Kapitel 100 - Jonathan

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Sheila schlief schon tief und fest, als Jonathan das Gespräch mit seiner Mutter beendete. Es hatte ihr zwar ganz und gar nicht gefallen, dass er ihr so kurzfristig absagte, doch im Moment war es ihm egal. Er musste den Kopf freibekommen und das so schnell wie möglich, wenn er seine Ehe nicht aufs Spiel setzen wollte. 

Er musste an die Worte von Johnny denken, dass sie kurz vorm Ausrasten stand. Obwohl er sich anstrengte, schaffte er es nicht, sie so zu behandeln, wie sie es verdient hatte. 

„Kommst du am Montag mit zum Arzt?", hörte er Sheila leise murmeln und sofort beugte er sich näher zu ihr. Doch noch bevor er antworten konnte, schnarchte sie wieder. Jonathan schluckte einen Kloß in seiner Kehle hinunter. Anscheinend träumte sie schon davon, wie sie am Montag zum Arzt ging und bestätigt bekam, dass sie tatsächlich schwanger war. 

Er spürte, wie sein Herz schneller schlug und sich eine angenehme Wärme in ihm ausbreitete. Sie hatten es wirklich geschafft und ihr Wunsch war wahr geworden. Sie würden ein Kind bekommen. 

Jonathan hasste sich dafür, was er ihr gestern Abend an den Kopf geworfen hatte, doch sonst hätte sie ihn nicht gehen lassen. Er wusste, dass er der Vater des Kindes war. Auch wenn Sheila mit Leonard nicht hätte so weit gehen dürfen, glaubte er wirklich nicht, dass sie ihn betrog. 

Sein Blick wanderte zu ihrem friedlichen Gesicht und ihm wurde seit Langem wieder bewusst, dass er sich glücklich schätzen konnte, dass sie noch hier war. Wahrscheinlich hätten es nicht viele so lange mit ihm und seiner schlechten Laune ausgehalten, doch sie war noch immer hier. 

Vorsichtig streckte er die Hand aus und strich ihr sanft über die Wange. Gleichzeitig nahm er sich vor, noch mit ihr zusammen zum Arzt zu gehen. Wenn sie früher darüber geredet und sich ausgemalt hatten, wie sie es sich vorstellten, wenn sie schwanger war, hatten sie sich fest vorgenommen, alles zusammen zu machen. Sie wollten gemeinsam zu den Arztterminen gehen und gemeinsam alles für das Baby besorgen. Das wollte er ihr nicht kaputt machen, nur weil er aus welchen Gründen auch immer eine Krise hatte. Hinterher würde er es sicherlich bereuen. Mit dem Gedanken daran, wie sie sich morgen das Ultraschallbild ansehen würden, schlief er schließlich ein.

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Mit dem Gefühl erst vor fünf Minuten eingeschlafen zu sein, schreckte Jonathan aus dem Schlaf. Irgendetwas Lautes hatte ihn geweckt und er saß sofort kerzengerade im Bett. Sein Blick wanderten zu Sheilas Seite des Bettes, doch sie war leer. Er hörte, wie sich die Badezimmertür öffnete und Sheila mit wütenden Schritten nach unten lief, dann schlug er die Decke zurück. Vielleicht war ihr irgendetwas heruntergefallen. 

Er stand auf und ging in den Flur, da sah er es schon. Auf dem Boden im Badezimmer lag ihr Täschchen, in dem Sheila ihre Schminke, Parfums und so etwas aufbewahrte. Er ging ins Bad und hob das Täschchen auf, doch einiges darin war zerbrochen und es lagen Glassplitter herum. Vorsichtig fing er an, die Dinge einzusammeln, die noch heil zu sein schienen. 

„Ich mach das schon", hörte er Sheila hinter sich sagen und erschrocken drehte er sich zu ihr um. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie sie wieder nach oben gekommen war, doch sie stand hinter ihm. In den Händen hielt sie einen Lappen und ein Kehrblech. Jonathan streckte die Hand nach beidem aus und ohne zu zögern reichte sie es ihm. Während er sich daran machte, die Scherben der Parfumflakons zusammen zu kehren, stöhnte sie, gefolgt von einem Schniefen. 

„Alles okay?", fragte er und warf einen besorgten Blick über die Schulter. Sie stand an den Türrahmen gelehnt da und massierte mit den Fingern ihre Schläfen. Sie sah aus, als stände sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch. 

„Nein, es ist gar nichts in Ordnung", stöhnte sie und er konnte die Resignation in ihrer Stimme hören. Sofort fühlte er sich schlecht. Ihm war durchaus bewusst, dass er der Auslöser dieser ganze Misere war. Er kehrte die letzten Reste auf das Kehrblech, dann stellte er es auf die Seite und stand auf. Zaghaft berührte er Sheila am Arm und sie zuckte unter seiner Berührung zusammen. Sofort ließ er die Hand wieder sinken und sah sie nur an. 

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