13. 𝕍𝕒𝕟𝕚𝕝𝕝𝕖-𝕄𝕦𝕗𝕗𝕚𝕟𝕤 𝕠𝕕𝕖𝕣 𝕕𝕠𝕔𝕙 𝕝𝕚𝕖𝕓𝕖𝕣 𝔸𝕡𝕗𝕖𝕝𝕜𝕦𝕔𝕙𝕖𝕟?

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[A/N]: Trigger-Warnung: Zum Ende der Kapitels wird ein Unfall mit einer Leiche beschrieben. Lese den Teil bitte nur, wenn du dich dazu in der Lage fühlst. Der Abschnitt wird kursiv geschrieben sein.

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Ich schnappte mir ein paar Sachen und stopfte sie in meinen Rucksack. Dann schlich ich die Treppe wieder herunter und verließ das Haus. Kenma wartete geduldig neben der Straßenlaterne. Hilfsbereit griff er nach meinem Kopfkissen. "Hast du alles?" Ich nickte. Gemeinsam liefen wir die Straße herunter. Er wohnte nur ein paar Straßen entfernt. Die frische Abendbrise bewirkte Wunder. Das Pochen hinter meiner Schläfe wurde immer schwächer. Leise seufzte ich. "Geht es?" Meine Miene entspannte sich. "Ich bin nur froh, dass ich dieses Wochenende diesen Stress nicht ertragen muss." Kenma warf mir einen unleserlichen Blick zu. Ich legte den Kopf schief, doch er wich meinem Blick aus. Also ging ich nicht weiter darauf ein.

Wir erreichten das Haus, in dem Kenma mit seinen Mitbewohnern lebte. Neugierig spähte ich auf das Klingelschild. Die meisten Nachnamen kannte ich schon. Kuroo-san, Akaashi-san und Bokuto-san hatte ich bereits mehrere Male getroffen. Nur der Nachname Sakusa sagte mir nichts. Kenma schloss die Haustür auf. "Immer hereinspaziert, Kätzchen." Besonnen ließ ich das Bild auf mich wirken. Der Hausflur war breit und mit zahlreichen Bildern verziert, in der Ecke hingen mehrere Jacken. Kenma legte mein Kopfkissen auf die Treppe, die in das Obergeschoss des Hauses führte, bevor er mir signalisierte, ihm zu folgen. Behutsam streifte ich mir die Schuhe von den Füßen, stellte sie zu der Vielzahl von anderen Schuhen und folgte Kenma. In der Luft hing der Geruch von frisch gebackenen Apfelkuchen. Ich schluckte.

"Hey." Kenma legte seinen Haustürschlüssel auf den großen Küchentisch. Vier Köpfe drehten sich gleichzeitig in unsere Richtung. Bokuto-san fing an zu strahlen. "Izumi-chan, was machst du denn hier?" Er legte seinen Löffel zur Seite und kam auf mich zugetrottet. Ich hielt die Hand hoch. "Am besten kommst du mir nicht zu Nahe. Ich bin ein bisschen krank." In der hintersten Ecke der Küche zuckte ein junger Mann mit schwarzem Haar kaum merklich zusammen. Akaashi-san kam ebenfalls auf mich zu. "Du solltest dich ausruhen! Was machst du dann hier?!" Kenma antwortete, bevor ich es tun musste. "Sie ist hier vorerst besser aufgehoben als bei ihr Zuhause, nicht wahr, Izumi?" Ich nickte. Kuroo-san starrte mich nachdenklich an. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte er sich im Vergleich zu unserem ersten Treffen sehr verändert. Die strahlenden Augen waren matt, sein Gesicht war eingefallen. Was war bloß in seinem Leben passiert?

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"Das ist Sakusa Kiyoomi, er spielt bei MSBY Black Jackal. Kiyoomi, dass ist Ito Izumi, die kleine Schwester von Hikaru und... eine gute Freundin", stellte Kenma mich vor. Sakusa-san starrte mich an. Gänsehaut machte sich auf meinem gesamten Körper breit. Hatte ich etwas verbrochen? Kenma schien die unangenehme Stille zu bemerken. "Kiyoomi fühlt sich unwohl, wenn jemand krank ist. Er mag Bakterien nicht sonderlich gerne." Deswegen war er so zusammengezuckt! Ich verkniff mir ein Lächeln. Er erinnerte mich ein wenig an meine beste Freundin Rose, die es ebenfalls nicht lassen konnte, jede Oberfläche mindestens zweimal zu putzen. Ich trat einen Schritt zurück. "Tut mir leid, Sakusa-san." Er zuckte mit den Schultern. "So lange du mir nicht zu Nahe kommst." Damit war das Thema abgehakt. Bokuto hatte sich zurück an den Herd gestellt. "Wir haben Apfelkuchen gebacken. Möchtest du welchen?"

