Kapitel 58 - Jonathan

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Jonathan hatte heute irgendwie gute Laune. Vielleicht lag es daran, dass Sheila sich besonders hübsch für ihn gemacht hatte. Doch gleichzeitig wirkte sie heute anders als sonst und das lag nicht nur an der Schminke. Vielleicht, weil sie sich endlich ausgesprochen hatten und nun nichts mehr zwischen ihnen stand. Die Sache mit Karima war geklärt, sie würden Ville nicht über den Weg laufen, auch wenn er heute bei Oskar sein sollte und sie würden sich ein schönes Wochenende machen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass sie in den letzten Tagen so oft miteinander geschlafen hatten und er sich nur noch etwas mehr als eine Woche gedulden musste, bis sie einen erneuten Test machte. 

Obwohl ihm bewusst war, dass er Luftschlösser baute, malte er sich aus, wie sie ihn anstrahlen würde, wenn sie den positiven Test in der Hand hielt. Hoffentlich würde sie ihn auffangen, wenn es wieder nicht geklappt hatte, denn dann würde er mit ziemlicher Sicherheit in ein Loch fallen. 

Jonathan sah wieder zu Sheila, wie sie angestrengte versuchte, in eine Parklücke zu fahren und schob den negativen Gedanken beiseite. 

„Soll ich aussteigen und dir Handzeichen geben?", fragte er grinsend, als sie es auch beim dritten Versuch nicht schaffte, in die wirklich ausreichend große Parklücke zu fahren. Sie schnalzte mit der Zunge, dann fuhr sie weiter die Straße entlang auf der Suche nach einen anderen Lücke. 

„Du sollst die Klappe halten und nett zu mir sein", gab sie scharf zurück, doch ihr Grinsen verriet sie. Ihr war bewusst, wie schlecht sie Einparken konnte und dass sie damit ein Klischee erfüllte. 

„Das war nett, ich wollte dir nur helfen", sagte er und musste ein Lachen unterdrücken. 

„Noch ein Wort und du gehst zu Fuß nach Hause", gab sie zurück, dann fuhr sie in eine Parklücke, die groß genug für drei Autos war. 

„Siehst du, ich kann perfekt parken", sagte sie gespielt stolz und stieg aus. Jonathan kicherte. Es fühlte sich gut an, so sorglos mit ihr herumalbern zu können. Sie gingen Hand in Hand das Stück zur Bäckerei zurück, in der sie frühstücken wollten und immer wieder musste er sie ansehen. 

„Mein Vater hat gefragt, ob wir die Tage noch mal vorbei kommen wollen", sagte sie schließlich und er nickte schnell. 

„Ja, wieso denn nicht", gab er zurück und er musste zugeben, dass sie die letzten Male immer allein zu ihm gegangen war. 

„Vielleicht Montag oder Dienstag?", schlug er vor und Sheila nickte. 

„Ich rufe ihn Montag mal an. Vielleicht gibt es dann auch etwas Neues zu meinem Bruder", sagte sie, gerade als sie die Bäckerei betraten. Es war voll, doch sie fanden noch einen freien Tisch am Fenster. Jonathan wartete, bis sie sich gesetzt hatten, bis er antwortete. 

„Ja, kann schon sein. Ich habe vorhin zwar nicht alles mitbekommen, aber Oskar scheint etwas zu wissen", sagte er und streckte seine Hand über den Tisch nach ihrer aus. Irgendwie hatte er heute das Bedürfnis, ständig ihre Hand zu halten. Sie legte ihre Hand in seine und lächelte ihn an, bevor sie antwortete. 

„Er weiß auf jeden Fall was und ich habe da gar kein gutes Gefühl bei. Die beiden sind schon immer beste Freunde, aber...", setzte sie an, doch dann unterbrach sie sich. 

„Aber?", fragte er nach, doch er konnte sich schon denken, was sie sagen wollte. Denn im ersten Moment hatte er genau das gleiche gedacht. Doch Sheila winkte ab und senkte den Blick. 

„Meinst du, zwischen den beiden läuft irgendwas?", fragte er mit gesenkter Stimme, was Sheila sofort den Kopf herumreißen ließ. 

„Du hattest auch den Eindruck?", fragte sie und er nickte langsam. 

„Schon. Ich will ihnen nichts unterstellen und vielleicht ist auch nichts passiert. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es irgendetwas in diese Richtung ist", antwortete er. 

„So wie er vorhin reagiert hat, glaube ich es auch. Es ist nur komisch, weil er doch bisher so starr behauptet hat, dass er keine Ahnung hätte", sagte sie, doch Jonathan traute Oskar durchaus zu, sie angelogen zu haben. 

„Vielleicht hat er auch nur irgendwelche Andeutungen gemacht und dein Bruder hat viel zu viel hineininterpretiert. Aber ich will mich da nicht auch noch einmischen", sagte Jonathan und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sheila nickte. 

