Kapitel 77 - Sheila

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Es dauerte noch lange, bis Matthias endlich aus dem Sprechzimmer kam. Sheila hatte versucht, sich irgendwie von dem Gedanken an Karima abzulenken, doch es war ihr nicht wirklich gelungen. 

Erst nachdem sie Jonathan gesagt hatte, dass sie Karima im Kleeblättchen treffen wollte, war ihr wieder eingefallen, dass sie um zwölf Uhr bei der Arbeit sein musste. Hoffentlich würde Jonathan nicht allein dorthin fahren und sich von ihr bequatschen lassen. Sie liebte seine sanfte Art, doch vielleicht sollte er bei Karima etwas härter und bestimmter sein. Offensichtlich machte sie sich noch immer Hoffnungen, dass sie sich näher kamen. 

Matthias riss sie aus ihren Gedanken, als er genau vor ihr stehen blieb und sie ausdruckslos anstarrte. In den Händen hielt er eine dicke, weißlich-gelbe Mappe. 

„Bist du fertig?", fragte sie und er nickte nur stumm, dann trat er einen Schritt zur Seite, damit sie aufstehen konnte. Sheila erhob sich und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang. Sie spürte, wie Matthias hinter ihr her schlich, doch sie wollte zuerst raus hier. 

Wortlos marschierten sie über den Parkplatz bis zu ihrem Auto, dann setzten sie sich hinein. Matthias legte die Mappe auf seinen Schoß und starrte darauf. Sheila sammelte sich. Sie sollte nun für ihn da sein und sich nicht von Eifersüchteleien ablenken lassen. Mit einem Seufzen wandte sie sich ihrem Bruder zu und sah ihn an. 

„Wie war es?", fragte sie nur, doch Matthias zuckte die Schultern. Sie stupste ihn am Arm an. 

„Erzähl schon. Was ist da in der Mappe?", fragte sie betont lässig, doch sie spürte, dass Matthias angespannt war. Er schluckte schwer, schlug dann die Mappe auf und sah sie an. 

„Das sind alles Unterlagen für meinen Entzug. Klingt irgendwie komisch, oder? Ich fühle mich gar nicht... Ich weiß auch nicht", stammelte er. Sheila griff nach der Mappe und betrachtete das erste Blatt. Es sah aus wie ein Antrag für die Krankenkasse und sie blätterte weiter. Das nächste Blatt sah aus wie eine Einladung. 

„Wir freuen uns, sie ab dem 9. April in unserer Einrichtung begrüßen zu dürfen", las sie vor, woraufhin Matthias neben ihr ein ersticktes Geräusch von sich gab. Sheila las weiter. Matthias würde für mindestens sechs Wochen in der Klinik sein und ein Stufenprogramm durchlaufen, das ausführlich beschrieben wurde. Sie blätterte weiter und fand noch mehr Infomaterial über die Klinik. Sie klappte die Mappe zu und reichte sie ihm zurück. 

„Nächsten Montag geht es schon los?", fragte sie und er nickte stumm. 

„Bis dahin soll ich versuchen, nicht zu trinken, aber ich weiß schon jetzt, dass es nicht klappt", sagte er resignierend, doch Sheila schüttelte den Kopf. 

„Versuche es, bitte. Ich weiß, dass du das kannst", versuchte sie ihn aufzubauen, doch er verzog schmerzlich das Gesicht. 

„Wie auch immer. Aber der schlimmste Teil steht mir noch bevor. Ich muss es Papa sagen. Er hat noch keine Ahnung", seufzte er, dann fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. 

„Ich glaube nicht, dass es ihn sehr überraschen wird", gab sie zurück und dachte daran zurück, wie ihr Vater sich schon in der Vergangenheit ernsthaft Sorgen gemacht hatte, dass er so viel und vor allem so unkontrolliert trank. Matthias riss erschrocken den Kopf herum. 

„Meinst du?", fragte er nach, doch Sheila nickte. 

„Ich bin mir sicher, er wird es gut aufnehmen. Er will sicher auch, dass du dir helfen lässt. Auch wenn du es noch nicht glaubst, so ein Klinikaufenthalt kann viel bewirken, wenn man sich darauf einlässt", antwortete sie und lächelte ihm zu. Matthias nickte. 

„Na gut. Aber da gibt es noch ein Problem. Wie sage ich es Esra? Wie sollen wir den Kindern erklären, dass sie für mindestens sechs Wochen nicht bei mir übernachten können?", fragte er und er sank in sich zusammen. 

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