8. A friend in the darkness

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A/N: Trigger-Warnung
In diesem Chapter wird es einige Szene geben, wo der OC Gewalt erfährt (familiäre Gewalt). Bitte lese diesen Chapter nur, wenn du dich dazu in der Lage fühlst.

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Panisch betrete ich mein Zimmer. Die Schranktüren waren weit aufgerissen, der Inhalt geleert. Random Gegenstände waren auf dem Zimmerboden verteilt. Bilder von Papa und mir lagen am Boden. Mein Laptop war aufgeklappt, doch zum Glück hatte ich meine technischen Geräte alle mit Passwörtern vorgesperrt. Doch der größte Schock kam erst. In der einen Ecke neben meinem Bett entdeckte ich Scherben. Eine böse Vorahnung schlich sich in meinen Kopf. Bitte nicht...
Vorsichtig hob ich die Scherben auf. Tränen lösten sich aus meinen Augenwinkeln. Das war meine letzte Erinnerung an ihn gewesen, das letzte Geschenk, was er mir gemacht hatte. Ein Kristall, den er selbst aus Europa mitgebracht hatte. In meinen Lieblingsfarben. Nun waren nur noch kleine Einzelteile davon übrig. Wut machte sich in meiner Magengegend breit. Was fällt denen ein, mein Zimmer zu durchwühlen und meine Sachen zu zerstören?! Ich riss meine Zimmertür auf. "SAG MAL, HAST DU SIE NOCH ALLE?" Unten öffnete sich eine Tür und kurze Zeit später hörte ich, wie sie die Treppe hinaufstieg.
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"Das ist mein gutes Recht! Ich zahle schließlich alle Rechnungen in diesem Haus. Sei dankbar!" Meine Mutter stand vor mir, ihr Gesicht war hochrot vor Ärger. Doch es interessierte mich nicht. "DAS SIND MEINE SACHEN, MEINE PRIVATSPHÄRE! DU KANNST DOCH NICHT EINFACH REINSPAZIEREN UND ALLES AUSEINANDERNEHMEN!" Meine Stimme überschlug sich. Plötzlich verpasste sie mir eine Ohrfeige. Ich hielt inne. "Du lebst in meinem Haus, unter meinen Regeln. Ich habe die letzten Male immer ein Auge zugedrückt, doch jetzt ist Schluss damit. Und was deine Haare angeht, Fräulein, da schaue ich heute noch mal drüber weg. Aber wenn du noch einmal Ärger machst, dann mach dich auf was gefasst. Ab jetzt gehst du nicht mehr mit Freunden aus. Sie haben einen schlechten Einfluss auf dich. " Mit diesen Worten zog sie meine Zimmertür zu und ich hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Sie hatte mich eingesperrt?! Panisch rüttelte ich am Türgriff, doch nichts regte sich. Das war's. Jetzt war ich geliefert.
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Die nächsten Tage lief es ähnlich. Ich wachte morgens auf, meine Mutter schloss meine Tür auf, ich ging zur Schule, dann zum Training, kam wieder nach Hause und wurde gleich wieder eingeschlossen. Wenn Lev oder Maru-Chan schrieben, meinte ich nur, ich müsse lernen. Der Einzige, der Bescheid wusste, war mal wieder Kenma. Kuroo musste es ihm erzählt haben.
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Kozume Kenma (Privatchat)

Kenma: Sup.
Ich: Was willst du?
Kenma: Hast du Lust, eine Runde zu zocken? Hab gehört, dass du Ausgangssperre hast.
Ich: Machst du dich gerade über mich lustig?

