Kapitel 9

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Kapitel 9

„Guten Morgen, Chloe“, weckt mich Onkel George am nächsten Tag.

Es ist gerade mal 7:14, als ich auf meine Uhr schaue. Ein Seufzer entwischt mir, bevor ich eine Begrüßung erwidern kann. Mein letzter Morgen hier – mein erster Tag in Wennington.

Nachdem wir alle meine Koffer in Georges Auto gequetscht haben, sitze ich noch ein letztes Mal am Frühstückstisch und trinke Tee. Alles ist erledigt, wir müssen nur noch bei Sophie stehen bleiben und ich muss mich verabschieden – eigentlich die schwierigste Aufgabe bei der ganzen Sache. Ich werde meine beste Freundin so lange nicht mehr sehen, da fällt einem so etwas immer schwer, oder? Kaum zu glauben, dass heute vor einer Woche die Tasse zerbrochen ist, die sie mir geschenkt hat – ob ich dieses Symbol gerade bloß als Metapher verwendet habe, kann ich selbst nicht so genau sagen. Erneut bilden sich Tränen in meinen Augen, als ich meine Gedanken weiter wandern lasse. Alles war gut bis letzten Sonntag. Alles hätte sich noch zum Guten wenden können. Alles hätte sich nur als ein böser Traum herausstellen können. Hat es aber nicht.

Wie unter Hypnose verlasse ich die einsame Wohnung, die immer noch den Duft meines Vaters in sich trägt, gehe hinunter auf den Parkplatz und steige dann schließlich in den Wagen ein. Ich habe die letzten 8 Jahre meines Lebens in diesem Haus verbracht. Schon eine verdammt lange Zeit, wenn man so darüber nachdenkt. Aber ich komme ja wieder.

Der Himmel ist von einer Herde Wolken bedeckt, die aussehen wie weiß-graue Schafe. Trotzdem ist die ganze Welt irgendwie in ein grelles Licht getaucht und ich muss meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen kneifen, wenn ich nach oben schauen will.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt auch Onkel George ins Auto und er legt eine Hand auf meine Schulter.

„Na, aufgeregt?“ Er schenkt mir ein trauriges Lächeln. „Es wird nicht so schlimm werden, wie du denkst. Bitte, sei mir nicht mehr böse. Ich werde mein bestes geben, um dir alles recht zu machen, okay?“

„Ja, schon kapiert“, murre ich wenig begeistert.

Als wir bei Sophie ankommen, ist es ganz still. Unheimlich still. Zu still. Ich hätte erwartet, dass sie schon ungeduldig im Wohnzimmer sitzt, aus dem Fenster starrt und dann, sobald wir parken sofort nach draußen stürmt. Das ist meine Sophie. Lustig, übermütig, fast immer gut drauf, lebensfroh, fürsorglich, selbstbewusst und ein wenig verrückt. Man nimmt all diese Zutaten, wirft sie in einen Topf und – voilà – schon hat man meine beste Freundin.

Ich steige aus, gehe zur Tür hin und läute die Türklingel, die ich seit wir uns kennen eigentlich kaum benützt habe.

„Oh, Chloe. Schön dich zu sehen!“, begrüßt mich bereits ihre Mutter, mit der gewohnten spanischen Artikulation, während sie spricht. Sie nimmt mich sofort in ihre Arme und drückt so fest zu, dass ich kaum noch Luft bekomme.

„Hallo. Ich freue mich auch, sie noch zu sehen“, lache ich. „Wo ist denn Sophie?“, frage ich, nachdem sie sich von mir gelöst hat.

„Ähm, du wirst es schon sehen, komm doch rein“, sagt sie und packt mich bereits beim Arm, um mich hinein zu zerren.

Ich drehe mich noch einmal um und sehe, dass Onkel George im Auto sitzt und lachend den Kopf schüttelt. Diese Frau ist vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber ich habe sie für ihre offene und nette Art von Anfang an in mein Herz geschlossen gehabt. Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, höre ich bereits aus dem Wohnzimmer Geflüster und aufgeregtes Gemurmel. Und sobald wir um die Ecke biegen, sehe ich lauter bekannte Gesichter, die gleichzeitig „Überraschung!“ rufen.

Alle meine „mehr oder weniger Freunde“ aus der Schule sind hier. Und Sophie natürlich. Sie kommt mir als erste entgegen und umarmt mich so fest, als würde sie mich nie wieder hergeben.

SternträumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt