4 Kapitel: ... Einschlafen konnte ich trotzdem nicht

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Zwei Tage später trafen sich Marie und ich tatsächlich wieder kurz vor Beginn der Zumba-Stunde vor der Sporthalle. Kaum zu glauben, wir kauften uns jeweils für 60 Euro eine 10er-Karte. So viel Tatendrang ... und das auch noch von mir ... mehr als ungewöhnlich.


Dieses Mal kamen wir recht gut mit. Viele Lieder kannte ich nun schon oder sie kamen mir zumindest bekannt vor. Die Schritte hatte ich immer noch nicht drauf, aber alles in allem klappte es viel besser als beim ersten Mal. Außerdem hatte ich mich gleich ganz nach links gestellt, dort wo kein Spiegel mehr an der Wand angebracht war. Von dort konnte ich alle anderen beobachten, aber meine ungeschickten Schritte musste ich nicht ertragen.

Am Ende der Stunde saßen Marie und ich schnaufend und schweißgebadet nebeneinander auf dem Boden und wechselten Sport- gegen Straßenschuhe aus.

Wir verabschiedeten uns vor der Halle und Marie stieg in ihr Auto.

»Und ich soll dich wirklich nicht nach Hause fahren?«

»Soll das ein Scherz sein? Ich wohne direkt um die Ecke. Durch die ganzen Einbahnstraßen bin ich zu Fuß garantiert schneller, wetten?«

»Okay. Komm gut nach Hause und schlaf gut!«


Ich kramte meinen MP3 Player aus meiner Jackentasche und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Der Weg reichte für zwei Lieder. Ich entschied mich für Coldplay, um etwas runterzukommen. Das war mein persönliches Workout. Ich drehte die Musik auf volle Lautstärke und summte leise mit. Mein Kontrastprogramm zum lateinamerikanischen Gezappel während der Zumba-Stunden. Bei Musik war ich echt nicht wählerisch. Hauptsache sie ging ins Ohr und konnte meine trüben Gedanken verscheuchen. Mir für kurze Zeit ein gutes Gefühl geben.

Ich erschrak fast zu Tode, als mich etwas von hinten antippte. Ich schnappte nach Luft und riss mir die Stöpsel hektisch aus den Ohren. Mein Herz raste wie verrückt.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe auch gerufen, aber du hast mich nicht gehört.«

Yvonne, die Trainerin, stand vor mir und lächelte mich an. Ich schaute wohl etwas gehetzt und skeptisch.

»Hab ich etwas vergessen?«, fragte ich misstrauisch.

»Nein, ich wollte fragen, ob ...« Sie griff sich mit der rechten Hand verlegen an den Nacken und schaute auf den Boden. »Naja ... ob du noch Lust hast was zu unternehmen? Vielleicht was trinken zu gehen oder so ...«

Wir schauten uns schweigend an.

»Ähm ...« Ich sah mich um. In solchen Situationen rechnete ich immer damit, dass irgendwo einige Leute saßen und auf meine Reaktion warteten, um mich dann auszulachen. Paranoid, ich wusste das. Aber dagegen machen konnte ich trotzdem nichts.

»Du weißt aber schon, dass ich gerade in deinem Zumba-Kurs war und ziemlich durchgeschwitzt bin. Ich muss dringend duschen.«

»Ja klar.« Sie wirkte etwas verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. »Vielleicht ein anderes Mal. Bis bald!« Dann drehte sie sich um und rannte wieder zurück. Ich blieb verdutzt stehen.


Was war denn das bitteschön?


Hatte sie nicht schon genug Fans, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten? Was wollte sie dann von mir? Ich ging ohne weiter Musik zuhören und mehr als verwirrt nach Hause. Verwirrung war nicht gut für mich. Mein ganzes Leben war Verwirrung und Chaos. Ein bisschen mehr und ich würde in die Klapse kommen. Ich war immer so nah an einem Abgrund. Nur wenige Millimeter trennten mich vom Fall. Ich konnte schon über die Kante schauen.

Ziemlich tief bergab ging's da.

Zu Hause angekommen schmiss ich den ganzen Sportkrempel erst mal in die Ecke. Da müssten auch noch die Einzelteile der Nachricht meines Vaters liegen. Dann nahm ich meine Gitarre zur Hand und spielte einige Akkorde. Das war wie Meditation für mich. Dazu summte ich eine Melodie, die ich mir ausgedacht hatte. Das beruhigte mich zumindest etwas. Richtig einschlafen konnte ich trotzdem nicht.

Mal wieder eine dieser Nächte, in denen ich mich schlaflos in meinen Kissen hin und her wälzte, weil mein Kopf einfach nicht aufhören wollte zu denken. Die schlimmen Erinnerungen und die Angst vor einer ungewissen Zukunft drohten mich manchmal zu übermannen.

Ich wusste, dass ich Hilfe brauchte.

Ich wusste auch, dass ich keine Hilfe annehmen würde.

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Ziemlich kurz, oder?

SORRY!

Vielleicht veröffentliche ich einfach diese Woche noch ein weiteres Kapitel :-) Mal sehen.

Ich freue mich über Kommentare! ;-)

Bis bald!


Katharina

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