Kapitel 26 - Unerwartet

628 34 11
                                    


Boom.Boom.Boom.

Auf diese Geräusche bin ich eine Nacht aufgewacht. Mein linkes Bein blutete stark, meine Ohren rauschten und der ganze Raum schien nebelig. Ich hörte waage, wie Enid panisch schrie. Sie rufte meinen Namen, woraufhin ich versuchte aufzustehen, aber der Schmerz übernahm die Kontrolle über meinen Körper und ich fiel auf den Boden.

Boom. Das Geschrei hörte auf.

- "Enid? Was ist passiert? Wo bist du?" - brüllte ich, obwohl ich meine eigene Stimme kaum wahrnehmen konnte.

Die Nebel verpuffte und die Sicht klärte sich langsam.

- "WAS HAST DU GETAN?" - schrie ich.

Adrenalin floß durch meinen Adern und plötzlich saß ich auf Tyler, der eine Waffe in der Hand hielt. Ich würgte ihn mit beiden Händen, so stark, dass sein Gesicht erkennbar blau angelaufen ist.

Ich stand auf und mit meiner restlichen Kraft wurf ich mich auf Enid's Bett.

Ich brach in Tränen aus und lehnte mich auf ihren Körper. Sie wurde zweimal angeschossen. Eine Kugel traf sie in den Oberschenkel. Die Wunde blutete zwar, aber sie machte keinen verbleibenden Schäden. Ich kletterte immer weiter auf, bis ich die Augenhöhe erreichte. Die zweite Kugel war wesentlich bedeutender.

Ich nahm sie in meinen Armen und schaukelte sie, voller Hoffnung, dass sie mich noch einmal mit ihren wunderschönen himmelblauen Augen anschaut. Diesmal tat sie es nicht.

Ich spürte, wie mein Mund schäumte und ich fasste sofort danach. Jedoch war das kein Schaum, sondern Blut. Ich wurde auch zweimal getroffen. Ich zog mein T-Shirt hoch und sah, dass die Patrone meine Rippen durchbohrte.

- "Kennst du den Spruch: "Du musst denen in den Kopf schießen. Sie erwachen sonst immer."?Naja, ich habe mich vergewissert, dass deine Wolf-Freundin nicht mehr erwacht." - lächelte Tyler nach Luft schnappend. - "Schade, dass unsere Geschichte so endet, Wednesday. Ich habe dich wirklich geliebt. Aber weißt du was?" - zeigte er auf Enid. - "Wie ich dich gerade neben deiner toten Geliebte leidend sitzen sehe, macht jeder Sekunde lohnend, die ich unten in der Bibliothek verbringen musste."

Meine Konzentration sank und meine Augenlider schlossen sich unwillkürlich und gingen manchmal wieder auf.

- "Ich wollte mit dir zusammen sein, Wednesday. Verstehst du, dass Enid's Tod deine Schuld ist?" - kam er näher und streichelte mein Gesicht. -"Verdammt schade." - schüttelte Tyler den Kopf. - "Keine Sorge, ich habe schon alles geplant. Ich habe einen Brief mit deiner Schreibmaschine geschrieben, wo drin steht, dass du seit Wochen planst, deine Freundin umzubringen. Du konntest nicht ertragen, dass Enid sich nicht für dich interessiert hat. Sie wollte ausziehen und das hat sie dir gestern Abend auch per SMS geschrieben. Genial oder nicht?" - klatschte Tyler.

Ich starrte ihn an und versuchte mich aufzusetzen.

- "Ohoho, nicht schlecht, Wednesday. Es ist aber zu spät für dich." -schubste er mich nach hinten. - "Keine Angst, ihr werdet gleich wieder vereint sein. Nur noch eine Kleinigkeit."

Er holte den Brief, nahm meinen Finger und sank ihn in meine blutende Verletzung, um eine spezielle Unterschrift zu fälschen.

- "So, das hätten wir auch." - griff er nach seiner Waffe. - "Es war schön dich kennenzulernen, Wednesday."

Meinen allerletzten Blick warf ich auf Enid und lächelte dabei.

Boom.

Boom.

Boom.

Es war unser Ende. Gemeinsam verließen wir diese Welt. Oder doch nicht? Ich hörte meinen Namen immer wieder, ich spürte, wie mich jemand berührt. Mein Gesicht, meine Arme. Ich wurde ununterbrochen geschüttelt. Meine Seele fühlte sich schwer an, als hätte jemand einen gewaltigen Stein an mich gebunden und mich von einem hohen Felsen gestoßen. Ich flog hinunter bis ich auf einem massiven Boden landete. Ich konnte endlich meine Augen öffnen.

Ich zitterte, schwitzte und atmete gleichzeitig panisch. Ich war in meinem Bett und kam langsam erneut zu mir. Ich drehte mich zum Ausgangspunkt der Stimmen und Berührungen und konnte nicht meinen eigenen Augen glauben.

- "Verdammte Scheiße, Wednesday. Du hast mich zu tode erschreckt." - sagte Enid, offensichtlich belastet.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich Enid und zog sie zu mir. Ich drückte sie erschüttert und fest.

- "Du lebst." - flüsterte ich schwach und versuchte mich zu beruhigen.

- "Du machst mir wirklich Angst, Wednesday. Zuerst schreist du meinen Namen und jetzt das?"

- "Ich hatte eine ungewöhnliche Vision." - sagte ich monoton. - "Ich habe deinen Namen gesagt?"

- "Eine Vision? Wednesday, du warst eineinhalb Studen lang in der selben Position, du hast öfter die Zahlen 17 und 12 gemurmelt und einmal sogar aufgehört zu atmen. Ich habe dir Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung gegeben."- zählte Enid nacheinander auf.

Ich stand auf und lief eine Weile schweigend in unserem Zimmer herum. Plötzlich rannte ich zum Schreibtisch.

- "Ich brauche einen Stift, Enid."

- "Wednesday, was ist los? Was hast du in deiner Vision gesehen?" - fragte Enid besorgt.

- "EINEN STIFT, JETZT!" - schrie ich bestimmend.

Ich nahm ein Stück Papier und schrieb alles auf, woran ich micht erinnern konnte.
> 1,5 Stunden
> 12/17
> Tod

- "Was bedeutet das alles Wednesday?"

- "Ich weiß es noch nicht, Enid. Aber." -schluckte ich einmal laut. - "So eine Vision hatte ich bis jetzt noch nie. Alles fühlte sich real an. Die Geräusche, die Gerüche, die Stimmen und der Schmerz." - blickte ich ohne zu blinzeln vor mich hin.

In der nächsten Sekunde merkte ich, wie eine einzige Träne meine Wange hinunterläuft. An der Stelle der Furcht überkam mich die Wut. Ich sah nur noch rot vor meinen Augen.

Ich muss sie beschützen. In meiner Illusion habe ich versagt. In der realen Welt, weiß ich ganz genau, was zu tun ist.

Meine Gedanken wurden durch einen unerwarteten Bruch gestört. Enid's Bleistift zerbrach in meiner Hand.

- "Das reicht jetzt, Wednesday." - umarmte sie mich von hinten.

An anderen Tagen würde mich so eine ungeplante Berührung äußerst reizen. Heute nicht. Mein atheistisches Herz betete dafür, dass sie mich nicht mehr loslässt.




Die Wenclair Story - Gegensätze ziehen sich an (In Bearbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt