26 Kapitel: ... Wie ein kleines Kind

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Nun hatte ich die Gewissheit. Es war Absicht gewesen. Pure, eiskalte Absicht. Und er würde es wieder tun. Er war so verdammt herz- und skrupellos, dass er seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut, ein weiteres Mal auf die gleiche Art und Weise verletzten würde. Ohne zu zögern. Er hatte den Topf in der Hand, genau wie vor 10 Jahren, und holte aus. Mir blieb keine Zeit mich zu wehren. Reflexartig drehte ich mich weg und versuchte mein Gesicht mit beiden Händen zu schützen.

Doch es geschah nichts.

Ich hörte das Plätschern des Wassers aber ich spürte nichts.

War ich tot?
Nein!

Ich drehte mich langsam um und sah Marie und Yvi, die zwischen mir und meinem Vater standen und ihn nun versuchten gemeinsam zu überwältigen und niederzuringen. Beide waren triefend nass. Sie hatten alles abbekommen. Das ganze Wasser. Das ganze heiße Wasser. Auf dem Boden war eine riesige Pfütze. Nicht ein Tropfen hatte mich gestreift. Yvi, Marie ... Was? Wieso?

Ich schwankte und sah auf einmal alles wie durch einen Schleier. Auch mein Gehör hatte sich plötzlich verändert, wie in Watte gepackt nahm ich alles um mich herum nur gedämpft wahr. Alles lief in Zeitlupe ab. Ich spürte nichts mehr. Mein Körper war gar nicht mehr da. Am Rande registrierte ich, wie die Tür eingetreten wurde und Polizeibeamte an mir vorbeistürmten. Einer streifte mich. Es war bestimmt nur ein Versehen. Trotzdem fiel ich fast hin, wurde aber von einem anderen Polizisten aufgefangen, der mich auf einen Stuhl setzte und wie wild auf mich einredete. Ich verstand kein Wort. Nur einzelne Töne kamen bei mir an. Ich sah ihn aber ganz klar und deutlich vor mir. Er hatte rote Haare und Sommersprossen auf Nase und Wangen. Er sah irgendwie aus wie das Sams. Nur eben in Polizeiuniform. Ich lächelte ihn an. Immerhin war er so nett, mir auf einen Stuhl zu helfen. Er versuchte ja auch sehr bemüht mit mir zu sprechen, auch wenn ich ihn nicht verstehen konnte. Außerdem sah er aus wie das Sams und das kam ja bekanntlich nur samstags und heute war Mittwoch. Oder Donnerstag? Yvi und Marie standen nun auch vor mir. Auch ihre Lippen bewegten sich ohne Unterlass. Ihre Haare waren nass. Maries Wimperntusche lief ihr die Wangen hinunter. Das alles war so weit weg. Warum waren denn alle so weit weg, obwohl sie genau hier vor mir standen?

»Was macht ihr eigentlich hier? Es ist doch gar nicht Samstag.«  Hörte ich mich noch ganz leise selbst sagen. Meine Stimme hörte sich seltsam an. Rau und lallend.

Dann wurde alles schwarz.

Im Krankenhaus bekam ich Beruhigungsmittel und noch allerhand anderes Zeug eingeflößt. Ich war ja aber eigentlich nicht verletzt. Ich musste also nicht lange das Krankenbett hüten.

Ich sprach bei einer Psychologin vor und musste ihr hoch und heilig versprechen, sie nun regelmäßig aufzusuchen. Sie diagnostizierte eine »Akute Belastungsreaktion« also umgangssprachlich: Einen Nervenzusammenbruch. Das sei wohl normal wenn man etwas erlebte, was die menschliche Psyche nicht so einfach verarbeiten konnte. Nun gut. Es war offiziell: Ich war irre, hatte einen Dachschaden und Psychodoktor war auch wieder angesagt. Na Bravo!

Marie und Yvi waren übrigens auch nicht wirklich stark verletzt. Beide hatten einiges an Abschürfungen und Prellungen abbekommen, als sie meinen Vater niedergerungen hatten. Den Rest hatte ja dann zum Glück die Polizei übernommen, die Marie kurz bevor sie zu uns in die Wohnung kam, noch gerufen hatte.

Kluger Schlachtzug!

Das Wasser war Gott sei Dank nur warm gewesen und nicht kochend heiß. Ogott, wenn es kochendes Wasser gewesen wäre ... ich wollte gar nicht daran denken. Alleine der Gedanke daran machte mich wahnsinnig und bescherte mir Bauchschmerzen.

Am nächsten Tag verließen wir alle gemeinsam das Krankenhaus. Wir gingen geschlossen zu Yvi nach Hause. Zu mir wollte niemand. Vor allem wollte ich da nicht hin. Zu viele schlimme Erinnerungen!
Und Marie wollte einfach bei mir sein und ließ sich nicht abwimmeln. Sie machten sich beide Sorgen um mich. Berechtigte?
Wir tranken gemeinsam noch jeder eine Tasse Tee und redeten dabei nicht viel. Manchmal war Schweigen wirklich Gold.

Als ich gähnte und meine Augen kaum mehr offen halten konnte, brachten mich Marie und Yvi gemeinsam ins Bett. Wie ein kleines Kind wurde ich von ihnen zugedeckt. Sie setzten sich beide auf den Rand des Bettes und unterhielten sich dort leise. Yvi streichelte mir ab und an über den Kopf und Marie hielt meine Hand.

Ihr leises Reden war beruhigend. Und so konnte ich tatsächlich langsam in einen erholsamen Schlaf abtauchen. Hoffentlich würde ich von Alpträumen verschont werden.
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Grüße aus Berlin!
Hab das Kapitel mit dem Handy bearbeitet und hoffe, dass mir nicht all zu viele Fehler entgangen sind :-)

Wir nähern uns immer mehr dem Ende :-(
Bleibt mir treu

Katharina

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