Kapitel 125 - Sheila

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Sheilas schlechtes Gewissen meldete sich sofort und sie war froh, dass sie Jonathan in diesem Moment nicht mehr in die Augen sehen musste. Natürlich machte es ihr noch etwas aus, wenn Ville sie an ihre Vergangenheit erinnern würde. Was er mit Sicherheit tun würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte. Doch Sheila beschloss, ihn einfach zu ignorieren. 

Sie holte sich ihre Kopfhörer aus dem Schlafzimmer, schloss sie an ihr Handy an und stellte die Musik so laut, dass sie nichts mehr um sich herum mitbekam. Sollte er ruhig klingeln, sie würde es nicht hören. 

Die nächste Stunde verbrachte sie mit Putzen und war recht zufrieden mit sich. Ihre Gedanken blieben einigermaßen ruhig, vielleicht weil sie noch zu sehr damit beschäftigt waren zu begreifen, dass Jonathan sich durch zwei Tage Abwesenheit komplett gewandelt hatte und er wieder so war, als wäre nichts gewesen. 

Schnell warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war halb vier und wenn Ville und sein Bewährungshelfer nicht zu spät waren, müssten sie schon da sein. Sheila beschloss, sich nach oben in den Lesesessel zu setzen und noch ein wenig zu entspannen. 

Also ging sie nach oben und als erstes fiel ihr Blick auf die Druse, die Jonathan ihr mitgebracht hatte. Ein warmes Gefühl durchströmte sie und sie musste daran denken, was er beim Mittagessen gesagt hatte. Dass sie sich auf jede Menge Wiedergutmachung einstellen sollte. Unwillkürlich musste sie lächeln, denn es war schön, wie er sie so umwarb. 

Sie setzte sich in den Sessel und griff nach einem Buch, das noch auf dem Beistelltischchen lag. Sie hatte es vor Ewigkeiten einmal angefangen zu lesen, doch sie wusste gar nicht mehr so recht, worum es ging. Kurzentschlossen zog sie das Lesezeichen heraus und schlug noch einmal die erste Seite auf. 

Gerade als sie die ersten Worte gelesen hatte, klopfte es. Es war leise, doch es klang nicht so, als käme es von unten von der Haustür. Sie hörte es noch einmal und panisch sprang sie auf. Sie lief ins Schlafzimmer, denn dort lag die Tür die zum Balkon führte. Zu dem Balkon, den sie sich mit Oskar teilte. Konnte es womöglich Ville sein? 

Sheila lugte neugierig um die Ecke, doch als sie die Gestalt erkannte, die da draußen stand und klopfte, lachte sie erleichtert auf. Eilig ging sie zur Tür und öffnete Johnny, der die sie bitterböse anfunkelte. 

„Hey", begrüßte sie ihn, doch er zog seine Schuhe aus und marschierte ohne ein Wort zu ihr herein. Sheila grinste, denn Johnny hatte sich tatsächlich für die paar Meter für den Weg über den Balkon Schuhe angezogen, damit seine Socken nicht dreckig wurden. Sheila war dieses Stück früher sehr häufig hin und her gelaufen, denn wo nun Johnnys und Oskars Schlafzimmer war, war einmal Villes Kinderzimmer gewesen. Noch nie hatte sie dabei Schuhe angehabt, sondern sie war immer auf Socken hinüber gehuscht. Sie schloss die Tür hinter ihm, dann wandte er sich ihr mit einem Seufzen zu. 

„Weißt du, was los ist?", fragte er und sah sie eindringlich an. Sheila war ein wenig überrumpelt und wusste nicht genau, was er meinte. 

„Naja, ich weiß, dass Ville da ist", sagte sie und Johnny nickte. 

„Wusste ich es doch, dass Jonathan es dir sagt. Oskar wollte nicht, dass du es weißt", erklärte er und Sheila nickte. Bevor sie antwortete bedeutete sie ihm mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. Sie führte ihn zu dem Platz, an dem sie eben schon gesessen hatte und bot ihm den zweiten Sessel an. Er ließ sich mit einem übertriebenen Seufzen darauf nieder, stützte den Arm auf die Lehne und legte den Kopf darauf ab. 

„Was ist denn passiert?", fragte sie neugierig, gleichzeitig wusste sie, dass es sie aufregen würde. Immerhin hatte es mit Ville zu tun. Johnny sah sie einen Moment abschätzend an, doch dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. 

„Sie streiten. Wegen ihrer Mutter. Ich kam mir fehl am Platz vor und bin gegangen", fasste er zusammen und Sheila konnte sich bildlich vorstellen, wie Oskar und Ville diskutierten und sich schließlich anschrien. Sheila wusste, wie er sich fühlen musste und sie konnte nur zu gut verstehen, dass er gegangen war. Denn nicht nur Ville war hitzköpfig, sondern auch Oskar. 

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