Kapitel 33
Ist es nicht verrückt, dass uns im einen Moment die ganze Welt vorkommen kann wie ein grausamer Sadist, der nur darauf abzielt, uns zu quälen, aber im nächsten Augenblick verändert sich eine kleine Sache und plötzlich fühlen wir uns wie die glücklichsten Menschen auf dieser Erde? Ja, ich bin immer noch traurig, wegen allem, was passiert ist. Ja, ich würde es sofort ohne zu zögern ändern, wenn ich könnte. Ja, innerlich bin ich immer noch zersplittert und versuche verzweifelt, meine Scherben zusammenzuhalten. Aber jetzt fällt es mir leichter. Denn ich habe Kyle an meiner Seite.
Als Audrey uns zum Abendessen ruft, trotte ich hinter ihm die Stufen hinunter. Wahrscheinlich wirkt das Lächeln auf meinen Lippen viel zu groß für mein Gesicht. Wahrscheinlich sieht das einfach nur komplett bescheuert aus. Wahrscheinlich bin ich viel glücklicher als ich es in meiner Lage sein sollte. Aber es ist mir egal.
„Und? Wie ist es gelaufen?", fragt Audrey an Kyle gewandt.
Er legt einen Arm um mich und erzeugt allein damit wieder dieses wohlige Gefühl, das in sekundenschnelle durch all meine Adern fließt. „Wonach sieht es denn aus?", meint er ganz gelassen und grinst mich daraufhin an.
Audrey schenkt uns einen liebevollen Blick, aber irgendwie ist es mir unangenehm. Ich merke bereits, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Offensichtlich hat er Audrey und George zuvor in seinen „Plan" eingeweiht. Ist ja nicht so als hätte er mir einen Heiratsantrag gemacht, aber okay, wenn er meint. Audrey wird mich jetzt wohl immer mit diesem „Ach seht nur, unsere kleine Chloe ist verliebt"-Blick anstarren, während ich weiß, dass George noch lange skeptisch bleiben wird. Aber andererseits ist es vermutlich gar nicht so schlecht, dass sie schon davon wissen – immerhin muss ich es ihnen dann nicht von mir ausgehend erzählen.
„Also dann", mischt sich nun auch Onkel George ein. „Lasst uns essen, bevor es kalt wird."
Dankbar löse ich mich aus Kyles Griff und setze mich an den Tisch. Nicht, dass mir diese Geste nicht gefallen hätte, aber ich bin immer noch nervös, was Körperkontakt angeht. Wenn es nicht so wäre, wäre ich ja auch nicht mehr die Chloe, die wir alle lieben und bewundern, nicht wahr?
Vergesst nicht auf den Sarkasmus, während ihr das hier lest.
Nach dem Essen verabschiedet sich Kyle mit einem sanften Kuss auf meine Stirn von mir, der wieder dafür sorgt, dass die Glücksgefühle in mir fast überschäumen. Seine Lippen auf meiner Haut. Seine Hände, die meine eigenen festhalten. Seine Augen die mich neugierig mustern, als wöllte er jedes noch so kleine Detail über mich herausfinden. Womit habe ich jemanden wie ihn verdient?
„Sehen wir uns morgen?", frage ich mit leiser, behutsamer Stimme.
„Ich hoffe doch", meint er und grinst wie immer auf seine ehrliche, unbekümmerte Weise, bevor er die Tür öffnet und in die kalte, dunkle Nacht entschlüpft.
Unbemerkt stehle ich mich die Stufen in mein Zimmer hinauf, um zu verhindern, dass George oder Audrey mit mir über Beziehungskram reden. Darauf kann ich jetzt echt verzichten. Aber meine gute Laune ist immer noch so groß, dass sie fast greifbar wirkt. Ich will einen Teil davon in eine Kiste packen und erst wieder hervorholen, wenn ich mich schlechter fühle und ich aufgeheitert werden muss. Dadurch würde ich mich bestimmt besser fühlen. Wenn es nur so einfach wäre.
Voller Elan springe ich auf mein Bett und drücke mein grinsendes Gesicht auf meinen Kopfpolster. Ich komme mir zwar so vor wie diese typisch verliebten Mädchen aus Hollywood-Filmen, aber was soll ich tun? Ich kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Während ich hier so liege, mit mir selbst um die Wette lächele wie eine Irre und über ihn nachdenke, werde ich immer müder und irgendwann bin ich kurz davor einzuschlafen. Aber ich rappele mich erneut auf und suche nach meinem Handy. Sophie würde es mir nicht so schnell verzeihen, wenn ich sie nicht heute noch anrufen würde.

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Sternträumerin
Mystery / Thriller"Hoffnung ist nichts weiter als der jämmerliche, verzweifelte Wunsch, dass sich die Dinge doch noch zum Guten wenden. Manchmal ist es die Hoffnung, die dafür sorgt, dass wir am Leben bleiben und nicht ganz den Verstand verlieren. Aber viel zu oft wi...