Ich zögerte. Apfelkuchen ließ mich immer etwas Sedimental werden. Mein Vater hatte ihn geliebt, er hatte jedoch keinerlei Talent, was das Backen anging, weshalb der Kuchen jedes Mal entweder zu salzig oder zu trocken geworden war. Manchmal sogar beides. Doch das Knurren meines Magens gewann. Gefühle hin oder her, ich musste mal wieder etwas essen. "Wenn ich ein Stück haben darf, wäre das toll." Akaashi lächelte. "Gerne doch." Mit wenigen Handgriffen hatten sie das Blech aus dem heißen Ofen geholt. Kenma öffnete einen der Küchenschränke und holte Teller und Gabeln heraus, um sie anschließend auf dem Tisch zu verteilen. Nebenbei drückte er mich auf einen der Stühle. Ein Blick reichte, um mich auf der Sitzfläche festkleben zu lassen. Gedanklich machte ich mir eine Notiz, niemals mit ihm zu streiten, denn er würde wahrscheinlich immer allein wegen dem Blick gewinnen. Anschließend verteilte Bokuto-san den noch warmen Kuchen auf den Tellern, ehe sich der Rest ebenfalls am Tisch niederließ. "Guten Appetit!" Kuroo-san hob die Gabel als Erster zum Mund. Ich folgte seinem Beispiel. Vorsichtig schob ich mir das warme Gebäck in den Mund. Ein salziger Geschmack machte sich auf meiner Zunge breit. Kuroo-san begann im selben Moment, lautstark zu husten. "Kotaro! Dir ist der Salzstreuer in den Teig gefallen? Warum hast du nichts gesagt?", schimpfte Akaashi-san mit Bokuto-san, der nur grinste.

Ich hatte allerdings andere Sorgen. In mir bahnte sich ein heftiger Heulkrampf an. Ich presste die Lippen aufeinander, doch es war zu spät. Krokodilgroße Tränen kullerten über meine Wangen und ich begann, heftig zu schluchzen. Am Tisch wurde es schlagartig ruhig, dann brach Hektik aus. "Oh mein Gott, ist alles okay bei dir?" Bokuto-san reichte mir Taschentücher, während Akaashi-san aufgesprungen war, um mir tröstend über den Rücken zu reiben. Kenma nahm meine Hand. "Was ist los, Kätzchen?" Sakusa-san lachte. "Kätzchen?" Es war das totale Chaos. "D-der K-kuchen..." Meine Stimme war vom Weinen hoch und quietschig. "E-er schmeckt g-genauso w-wie... w-wie der meines V-v-vaters..." Ich begann sofort, wieder zu heulen. Wie unangenehm. Auch Kuroo-san schaute mittlerweile besorgt zu mir herüber. "Kenma, am besten bringst du sie jetzt hoch. Sie braucht dringend Schlaf." Er hatte recht. Die Erschöpfung sorgte dafür, dass meine Emotionen komplett durchdrehten. "T-tut mir leid." Die Jungs schüttelten nur den Kopf. "Schon gut, Izumi-chan. Mach dir keine Gedanken. Schlaf dich erst einmal aus." Akaashi-san reichte mir eine Wasserflasche, die ich dankend annahm. Dann schob Kenma mich aus der Küche.