Erst erschienen die drei kleinen Punkte, die mir signalisieren, dass er antwortete, doch sie verschwanden wieder. Ich legte das Handy beiseite. Zwei Minuten später machte mich mein Klingelton auf einen Anruf aufmerksam. Ich nahm ihn an.
"Ich mag es nicht, viel zu schreiben." Kenma. Wie gut, dass er mich nicht sehen konnte, denn Hitze stieg mir in die Wangen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich anrufen würde. "Izumi?" Ich schluckte. "Ich bin da, sorry. Hab nicht damit gerechnet, dass du anrufen würdest." Ich hörte ein sanftes Glucksen auf der anderen Seite des Hörers. Sofort machte sich Ruhe in mir breit. Komisch, welchen Einfluss er auf mich hatte. "Ich mache mich übrigens nicht über dich lustig. Ich wollte jediglich fragen, ob du Lust hast, mit mir eine Runde zu spielen. Kuroo meinte, dass du ziemlich alleine bist." Woher kam bloß auf einmal diese Fürsorge. Er war schon echt ein schräger Typ. Aber irgendwie machte es ihn noch attraktiver. Oh Kenma, wenn du wüsstest, welches Gefühlschaos du in mir auslöst, obwohl ich es nicht wahrhaben möchte. "Okay, lass uns ne Runde spielen."
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Dieses Mal spielten wir zusammen, nicht gegeneinander. Kenma erzählte mir von seinem Alltag in der Uni. Er studierte irgendetwas mit Computern und Entwicklung. Ich genoss es, seine Stimme zu hören. Gegen Zehn hörten wir auf und loggten uns aus, doch keiner von uns wagte es, das Telefonat zu beenden. "Wie geht es dir?" Das war das erste Mal heute Abend, dass er etwas fragte, was nicht mit dem Spiel zu tun hatte. Ich legte den Kopf schief und richtete mein Headset. "Keine Ahnung." Stille seinerseits. Dann räusperte er sich. "Kann ich etwas verrücktes vorschlagen?" Neugierig schaute ich auf mein Smartphone. "Okay?" Es raschelte. "Hast du Lust auf einen Spaziergang?"

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Angespannt schaute ich aus dem Fenster. Draußen war es Stockdunkel. Bei jeder Bewegung zuckte ich erwartungsvoll zusammen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Kenma die Auffahrt hochgetrottet kam. In seiner Hand hielt er eine Strickleiter. Ich musste Grinsen. "Hi." Seine Stimme hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich winkte. "Kannst du fangen?" Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern warf die Leiter in meine Richtung. Mit Mühe und Not erwischte ich sie. Vorsichtig befestigte ich sie an meinem Fenster, dann stieg ich sie hinab. Kenma wartete geduldig. Den letzten Meter sprang ich hinunter.

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Der Park wurde alleine vom Mondlicht beleuchtet. Die angenehme kühle Brise strich mit eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich sog die Luft ein. Kenma lächelte. "Es tut gut, oder?" Ich nickte. Man lernte erst, die Freiheit wertzuschätzen, wenn sie dir genommen wurde. "Ich hätte nicht gedacht, dass deine Mutter so ist. Als ich letztens bei euch war, hat sie sich ganz ander benommen." Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht. Er vermisste seine Mutter, dass konnte man ihm ansehen. Ich schaute in den Himmel. "Mein Vater hat meine Mutter immer als eine korrekte Frau beschrieben, die liebenswürdig ist. Langsam frage ich mich aber, ob er die Wahrheit erzählt hat." Ein Stern begann, hell zu funkeln. Tränen rollten meine Wange hinunter. "Wäre Papa noch am Leben, wäre alles viel einfacher. Hätte ich bloß nicht darauf bestanden, dass er mir bei den Meisterschaften zuschaut..." Schuldgefühle durchfluteten meinen Körper und ich begann zu zittern. Meine Sinne begannen, ineinander zu verschwimmen.

Plötzlich spürte ich, wie jemand meine Hand nahm. Vorsichtig, schüchtern, aber bestimmt. Meine Panikattacke ebbte ab. Kenmas Augen lagen auf mir, als ob er versuchte, meine Gedanken zu erraten. "Geht's wieder?" Irrte ich mich oder sah ich da Sorge in seinen Augen. "Warum hilfst du mir? Du kennst mich kaum." All meine Gedanken schossen so aus mir heraus. Ich konnte einfach nicht aufhören. Kenma hörte einfach zu. Er unterbrach mich nicht ein einziges Mal. Nur ab und zu drückte er beruhigend meine Hand. Als ich alles gesagt habe, was mir in den Kopf geschossen kam, holte ich tief Luft. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch ein Schimmer in seinen Augen verriet mir, dass er an einer Antwort arbeitete.

"Ich helfe dir, weil ich damals diese Hilfe nicht erhalten habe. Weil ich weiß, wie schwer man aus diesem dunklen Loch wieder rauskommt."

Seine Antwort war wie süßer Honig, der mein zerbrochenes Herz Stück für Stück wieder zusammenklebte. Er zog mich in eine feste, warme Umarmung und in meinen Gedanken schalteten sich das erste Mal seit Tagen komplett ab...



~𝒟𝒶𝓇ℯ 𝓉ℴ 𝒟𝓇ℯ𝒶𝓂~ Kenma x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt