24 Kapitel: ... Teuflisch

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»Was ist denn das hier für ein Durchgangsverkehr? Sind wir hier am Frankfurter Hauptbahnhof oder was?«, brüllte er und kratzte sich dabei wie wild über sein schütteres Haar. Der Frankfurter Hauptbahnhof wäre ihm garantiert lieber, das glaubte ich ihm sofort. Drogen, Rotlicht-Milieu und ein MC Donalds. Das mit dem Kochen wurde heute ja eh nichts mehr. Zumindest hatte er den Kochtöpfen bislang keine weitere Beachtung mehr geschenkt.

Er riss die Tür ein weiteres Mal auf und bevor er irgendwelche Fragen stellen konnte, stürmte Marie in die Wohnung. Das durfte doch jetzt echt nicht wahr sein.

»Hell? Ich hab mir Sorgen gemacht. Was ist hier los?«

Die Tür fiel ins Schloss und mein Vater drehte den Schlüssel um. Nun waren wir hier alle drei gefangen. Na super!

»Hier war also noch ein flotter Dreier geplant, was? Interessant!« Er musterte uns alle drei. »Da ist ja wirklich für jeden Geschmack was dabei.«

Mir war schlecht.

Er zündete sich eine Zigarette an und begann nun auch damit, seine Drogen zu präparieren. Den Glimmstengel balancierte er dabei weiter zwischen den Lippen.

»Ihr könnt euch ja schon mal in Stimmung bringen. Ich bereite mich damit vor.« Er schwenkte das Beutelchen mit den Drogen. Wahrscheinlich Heroin oder so etwas in der Art. »Aber ja keine Spielchen, ich hab immer noch die hier.« Er zeigte mit einem Kopfnicken auf seine Pistole, die er sich in seinen Hosenbund geschoben hatte. Wieder ertappte ich mich bei dem Wunsch, sie möge doch einfach losgehen. Hatte er sie nicht vorhin entsichert? Jetzt ein gezielter Schuss direkt in die Weichteile ...

»Warum seid ihr hergekommen?« Ich flüsterte es nur leise, mehr zu mir selbst als zu Marie und Yvi. Ich hatte immer noch kaum genug Puste, um einen zusammenhängenden Satz von mir zu gegeben.

»Weil wir uns Sorgen gemacht haben.« Marie strich mir kurz über meinen Unterarm. Toll, und jetzt? Jetzt waren wir hier alle drei mit diesem Irren eingesperrt, der sich gerade sein Heroin auf einem Löffel erhitzte, während im Hintergrund eine Tomatensoße munter vor sich hin blubberte und wahrscheinlich schon längst angebrannt war. Daneben stand ein großer Topf mit Nudelwasser. Leider ohne Nudeln. Die hatte der Herr in der Hektik wohl vergessen.

»Muss das denn hier sein?« Ich wollte das nicht sehen. Genau das waren die Bilder, die ich seit Jahren versuchte aus meinem Kopf zu bekommen: Mein Vater mit der Nadel im Arm, total breit auf dem Boden liegend. Nett von ihm, dass er die Erinnerung wieder auffrischen wollte. Er zog sich gerade mit Hilfe seiner Zähne, eine Schlinge um den Oberarm zu und griff mit der einen freien Hand sofort nach der Pistole.

»Ja das muss sein. Bleib weg von mir.« Er setzte die Spritze an und drückte sich das Zeug in die Vene. Sein ganzer Arm war voller Einstiche, Narben und entzündeter Wunden. Nachdem er die Spritze wieder herausgezogen hatte, löste er die Schlinge um den Arm und sackte in seinem Stuhl zusammen. Es sah fast so aus, als würde er schlafen. Ich hatte sogar kurz Hoffnung, dass ihn einfach der Schlag getroffen hatte. Aber dann sprang er auf einmal auf und fuchtelte wieder mit seiner Waffe herum.

»So, Kleine.« Er meinte wohl mich. »Was ich eigentlich von dir brauche, und was du mir auch geben wirst, ist ein Alibi. Ein wasserfestes Alibi. An dem Tag, an dem deine Mutter gestorben ist, da war ich mit dir und«, er zeigte mit der Waffe auf Yvi und Marie. »Und deinen beiden Betthupferln hier, im Kino oder ...« Er kratzte sich wieder mit der Pistole am Kopf. Es müsste sich doch nur in diesem Moment ein Schuss lösen. Warum konnte ich nicht einmal Glück haben?

Als würde er sich selbst wieder an die Pistole erinnern, schaute er sie sich total entgeistert an.

»Ach, die muss ich ja auch noch irgendwie verschwinden lassen.« Er lachte wie von Sinnen. Marie und Yvi erschraken um einiges mehr als ich. Ich hatte es eigentlich schon die ganze Zeit gewusst und von Anfang an geahnt.

»Sie waren das, sie haben Hells Mutter umgebracht?« Marie ging einen Schritt drohend auf ihn zu.

»Komm mir nicht zu nahe!« Er holte mit der Knarre aus und wollte Marie damit wohl eins überziehen. Sie wich aber rechtzeitig zurück. Das konnte ich nicht mehr auf mir sitzen lassen. Das war mein Kampf. Das war meine beste, meine einzige Freundin!

Ich stellte mich todesmutig zwischen Marie und meinen Vater. Wo kam denn nur dieser Funken an Mut und Aufmüpfigkeit her?

»Rühr meine Freunde nicht an." Es klang nicht ganz so selbstsicher, wie ich es mir erhofft hatte. Mir fehlte einfach die Luft dafür und mir war schwindelig.

Ein Schub an Mut und eine gehörige Portion Wahnsinn, ließen mich jedoch noch einen weiteren Schritt auf ihn zugehen. Ich war in dem Moment, als ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck und seine von den Drogen blutunterlaufenen, glasigen Augen sah, fest davon überzeugt, ihm einfach die Waffe aus der Hand nehmen zu können.

Seine Reaktionen waren aber immer noch erstaunlich schnell und er tat etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Immerhin hatte er doch eine Waffe in der Hand. Er hätte mich einfach erschießen können. Das wäre doch das Einfachste gewesen.

Aber nein.

Er drehte sich in einer fließenden Bewegung um und packte sich den Griff des Topfes, der hinter ihm auf dem Herd stand. Ich sah dabei seinen Gesichtsausdruck, der so teuflisch war, dass er mich an etwas erinnerte und direkt zehn Jahre zurückversetze ...

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Weil das letzte Kapitel so kurz war, gibt es diese Woche gleich noch eins! Wir nähern uns langsam dem Ende ;-)

Oh Mann ... jetzt wirds eklig!


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