Kapitel 103 - Sheila

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Sheila stöhnte, als sie durch die Straße fuhr, in der Matthias und Jonas wohnten. Nirgendwo schien eine Parklücke zu sein. Sie war froh, dass sie bei sich zu Hause immer ihren privaten Parkplatz in der Einfahrt hatte und nicht ständig um den Block fahren musste. Als sie endlich drei Straßen weiter einen winzigen Parkplatz fand, brauchte sie vier Versuche, bis sie einigermaßen gerade darin stand. Fluchend griff sie nach ihrer Handtasche und stieg aus. 

„Soll ich für dich einparken?", sagte eine bekannte Stimme neben ihr und sie riss den Kopf herum. Jonas stand auf dem Bürgersteig, in den Händen drei Pizzakartons und begutachtete kritisch ihr Auto. Sheila schlug die Fahrertür zu und schüttelte den Kopf. 

„So geht es doch", erwiderte sie, lächelte und ging zu ihm. Obwohl er das Lächeln erwiderte, wirkte er erschöpft. 

„Wie geht's dir?", fragte sie, doch er grummelte nur etwas Unverständliches. Sheila beschloss, nicht weiter nachzufragen und gemeinsam gingen sie die Straße entlang bis zu dem Haus, in dem sie wohnten. Jonas kramte etwas ungelenk einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss auf. Sheila griff über seine Schulter und hielt ihm die Tür auf, damit er ohne die Pizzen fallen zu lassen hinein gehen konnte. Sheila hielt sich am Geländer fest und stieg die Stufen bis nach oben. Sie war es nicht mehr gewöhnt, so viele Treppen zu laufen und sie kam schnell außer Atem. 

Oben angekommen musste sie tatsächlich ein wenig verschnaufen, doch sie versuchte es vor Jonas zu verbergen. Es war ihr unangenehm, wie unsportlich sie geworden war, seit sie mit dem Tanzen aufgehört hatte. Jonas klopfte an die Wohnungstür und keine zehn Sekunden später öffnete Matthias ihnen. Überrascht sah er Sheila an und sie setzte ein Lächeln auf, doch ihr Bruder sah beschämt auf den Boden, bevor er einen Schritt zur Seite trat, damit sie hereinkommen konnten. Jonas marschierte geradeaus den Flur entlang ins Wohnzimmer, doch Sheila blieb etwas unsicher bei ihrem Bruder stehen. 

„Hey", sagte sie leise und sofort schossen ihr die Worte durch den Kopf, die er ihr gestern Abend gesagt hatte. Matthias schloss wie in Zeitlupe die Tür, dann stupste er sie am Arm an. „Tut mir leid, was ich gesagt habe", murmelte er und sie nickte. Obwohl sie eigentlich wusste, dass er es nicht so gemeint hatte, tat es gut, seine Entschuldigung zu hören. 

„Schon okay", winkte sie ab, dann folgte sie Jonas ins Wohnzimmer. Jonas hatte die Pizzen auf dem gedeckten Esstisch abgestellt, doch er selbst saß auf dem Balkon und rauchte. Sheila fühlte sich trotz der Einladung wie ein Eindringling. Es war ihr letzter gemeinsamer Abend, bevor Matthias in die Klinik musste und sie hatte das Gefühl, dass Jonas lieber mit ihm allein gewesen wäre. Sheila nahm sich vor, direkt nach dem Essen wieder zu gehen.

„Alles in Ordnung mit dir?", fragte Matthias, der mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen blieb und sie schüchtern musterte, doch als sie die Schultern zuckte, kam er näher und setzte sich an den Tisch. Sheila tat es ihm gleich und sah ihn lange an. Anscheinend war er nüchtern und er würde sich ihre Probleme tatsächlich anhören. 

„Ich habe Jonathan weggeschickt", sagte sie dann und sofort schossen ihr Tränen in die Augen, die sie bisher hatte zurückhalten können. 

„Wie weggeschickt?", fragte ihr Bruder nach und beugte sich näher an sie heran. Sheila wischte sich die Tränen von Gesicht und seufzte. 

„Er ist doch im Moment so gestresst und wir haben beschlossen, dass er mal aus allem raus kommen muss. Eigentlich wollte er morgen für ein paar Tage wegfahren, um den Kopf freizubekommen, aber ich habe ihn schon heute weggeschickt", erklärte sie. 

„Warum?", wollte Matthias wissen und obwohl er sich bemühte neutral zu klingen, hörte es sich an wie ein Vorwurf. Sheila rang mit sich, denn eigentlich wollte sie ihm nicht die ganze Geschichte erzählen, denn dann würde sie auch diese Sache mit Leonard ansprechen müssen. 

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