Kapitel 71 - Sheila

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Sheila fühlte sich merkwürdig. Irgendwie beflügelt davon, wie sehr Jonathans Augen gestrahlt und wie glücklich er ausgesehen hatte und gleichzeitig war sie skeptisch. Immerhin war sie doch erst zwei Tage überfällig, war es da nicht etwas optimistisch, ihm schon solche Hoffnungen zu machen? 

Sheila dachte daran zurück, wie sehr er doch durch den Wind gewesen war, als er befürchtet hatte, keine Kinder bekommen zu können. Da war es nun wirklich nicht klug, ihm viel zu früh und nur auf Gefühlen basierende Hoffnungen zu machen. Sicher, sie hatte die gleichen Hoffnungen, aber sie glaubte, dass es für ihn viel schlimmer werden würde, wenn der Test doch negativ sein würde. 

Sheila lenkte ihren Wagen auf den Parkplatz des Supermarktes und fand einen Parkplatz direkt neben dem Eingang. Sie griff nach ihrer Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag und stieg aus. Sie wollte sich beeilen, denn umso schneller wäre sie wieder bei Jonathan. 

Ihr war durchaus bewusst, dass sie ihn vom Arbeiten ablenkte, doch heute hatte sie kein schlechtes Gewissen. Er war vorhin so glücklich, wie schon lange nicht mehr und das wollte sie genießen. 

Sie holte einen Wagen aus dem kleinen Häuschen und schob ihn in Richtung Eingang, während sie in ihrer Tasche nach ihrer Einkaufsliste kramte. Doch sie konnte sie nicht finden. Erst da bezweifelte sie, dass sie heute Morgen überhaupt eine geschrieben hatte. 

Sie seufzte, zog den Reißverschluss an ihrer Tasche zu und schlenderte durch die Gänge. Aus Erfahrung wusste sie, dass es nie gut endete, wenn sie keine Liste dabei hatte, denn sie neigte dazu, viel zu viel zu kaufen. Zum Glück aß Jonathan für zwei, sodass recht selten etwas schlecht wurde, auch wenn sie gefühlt für eine Großfamilie einkaufte. 

Sie schlenderte durch die Gänge und lud dies und das in ihren Wagen, bis sie eine Berührung am Arm spürte. Erschrocken wandte sie sich um und blickte in das Gesicht ihres Bruders. Einen Moment lang starrte sie ihn an, doch dann hörte sie wieder seine Stimme, die sie anfuhr, sie solle ihre Probleme nicht bei ihm abladen. Sie war wütend auf ihn und wenn sie ehrlich war, konnte sie sich nicht erinnern, dass sie jemals wirklich wütend auf ihn gewesen war. 

Ihr Blick wanderte an ihm auf und ab. Er sah schlimm aus. Sein T-Shirt war ganz zerknittert und er sah aus, als hätte er dringend eine Dusche nötig. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe und er hatte ganz eindeutig geweint. Ihr Blick blieb an der Schnapsflasche in seiner Hand hängen. 

Als er ihren kritischen Blick bemerkte, hielt er die Flasche hinter seinen Rücken. Sheila schüttelte langsam den Kopf. Kurz überlegte sie, ob sie einfach gehen sollte, allerdings kam ihr das dann doch ein wenig zu überzogen vor. Stattdessen verschränkte sie die Arme vor der Brust und wartete darauf, dass er etwas sagte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er tief Luft holte und ihren Blick suchte, dem sie jedoch auswich. 

„Ich habe Urlaub genommen. Ich meine... nicht dass du denkst, ich hätte meine Arbeit verloren oder so", nuschelte er. Sheila schluckte. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er fragen würde, wie es ihr ging oder ob sie mal reden konnten. 

„Okay", sagte sie nur, dann herrschte wieder Stille. Es war seltsam und am liebsten hätte sie ihn geschüttelt und angeschrien, denn dieser abgewrackte Typ war doch nicht ihr Bruder. 

„Du solltest Esra anrufen. Die Kinder fragen nach dir und Aaliyah hat gestern geweint, als du ihnen nicht die Tür aufgemacht hast", sagte sie, dann wandte sie sich ab. Sie schob ihren Wagen ein Stück weiter, doch er hielt sie wieder am Arm fest. 

„Hast du mit ihr gesprochen?", fragte er, woraufhin sie nur nickte. 

„Was hat sie gesagt?", wollte er wissen, aber Sheila seufzte nur und ging weiter. Sie spürte, wie er ihr hinterherkam, doch er blieb stumm. Sie packte weiter Zeug in ihren Wagen, fühlte sich allerdings von ihm beobachtet. Sie wandte sich wieder zu ihm um und funkelte ihn an. 

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