte irgendwie zu ihr und er konnte sie sich gar nicht anders vorstellen. Er betrachtete ihr Haar und tatsächlich war schon ein recht breiter Ansatz zu sehen. Doch es sah bei ihr nicht ungepflegt aus, wie bei manchen anderen Frauen. Beinahe sah es gewollt aus. 

„Du siehst gar nicht schlimm aus. Ist das nicht modern? Ombre oder so?", lachte er, denn eigentlich hatte er keine Ahnung und nur bei Sheilas und Johnnys ewigen Diskussionen über Frisuren und solchen Kram irgendetwas aufgeschnappt. 

„Klar", lachte sie und warf ihm einen Blick zu, als wäre sie frisch verliebt in ihn. 

Slice of Life - A New LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt