Kapitel 17 - Der Maulkorb

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Enid's POV:

Nach Stunden waren meine Augen immer noch verschwommen. Nun fühlte ich mich seit einem Tag ununterbrochen betrunken. Zuerst war es tatsächlich der Alkohol, der gegen meinen Schädel drückte. Doch dann...dann kam er. Er hat schon seit langem auf mich gewartet. Er hat mich verfolgt und nach der perfekten Gelegenheit gesucht. Kaum war ich aus der Toilette raus, zwei Hände schlangen um mein Gesicht, während ein stinkendes, feuchtes Tuch eng auf meinem Mund und meiner Nase landete. Das Schwindelgefühl schlug mich sofort, ich verlor mein Gleichgewicht und nach unzähligen kleinen Sternen wurde alles plötzlich schwarz.

Ich wachte mit stark pochenden Kopfschmerzen, schmerzenden Zähnen und lautem Rauschen in meinen Ohren auf. Anfänglich konnte ich nicht mal meinen Kopf aufheben, er lag auf meiner rechten Schulter, schwerer als sonst. Es fühlte sich eng um meinen Mund an und das war auch nicht meine Haut, die meine Schulter berührte. Es schien eher nach Leder zu sein, aber mehr als eine Schätzung konnte ich nicht machen, denn meine Arme konnte ich auch nicht bewegen. Benommen und schweißig öffnete ich meine nebelhaften Augen. Mit gerunzelten Brauen starrte ich nach unten auf mein rechtes Handgelenk, das mit einem festen Seil zu einem Stuhl gefesselt wurde. Erst dann habe ich zum ersten Mal realisiert, was hier vor sich ging. Meine Atmung verschnellerte sich und durch das Adrenalin, das durch mein Adern floss, konnte ich endlich um mich herumschauen.

Ich saß in einem gut beleuchteten Raum. Der Geruch von Holz schien auf den ersten Blick sehr einladend, warm und erfrischend. Aber dieses Gefühl verblasste sehr schnell, nachdem ich die vielen gemalten Porträts von Wednesday ins Auge bekam. An diesem Punkt fing ich an Angst zu haben. Mich beruhigte nur die Tatsache, dass ich allein war. Ich wusste nämlich, dass das hier meine einzige Möglichkeit war zu fliehen. Ich wollte weglaufen, so schnell rennen, wie schnell ich noch nie gerannt bin. Meine Füße waren aber auch zusammengebunden. Und zwar stark, weswegen ich mich wunderte, dass ich meine Zehen noch spüren konnte. Die Sonne strahlte auch noch durch die kleinen Fenster. Das konnte nur eines bedeuten.

Ich war noch nicht seit langem hier.

Ich versuchte mit all meiner Kraft meine Handgelenke von den Seilen zu befreien, die teilweise die Durchblutung in meinen Armen hinderten. Mit angespannten Muskeln und geballten Fäusten wollte ich mit einer schnellen Bewegung die Befestigung zerreißen. Doch viel Kraft hatte ich nicht übrig. Ich musste die Taktik wechseln.

Ich legte meine Hand flach auf die Armlehne des Stuhls, machte meine Haltung gerade und fing an meine Arme nach hinten zu ziehen. Kürzlich erreichte ich den Punkt, wo es nicht mehr weiterging. Die Seile rieben an meiner Haut, wodurch die rötlichen Wunden mit jeder Sekunde immer schlimmer schmerzten. Meine Knochen standen im Weg, meine Beine wackelten, meine Finger zitterten. Tränen liefen meiner Wangen hinunter, aber ich hörte nicht auf.

Komm schon, verdammt nochmal! Bitte, bitte, bitte!

Die Seile wollten nicht reißen. Meine Haut jedoch schon. Je stärker ich an meinen Händen zog, desto mehr Blut landete auf den Stuhl, an meinen Klamotten und auf den Boden. Unter dem, was auch immer meinen Mund bedeckte, wurde es immer schwieriger zu atmen, weswegen ich mich wieder schwindelig fühlte. Ich wollte aber nicht aufgeben, ich durfte nicht. Ich habe mir versprochen es noch ein letztes Mal zu versuchen. Ich biss auf die innere Seite meines Mundes, schloss meine tränenvollen Augen und zählte bis drei.

1...2...3

Dann zog ich.

Ich bin mir sicher, dass ich mich an dieser Stelle schon teilweise hoffnungslos fühlte. Denn das Ziehen tat nicht mehr so weh. Ich war bereit mein Ende zu akzeptieren.

Doch dann kippte mein Stuhl mit mir zusammen nach hinten. Ich lag auf meinem Rücken, nachdem die Welt wieder für eine kurze Zeit schwarz wurde. Wahrscheinlich schlug ich meinen Hinterkopf ein wenig an. Unbewusst brachte ich meine rechte Hand auf meine Stirn und rubbelte an meinen Augen, darauf erhofft wieder etwas zu sehen. Dann ist es mir erst aufgefallen. Ich öffnete weit meine Augen und konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte. Meine Hände waren wieder frei. Ich fasste mit meinen scharfen Krallen zu meinen Fußgelenken und band mich dort auch los.

Die Wenclair Story - Gegensätze ziehen sich an (In Bearbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt