Kapitel 8
Ich kann nicht glauben, dass er das gerade getan hat. Ich kann nicht glauben, dass wir uns wegen einem Klavier gestritten haben. Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich diesen Sonntag schon umziehen werde. Ich kann nicht glauben, dass Dad tot ist.
Meine Arme schmerzen immer noch ein wenig von der krampfhaften Haltung, zu der mich Onkel George vorhin gezwungen hat, aber ich versuche es zu ignorieren während ich auf meinem Bett liege und an die weiße, kahle Decke in meinem Zimmer starre. Es klopft an der Tür, aber ich reagiere nicht darauf. Mein Augen sind immer noch nach oben gerichtet, auch als mein Onkel schließlich mein Zimmer betritt, obwohl ich ihm die Erlaubnis dazu nie gegeben habe.
„Hey. Es tut mir leid“, sagt er und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Willst du eine Tasse Tee?“
Mein Blick wandert – ohne meinen Befehl – zu ihm hinüber und nimmt einen Mann mit Hundeblick war, der mir eine Tasse entgegen hält. Er wendet einen seiner Polizisten-Tricks gegen Schwerverbrecher bei mir an und jetzt kommt er mit einer einfachen Entschuldigung und Tee hereinspaziert, so als wäre damit alles wieder gut? Aber ich will mal nicht so sein. Ich mache auch Fehler. Er hat genau so wie ich in der letzten Zeit eine Menge durchgemacht. Wahrscheinlich versucht er einfach, alles irgendwie in den Griff zu kriegen – keine leichte Aufgabe – und ist verständlicher Weise überfordert.
„Ich verzeihe dir. Aber lass uns ein paar Dinge klären“, fange ich an. „Es ist nicht bloß ein 'blödes Klavier'. Du weißt jetzt, denke ich, wie viel es mir bedeutet, also verhalte dich nicht so als würde ich ständig über reagieren. Wir sitzen beide im selben Boot, von dem her bringen uns diese Streitereien rein gar nichts. Ich will jetzt nicht das unschuldige, kleine Mädchen spielen, das damit nichts zu tun hat, denn oft gehen diese Diskussionen ja von mir aus. Ich werde versuchen, mich zu beherrschen“, ich mache eine kurze Pause, beiße mir auf die Lippe und überlege, was ich noch sagen sollte. „Und ich will nicht umziehen und sehe auch keinen Sinn dahinter, wie du weißt, aber damit fange ich jetzt besser gar nicht an. Ich hab ja sowieso keine Chance gegen den großen, starken Polizisten.“ Ich schlage ihm leicht gegen den Oberarm, um klar zu machen, dass das ein komischer Satz von ihm war, und kann mir ein Lächeln abringen.
„Das mit dem 'leg dich nicht mit Polizisten an' klang schon irgendwie lächerlich, oder?“, fragte er grinsend.
„Ein bisschen.“ Jetzt grinse auch ich ein wenig.
„Wegen dem Umzug... Hör mal. Ich hab mittlerweile echt ein schlechtes Gewissen“ - sollte er auch haben. „obwohl es zu deinem Besten ist.“ - Ja ja. „Ich mache dir einen Vorschlag.“ Er legt noch eine kurze Pause ein, um der Ansprache mehr Dramatik zu verleihen. Die passende musikalische Untermalung – ein schnelles Stück für ein Streichorchester – beginnt in meinem Kopf zu spielen. „3 Monate. Sagen wir bis Mitte Februar. So lange wirst du auf jeden Fall mit uns nach Wennington kommen, wenn du dann immer noch zurück willst, werden wir einen Weg finden. Es ist also sozusagen ein Umzug auf Probezeit, einverstanden?“
Schockiert starre ich ihn an. Das kam unerwartet. Ich fühle bereits, wie die Last des Umzugs von mir weicht und der Erleichterung und Hoffnung Platz macht.
„Oh mein Gott, JA! Danke!“, schreie ich und falle ihm um den Hals.
„Nicht so stürmisch“, lacht er, nachdem er sich mit dem kompletten Tee angeschüttet hat – meinetwegen natürlich.
„Sorry.“
Sofort schreibe ich Sophie die neuen Informationen in einer kurzen SMS und ihre Antwort kommt kaum zwei Minuten später: 'AHHHHHHH! Ich bekomme meine beste Freundin doch zurück!!!!!!!!!!!'
Eine Weile „unterhalten“ wir uns noch auf diese Art und während dieser ganzen Zeit kann ich das Lächeln nicht aus meinem Gesicht wischen. Ich muss nur bis Februar durchhalten – das ist doch was! Es sind zwar ganze 3 Monate, aber besser als für immer. Oder zumindest besser als für die nächsten 2 Jahre. Wesentlich besser.
DU LIEST GERADE
Sternträumerin
Mystery / Thriller"Hoffnung ist nichts weiter als der jämmerliche, verzweifelte Wunsch, dass sich die Dinge doch noch zum Guten wenden. Manchmal ist es die Hoffnung, die dafür sorgt, dass wir am Leben bleiben und nicht ganz den Verstand verlieren. Aber viel zu oft wi...