„Du hast recht. Jonas tut mir nur so leid. Obwohl er auch schon ganz schönen Mist gebaut hat, verdient er es nicht, dass Matthias ihn so behandelt", sagte sie, doch dann wurden sie von der Bedienung unterbrochen, die ihre Bestellung aufnahm. Glücklicherweise war dadurch das Thema beendet und Jonathan hoffte, dass Sheila sich darüber nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen würde.

Nach dem Frühstück fuhr Sheila ihn wieder nach Hause, doch sie setzte ihn nur ab. Sie machte sich direkt auf den Weg zum Nagelstudio, wo sie sich mit Esra treffen wollte. Jonathan küsste sie zum Abschied, dann steig er aus. Winkend sah er ihr noch nach, wie sie die Straße entlang fuhr, dann wanderte sein Blick unwillkürlich zum Nachbarhaus. Oskars Auto stand am Straßenrand, also war er wahrscheinlich gerade mit Sheilas Ex zu Hause. 

Eilig ging Jonathan nach drinnen, denn er hatte keine Lust einem von den beiden zu begegnen. Obwohl Sheila Oskar wirklich mochte und auch er sich die meiste Zeit gut mit ihm verstand, wurde er das Gefühl nicht los, dass Oskar dieses Chaos zwischen Jonas und Matthias angerichtet hatte. Ob es absichtlich gewesen war, konnte er nicht einschätzen, doch eigentlich glaubte er es nicht. Oskar schien glücklich mir Johnny zu sein und würde er einfach nur aus Langeweile oder Boshaftigkeit die Beziehung seines angeblich besten Freundes kaputt machen wollen, würde Jonathan ihm kein bisschen mehr vertrauen und er hoffte, dass Sheila das genau so sehen würde. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, das jemand der mit Absicht Beziehungen zerstörte über ihre Eheprobleme Bescheid wusste. 

Jonathan schüttelte den Kopf und vertrieb so den Gedanken. Er setzte sich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Er konnte auch etwas arbeiten, doch eigentlich lag er gut im Zeitplan trotz seiner gebrochenen Hand, da konnte er auch mal faulenzen. Er seppte durch die verschiedenen Programme, doch es kam nichts, was ihn interessierte. 

Gerade als er aufstand, um sich einen Film aus dem Regal auszusuchen, klingelte es. Sofort erstarrte er, denn sein erster Gedanke war, dass es womöglich Ville sein konnte. Schnell lief er zum Fenster und sah nach draußen. Als er sah, wer es war, atmete er aus und musste beinahe lachen, dass er sich so erschrocken hatte. Er ging zur Tür und öffnete sie. Davor stand Matthias, die Hände in den Hosentaschen vergraben und den Blick auf den Boden gerichtet. 

„Hey", begrüßte Jonathan ihn und musterte ihn aufmerksam. Er wirkte nicht, als ob er schon wieder betrunken wäre. 

„Willst du rein kommen?", fragte er weiter, als Matthias schwieg. Endlich rührte er sich und hob den Blick. 

„Ist Jonas bei euch?", fragte er mit so leiser Stimme, dass Jonathan es beinahe überhört hätte. 

„Nein, ich glaube er wollte zu seinen Eltern fahren", sagte er, woraufhin Matthias langsam nickte und sich dann zum Gehen wandte. 

„Willst du reden? Sheila ist zwar nicht da, aber...", setzte er an, bevor er sich zurückhalten konnte. Abrupt blieb Matthias stehen und warf ihm einen gequälten Blick über die Schulter zu. In diesem Moment sah er Sheila so ähnlich, dass ihm das Herz schwer wurde. Eigentlich wollte Jonathan sich nicht in anderer Leute Probleme einmischen, doch irgendwie wollte er Matthias helfen. 

„Weiß nicht. Nein, lieber nicht", sagte Matthias, sah ihn noch einen Moment lang an, dann marschierte er davon. Jonathan sah ihm nach und er konnte spüren, dass nicht nur Jonas litt, sondern auch Matthias. 

Nachdem er verschwunden war ging Jonathan wieder nach drinnen und beschloss, trotzdem einen Film anzusehen. Mehr als ihm anbieten über alles zu reden konnte er nicht tun. Er legte die DVD ein, doch dann zog er sein Handy aus der Hosentasche. 

Auch wenn Sheila im Moment mit Esra zusammen war, wollte er ihr schreiben. Er berichtete ihr, dass Matthias nach Jonas gefragt hatte. Er wartete noch eine Minute, doch Sheila antwortete nicht, also machte er es sich auf dem Sofa bequem und stellte sich zur Sicherheit einen Wecker für in zwei Stunden. Er wollte nicht den ganzen Tag verschlafen, doch kaum dass er sich hingelegt hatte, spürte er, wie ihm die Augen zufielen. 

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