Kapitel 65 - Sheila

9 3 4
                                    

Sheila stopfte eilig alle ihre Klamotten in die kleine Reisetasche, dann ließ sie sich aufs Bett fallen. Jonathan war so anstrengend in letzter Zeit. Er war zwar schon immer darauf eingeschossen, sie beschützen zu müssen, doch in letzter Zeit übertrieb er es schon wieder. 

Sheila würde es ihm zwar nicht sagen, doch wenn Ville wirklich wollte, dass er und sie miteinander redeten, dann würde er es auch schaffen. Er würde irgendwen, vermutlich Oskar, so manipulieren, dass er bekam, was er wollte. 

Sheila zog ihr Handy aus ihrer Tasche an ihrem Pulli und wählte Oskars Nummer. Es klingelte eine ganze Weile, bis Oskar sich meldete. 

„Hey, wie geht es euch?", fragte er, doch in seiner Stimme klang Sorge. 

„Gut. Ich wollte nur fragen, wann du Ville zurück ins Gefängnis bringst", sagte sie und erst da fiel ihr wieder ein, dass sie allen Grund hatte, sauer auf Oskar zu sein. Immerhin war er mehr oder weniger Schuld daran, dass Matthias so durch den Wind war. 

„Habe ich schon. Er wird auch nicht mehr wieder kommen. Zumindest werde ich ihm nicht mehr erlauben, bei uns zu übernachten", sagte er mit harter Stimme, was Sheila überraschte. 

„Okay... Warum nicht?", fragte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte. Sie freute sich zwar, dass sie sich keine Gedanken mehr machen musste, dass Ville ihr unverhofft über den Weg lief, doch interessierte es sie schon, was passiert war. Oskar seufzte. 

„Er hat sich wie das größte Arschloch aufgeführt. Aber vielleicht will Johnny es dir die Tage erzählen, er ist...", setzte er an, doch dann unterbrach er sich. Sofort wusste Sheila, was passiert sein musste. 

„Er hat Johnny die Sache mit Matthias erzählt, habe ich recht?", fragte sie und schloss für einen Moment die Augen. Sicherlich war es falsch, was Oskar getan hatte, aber wahrscheinlich war es nicht aus böser Absicht gewesen. Ville hingegen wollte ihn mit voller Absicht in Schwierigkeiten bringen. 

„Ja. Ich wollte es wirklich heute Abend, wenn er weg ist Johnny erzählen. Unter vier Augen. Als wir nach Hause gekommen sind, ist Ville zu ihm ins Wohnzimmer marschiert und hat es einfach herausposaunt. Natürlich hat er nur die Hälfte erzählt und so, dass Johnny es nur falsch verstehen konnte. Ich muss nachher mit ihm reden, wenn er wiederkommt. Falls er wiederkommt", berichtete Oskar und Sheila hatte auf einmal Mitleid mit ihm. Er klang so hoffnungslos, dass sich ihr Herz zusammenzog, denn eigentlich war er trotz all seiner Lügen und manchmal ziemlich egoistischen Aktionen ihr Freund. 

„Wir fahren gleich los, wenn du reden willst kannst du immer vorbei kommen, okay?", fragte sie, doch Oskar schnaubte. 

„Danke, aber ich glaube, dieses Mal habe ich es verbockt. Es war zwar wirklich nicht meine Absicht, aber ich muss das erst einmal alles Johnny erklären", sagte er, anschließend herrschte für einige Augenblicke Schweigen. 

„Na gut. Aber melde dich, wenn du Hilfe brauchst", sagte sie noch einmal nachdrücklich, doch er murmelte nur etwas Unverständliches, dann verabschiedeten sie sich. 

Sheila seufzte, schob dann ihr Handy zurück in ihre Tasche und stand auf. Sie schnappte sich die Reisetasche und machte sich wieder auf den Weg nach unten, wo Jonathan schon fertig angezogen im Flur stand. Offensichtlich hatte er es eilig, nach Hause zu kommen. 

„Er ist schon weg", sagte sie, als Jonathan sie fragend ansah. 

„Gut", erwiderte er nur und streckte die Hand nach der Tasche aus. Dankbar reichte sie sie ihm, doch als er sich auf dem Absatz umdrehte, hielt sie ihn am Ellbogen fest. 

„Oskar hat mir gesagt, dass er Ville nicht mehr erlauben wird, das Wochenende bei ihm zu verbringen. Das heißt, wenn er niemand anderen findet, kommt er nicht mehr raus", sagte sie und beobachtete gespannt seine Reaktion. Tatsächlich zuckten seine Mundwinkel, doch es war mehr eine Grimasse als ein Lächeln. 

Slice of Life - A New LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt