10. 𝔼𝕚𝕟 𝔻𝕒𝕥𝕖...𝕞𝕚𝕥 𝕋𝕠𝕞𝕒𝕥𝕖𝕟𝕤𝕒𝕗𝕥?

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Nervös spielte ich mit einer losen Strähne, die aus meinem Zopf gefallen war. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Gedankenverloren starrte ich auf das Arbeitsblatt vor mir. Die Lehrerin schrieb zwei Sätze an die Tafel. Ohne jegliches Interesse schaute ich aus dem Fenster. Alles, woran ich denken konnte, war der bevorstehende Nachmittag. Ein warmes Kribbeln machte sich in meiner Magengegend breit. Ich freute mich, sehr sogar. Es war beinahe gruselig.

"Miss Ito, could you answer the question on the board, please?" Ich schaute auf. 29 Blicke lagen auf mir, während ich mich langsam erhob. So ein Mist aber auch. Das hatte ich nun davon. "I'm sorry Miss, could you repeat the question and the task, please? I'm not sure if I understood it correctly." Die Lehrerin schaute mich streng an und wechselte ins Japanische. "Ito-san, bitte passen Sie besser auf, auch wenn sie die englische Sprache fehlerfrei beherrschen." Ich senkte den Kopf. "Entschuldigen Sie bitte." Die Lehrerin nickt, wiederholte die Frage und ließ mich die Antwort an die Tafel schreiben. Als ich zu meinem Platz zurückkehrte, vernahm ich ein Kichern. Doch bevor ich herausfinden konnte, warum Gekichert wurde, hatte ich mich bereits in eine riesige Pfütze gesetzt. Roter Tomatensaft spritzte in alle Richtungen. Wut stieg in mir empor. Meine Mitschüler fingen an, lauthals zu lachen. Mein Blick richtete sich auf die Lehrerin, die nicht einmal die Anstalten machte, etwas dagegen zu tun. Na toll. "Miss, may I go to the restroom?" Die Lehrerin nickte. Wütend stapfte ich aus dem Raum, während ich eine Nachricht tippte.

Izumi: Können wir uns ein paar Minuten später treffen? Habe mich in Tomatensaft gesetzt und muss mich vorher umziehen.

Kenma: Shit, klar. Alles okay?

Ein trockenes Lachen entwich meiner Kehle. Mir ging es bestens.

Izumi: Mehr oder weniger. Später mehr.

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Den Rest des Tages musste ich in meiner Sportuniform herumlaufen, was mich zwar nicht unbedingt störte, allerdings machte es mich angesichts der Tatsachen nur noch wütender. Ich schaffte es erst beim Training, diese extreme Wut loszuwerden. Mit voller Kraft schlug ich die Bälle über das Netz. Grimmig nahm ich zur Kenntniss, dass sie meistens ins Aus schossen. Ich war dankbar, dass mich keine meiner Teamkameradinnen dafür kritisierte. Sie alle merkten, dass etwas passiert war. Wahrscheinlich hatte Kairi ihnen erzählt, was vorgefallen war. Nach einer halben Stunde hatte ich mich wieder einigermaßen eingekriegt.

"Am Wochenende spielen wir gegen Karasuno. Ihre Mädchenmannschaft ist in den letzten zwei Jahren sehr stark geworden, geht also mit dem Gewissen in das Spiel, dass sie durchaus würdige Gegner sind. Freitag machen wir deswegen eine Extratrainingseinheit. Irgendwelche Einwände?" Unser Coach schaute in die Runde. "Gut, dann beenden wir das Training. Bis morgen." Leise seufzte ich. Maru-chan hakte sich bei mir unter. "Alles okay bei dir, Izumi-chan?" Ich verkniff mir die Grimasse. "Mir geht's gut, keine Sorge." Ich verzog das Gesicht zu einem Lächeln, versagte aber kläglich. Maru-chan rümpfte die Nase. "Das war echt mies von deinen Mitschülern. Ich hoffe, dass das nicht noch mal passiert." Das hoffte ich auf. Auf keinen Fall wollte ich auch noch zu einem Mobbingopfer werden. Davon gab es schon zu viele. Hier in Japan war das wirklich schlimm. Gerade letzte Woche musste eine Mitschülerin die Schule wechseln, weil es einfach zu brutal geworden war. Grauenhaft.

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Zuhause begab sich meine Stimmung wieder in den Keller. Den Tag konnte man echt in die Tonne hauen. Hikaru war nicht zuhause, aber meine Mutter hatte Männerbesuch, welchen ich auf den Weg ins Badezimmer über den Weg lief. Anscheinend hatten sie nicht mit mir gerechnet, denn er trug kein einziges Kleidungsstück am Körper. Schnell entschuldigte er sich uns stapfte zurück ins Schlafzimmer meiner Mutter. Traumatisiert von der Szene rettete ich mich ins Badezimmer, um mich frisch zu machen. Am liebsten würde ich heulen, dennoch riss ich mich zusammen und schlüpfte in das schwarz-weiß karierte Kleid und den weißen Rollkragen-Pullover. Mit einigen gekonnten Handgriffen band ich mir die Haare zu einem Zopf, ehe ich nach meinem Rucksack griff und aus dem Haus floh. Ich wollte mich keine Sekunde länger in diesem Haus aufhalten.

Nach zehn Minuten erreichte ich den Bahnhof. Suchend hielt ich nach Kenma Ausschau, konnte ihn jedoch nicht entdecken. Unbehagen machte sich in mir breit. Hatte er unsere Verabredung vergessen? Eine Hand tippte mir an die Schulter und ich fuhr herum. Ein Mann in einem weißen Shirt, einer schwarzen Jeans und einer braunen College-Jacke hob die Hand und winkte. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Er war also doch gekommen. "Hi Kenma." Kenma lächelte. "Hi Izumi. Cool, dass du da bist." Eine Bahn fuhr ein und Kenma griff nach meinem Arm. Gemeinsam eilten wir zur Tür und stiegen ein. Ich stieß den Atem aus. Kenma grinste leicht. "Du siehst gut aus." Ich hob den Blick. Röte schoss auf meine Wangen. "Danke." Er wies auf zwei freie Plätze und wir setzten uns. Eine Weile schwiegen wir.

"Hast du schon gegessen?" Ich schüttelte den Kopf. Kenma neigte den Kopf. "Ich auch nicht. In der Nähe des Internetcafés gibt einen total guten Onigiri-Laden. Hast du Lust, vorher gemeinsam etwas essen zu gehen?" Meine Laune hob sich. Essen klang gut. "Klar. Onigiri sind immer gut." Kenma zog sein Handy heraus und tippte darauf rum. "Ich hab uns einen Tisch vorbestellt. Der Inhaber ist ein alter Bekannter." Neugierig schaute ich ihn an. Das Sonnenlicht blendete mich und ich kniff die Augen zusammen. Sein raues Lachen hinterließ Gänsehaut auf meinem gesamten Körper. "Lass dich überraschen, Kätzchen." Kätzchen?

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"Lange nicht gesehen, Kozume." Ein gut gebauter Mann in Kenmas Alter begrüßte uns. Seine Haare waren Grau eingefärbt und er trug eine weiße Schürze. Irgendwo her kannte ich dieses Gesicht, ich konnte es jedoch nirgendwo zuordnen. "Wen hast du denn da mitgebracht." Neugierig ließ er seinen Blick über mich schweifen. Ich hob zögerlich die Hand. "Mein Name ist Ito Izumi." Ein ungewöhnlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Ito Izumi... Freut mich, dich kennenzulernen. Mein Name ist Miya Osamu." Jetzt wusste ich, woher ich ihn kannte. Miya... Er musste der Zwillingsbruder von Miya Atsumu sein, von dem alle redeten. Kenma griff nach meiner Hand und mir stockte der Atem. Er lächelte über meine Reaktion. "Welcher Tisch ist für uns reserviert?" Osamu zeigte auf einen Tisch ganz am Ende des Raumes, direkt am Fenster. Ein schöner Platz. "Ich komme gleich zu euch. Wollt ihr schon was trinken?" Mein vernebeltes Gehirn machte sich selbstständig. "Bitte alles außer Tomatensaft." Ich riss die Augen auf. Holy Moly, was redete ich für einen Mist? Kenma brach in Lachen aus, was ich ihm nicht übel nehmen konnte. "Was ich meinte ist, eine Sprite wäre klasse." Auch Osamu grinste. "Kriegen wir hin."

~𝒟𝒶𝓇ℯ 𝓉ℴ 𝒟𝓇ℯ𝒶𝓂~ Kenma x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt