Kapitel 20
Der Flur vor mir ist in gedämpftes, grün-gelbliches Licht gehüllt und scheint sich unendlich weit vor mir in die Ferne zu strecken. Ich laufe und laufe, sodass meine Fußsohlen auf den harten Boden donnern und das laute Geräusch ewig weiter hallt, in der Hoffnung, doch noch ein Ende zu finden. Und tatsächlich – plötzlich befindet sich neben mir eine Tür, so schwarz wie Ebenholz, neben der ich atemlos stehen bleibe. Vorsichtig lege ich meine Finger auf den ebenfalls schwarzen Griff und drücke ihn langsam hinunter. Dann ziehe ich die Tür gemächlich auf, doch sofort muss ich meine Augen schließen, da ich von einem grellen, weißen Leuchten geblendet werde.
Blind setze ich trotzdem einen Fuß vor den anderen und versuche meinen Weg durch das nichts zu finden. Auf Einmal höre ich eine leise Stimme, die mir den Weg weist, ob es ihr bewusst ist oder nicht.
"Hier bist du also. Das hätte ich nicht erwartet", meint sie lachend.
Immer noch unfähig, irgendetwas durch meine Augen wahrzunehmen, gehe ich der beruhigend klingenden Person einfach hinterher, ohne mir Gedanken darüber zu machen, um wen es sich dabei handeln könnte. Trotzdem lege ich mein ganzes Vertrauen in diesen Menschen, so als wäre ich schon mein ganzes Leben an seiner Seite gewandert. Obwohl dieser besagte Jemand bereits seit mehreren Minuten unablässig auf mich einredet, fällt mir erst in diesem Moment auf, dass es sich um eine weibliche Stimme handelt.
"Du musst nur noch diese eine, weitere Tür öffnen."
Ja, so einfach ist das, was? Scheint wirklich leichter gesagt als getan zu sein, denn ich fuchtele unbeholfen und ein wenig verzweifelt mit meinen Händen vor meinem Körper, ohne den Befehl der unbekannten Frau zu hinterfragen. Auf der Suche nach einem weiteren Griff, der es mir ermöglicht, ihre Anweisungen auszuführen.
Hier ist keine Türschnalle, doch ungefähr 2 Meter vor mir ist eine Wand, die mir das Gefühl gibt, wirklich in einer Sackgasse gelandet zu sein. In einer Falle. Einem Käfig. Aber dann mache ich noch ein paar Schritte nach links und streiche mit meinen Fingern plötzlich über Holz, anstatt von der rauen Wand, die mich zuvor verunsichert hat. Ich übe ein wenig Druck auf das Holz aus und ein Klicken ist zu hören, dann kann ich die Tür tatsächlich öffnen.
Erleichterung überkommt mich, als jemand meine Hand nimmt und mich in eine Welt führt, in der ich endlich wieder etwas sehen kann. Da steht plötzlich Sophie vor mir und zieht mich immer weiter. Mal eine Treppe hoch. Dann eine andere hinunter. Das scheint ewig so weiter zu gehen, doch als ich frische Luft wahrnehme, weiß ich, dass wir bald an unserem Ziel angelangt sein werden.
"Sophie, was soll das? Wo gehen wir hin?", frage ich sie keuchend und völlig erschöpft.
Sie dreht sich erstmals zu mir um und sieht mir direkt in die Augen. Doch sie kichert nur schüchtern, wie ein kleines Kind und rennt vor mir davon. Ihr Lachen klingt genau wie das von Nathalie, aber ich bin nicht weiter verwundert, sondern nehme es wie eine einfache Tatsache hin.
"Halt! Warte!", rufe ich ihr hinterher, als ich mich erneut in Bewegung setze, um sie wieder einzuholen.
Sophie steigt die nächsten Stufen so schnell hinauf, dass es aussieht, als würde sie fliegen. Ich renne ihr hinterher, doch der Boden scheint glatt und vereist zu sein, sodass ich mehrmals ausrutsche, es aber immer noch gerade so schaffe nicht komplett hinzufallen. Irgendwie gelingt es mir trotzdem, diesen Anstieg zu erklimmen.
Auf einmal finde ich mich auf einem Bahnhof wieder und Sophie sitzt lachend auf einer der Bänke. Als sie mich entdeckt, springt sie erschrocken auf und sieht mich verängstigt an. Habe ich irgendetwas falsches getan?
"Erklärst du mir mal, was wir hier suchen? Wieso sind wir an dieser Station?", frage ich sie bemüht ruhig, obwohl ich deutlich verwirrt klinge.
Sophie schüttelt verzweifelt den Kopf und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Immer wenn ich einen Schritt auf sie zu mache, geht sie rückwärts einen Schritt von mir weg.
"Sophie? Sieh mich an. Ich bin's doch, Chloe. Wovor hast du Angst? Sag mir doch bitte, was los ist!" Meine Stimme zittert, denn es ist eindeutig, dass hier vieles nicht stimmt.
Plötzlich hören wir beide das Rattern, eines bald ankommenden Zuges und blicken in die selbe Richtung. Dann wirft mir meine beste Freundin einen abschätzigen Blick zu. Was versucht sie heraus zu finden? Bevor ich mir die Antwort auf diese Frage zusammen reimen kann, nimmt sie etwas Anlauf und springt dann schreiend auf die Schienen des Bahnhofs. Keine Sekunde vergeht, da entdeckt der Fahrer das Mädchen vor ihm und versucht panisch den Zug zum Stoppen zu bringen. Vergeblich. Trotz dem Quietschen der Bremsen und allen anderen Bemühungen, wird meine beste Freundin gerade unter den Rädern des Fahrzeuges begraben... Und ich tue nichts weiter, als den Blick abzuwenden und darauf zu warten, endlich aus diesem Albtraum zu erwachen...
–
Danke!

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Sternträumerin
Mystery / Thriller"Hoffnung ist nichts weiter als der jämmerliche, verzweifelte Wunsch, dass sich die Dinge doch noch zum Guten wenden. Manchmal ist es die Hoffnung, die dafür sorgt, dass wir am Leben bleiben und nicht ganz den Verstand verlieren. Aber viel zu oft wi...