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Kenmas Zimmer war riesig. Neben dem großen Streaming-Set-Up gab es ein großes Bett, ein kleines Sofa mit einem Kaffeetisch und einen riesigen Kleiderschrank. Doch trotzdem wirkte das Zimmer urgemütlich. Kenma warf mein Kissen auf sein Bett. "Nebenan ist das Badezimmer, Kätzchen. Du solltest dich Bettfertig machen. Du kannst heute Nacht in meinem Bett schlafen." Vorsichtig strich er mir die Tränen aus den Augenwinkeln. Geschlagen nickte ich. Die ganze Situation in der Küche war mir extrem unangenehm. Mein Magen grummelte noch immer. Kenma lachte leise. "Ich glaube, es sind noch Vanille-Muffins von gestern übrig. Ich hole dir welche." Damit war er verschwunden. Ich schnappte mir ein T-Shirt und ein paar Shorts, bevor ich in das Badezimmer verschwand, um mich umzuziehen. Als ich zurückkehrte, stand auf dem kleinen Nachttisch ein Teller mit einem riesigen Muffin. "Lang zu." Kenma saß an seinem Schreibtisch und lächelte mich warm an. Schnell machte ich mich über das süße Gebäck her.

Nachdem ich Zähne geputzt hatte, kroch ich in Kenmas Bett. Es roch nach ihm. Sofort vermisste ich seine Nähe. "Kenma?" Ich hörte, wie es raschelte. Kurz darauf senkte sich die Matratze. "Was gibt es, Kätzchen?" Ich griff nach seiner Hand. "Kannst du bei mir bleiben? Ich brauche dich... deine Nähe..." Ich spürte, wie er einen Arm um mich legte und mich näher zu sich zog. "Du brauchst nicht zu fragen, Izumi. Wenn du mich brauchst, bin ich da." Ich vergrub meine Nase in seiner Brust. "Wusstest du, dass du nach Vanille riechst?" Seine Hand strich über meinen Kopf. "Magst du ihn? Den Geruch." Ich nickte. "Er passt zu dir." Neugierig legte er den Kopf schief. "Inwiefern?" Nachdenklich sortierte ich die Worte in meinem Kopf. "Ich weiß es selbst nicht so genau, er passt einfach." Kenma lachte. "Du solltest schlafen." Behutsam strich er über meinen Rücken, bis ich in meinen Träumen versank.

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Immer wieder sah ich das ausgebrannte Auto vor mir. Seine Leiche, die von einer Plane abgedeckt worden war. Nur eine Hand schaute hervor, doch sie war rabenschwarz. Mein Vater war am lebendigen Leibe verbrannt. Niemand hatte ihm geholfen. Überall auf der Straße lagen Sachen verstreut herum. Ein Bild von Dad und mir, als ich kleiner war, ein kleiner Schlüsselanhänger, ein Strauß mit meinen Lieblingsblumen, der ebenfalls halb verbrannt war. An ihnen klebte Blut... Ich schrie. Schrie nach meinem Dad, hoffte, dass er noch lebte. Tränen strömten mir über mein Gesicht. Er war tot. Er würde nicht mehr zurückkommen. Die einzige Person, auf die ich mich vollkommen verlassen konnte, existierte nicht mehr...

"Shhhh, Kätzchen." Kenmas Stimme ließ mich aufschrecken. Mein Kissen war durchnässt von den Tränen, die ich geweint hatte. Mein ganzer Körper zitterte. "Shhhh. Ich bin hier." Kenma zog mich in seine Arme. Meine Atmung wurde ruhiger. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Albtraum gehabt hatte. Ich wischte mir über die feuchten Augen. "Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken." Kenma schüttelte nur den Kopf. "Alles gut. Glaub mir, die ersten Wochen nach dem Tod meiner  Mutter ging es mir genau so. Ich hatte wochenlang diese Albträume." Seine Stimme hatte eine heilende Wirkung auf mich. Unbewusst kuschelte ich mich näher an ihn heran. Ich wollte seine Nähe spüren. Sein Herz schlug laut in seiner Brust. "Es wird besser, Kätzchen. Versprochen." Ich glaubte ihm.

Plötzlich zuckte er kaum merklich zusammen. Ich schaute zu ihm auf. "Was ist los?" Er fluchte. "Shit, ich habe in Panik vergessen, den Stream auszuschalten. Uns haben gerade mehr als 5.000 Menschen zugehört." Ich starrte in Richtung seines PCs. Glücklicherweise konnte man uns von hier kaum sehen, da das Licht zu dunkel war. Man konnte allerdings unsere Umrisse erkennen. Jetzt war ich es, die leise fluchte. Kenma sprang auf, doch es war zu spät. Bereits in wenigen Stunden würde es jeder auf Social Media wissen.

~𝒟𝒶𝓇ℯ 𝓉ℴ 𝒟𝓇ℯ𝒶𝓂~ Kenma x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt