12 Kapitel: ... Ich ließ es zu

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Ich saß mal wieder an meinem Stammplatz in der Karaoke-Bar. Vor mir zwei Gläser Jacky-Cola. Auf einem Bein stand es sich so schlecht. Auch Marie hatte endlich ihren Longdrink bekommen. Einen Batida-Ananas, was ich persönlich ziemlich pervers fand. Noch süßer ging es ja nun wirklich nicht. Allein der Gedanke daran verschaffte mir eine Ekel-Gänsehaut. Ich trank einen großen Schluck und versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Gehetzt wischte ich mit meinen verschwitzten Handflächen über meine dunkelgraue Jeans. Dann starrte ich Marie erwartungsvoll an. Sie hatte immer noch nichts erzählt und das war pure Absicht. So gut kannte ich sie bereits.

»Mensch Marie, erzähl halt!«, platzte es aus mir heraus.

»Keine Hektik.« Sie zog einmal lange und genießerisch an ihren Strohhalm und schaute mich dann betont desinteressiert an. Ich fischte in meinem Glas nach einem Eiswürfel, den ich nach ihr warf. Volltreffer in ihr Dekolleté. Sie schrie auf.

»Ich liebe es, dich zur Weißglut zu bringen«, lachte sie und kramte mit der rechten Hand in ihrem BH. »Aber bevor du mich verprügelst ... bleib ruhig! Keine Eifersuchtsszenen hier.«

Ich kniff meine Augen zu verärgerten Schlitzen zusammen. Aber davon ließ sich Marie natürlich nicht beeindrucken und grinste nur noch mehr. »Hell, hör mir einfach zu. Von dem Moment an, als wir das Café betraten, bis zu dem Moment, als jeder von uns seinen Milchkaffee bezahlte, haben wir nur über dich gesprochen.«

Mir klappte der Mund auf und ich schnappte wie ein Fisch an Land nach Luft.

»Bitte was?«

»Zuallererst sollte ich ja sauer auf dich sein. Da muss ich von ihr erfahren, dass du eine Verehrerin hast.«

Ich sagte nichts.

»Naja, auf jeden Fall hat sie mich um Rat gefragt, ich würde dich ja besser kennen und so. Sie hat Angst dich zu verschrecken. Ich sagte ihr daraufhin, dass diese Angst durchaus berechtigt sei.« Marie kannte mich gut. »Ich konnte ihr ja nicht wirklich viel erzählen oder raten. Ich hab gesagt, sie soll am Ball bleiben! Ich hoffe, das ist okay für dich.«

Nun schaute ich Marie doch etwas schockiert an. Hatten sie sich denn nun beide gegen mich verschworen?

»Aber Marie«, seufzte ich und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht ...«

»Hell, sag nicht gleich nein. Ich glaube, dass dir so was ganz gut tun könnte. Jemand, der es ehrlich mit dir meint. Der wirklich Interesse an dir hat. Du hast bis jetzt keinem Typen die Chance gegeben, vielleicht steht dir eine Frau einfach besser. Bitte gib ihr nicht gleich einen Korb.« Marie faltete die Hände in einer bittenden Geste und schaute dann plötzlich hektisch auf ihre Armbanduhr. »Ach ja, bevor du es dir anders überlegst ... Einen Tipp habe ich ihr dann doch gegeben.«

In dem Moment sah ich, dass Yvi die Bar betrat und sich suchend umblickte. Als sie mich sah, erhellte sich ihr Gesichtsausdruck und sie kam schnurstracks auf unseren Tisch zugeeilt.

»Hi.«

»Hi.«

Okay, an unserer Begrüßung mussten wir echt noch arbeiten. Ich starrte verlegen auf mein Getränk und schwieg wie immer etwas überfordert. Yvi setzte sich auf den einzigen freien Stuhl neben Marie, was mir zumindest ein wenig räumliche Distanz erlaubte. Die beiden fingen auch direkt ein Gespräch an. Sie schienen sich ja echt gesucht und gefunden zu haben. Ich versuchte der Konversation zu lauschen, was nicht einfach war bei der Lautstärke, die hier herrschte. Einzelne Wortfetzen kamen bei mir an. Nichts, was Sinn ergab. Meine Gedanken wirbelten wie wild durch mein Hirn, gemischt mit dem Gesang eines untalentierten, dicken Typen, der sich mit ›I belive I can fly‹ von R Kelly abmühte und kläglich scheiterte. Ich stürzte meinen Longdrink hinunter und orderte vorsichtshalber direkt den Nächsten. Bloß nicht zu lange auf dem Trockenen sitzen.

Was sollte ich denn tun? Ich konnte doch nicht einfach hier schweigend sitzenbleiben und weiter meinen Strohhalm anstarren. Ich musste doch etwas sagen, mich bemerkbar machen. Mich irgendwie am Geschehen beteiligen? Über was die beiden wohl sprachen? Allein die Tatsache, dass ich mir hier den Kopf zerbrach, bewies doch schon, dass mir Yvi nicht egal war. Denn normalerweise war es mir mehr als schnuppe, was andere Leute von mir dachten. Und das ärgerte mich schon wieder. Ich wollte das nicht. Diese Abhängigkeit.

Plötzlich stand Marie auf und ging Richtung Toilette. Das weckte mich aus meinem grüblerischen Trance-Zustand und versetzte mich in Panik. Ich schaute von meinem Getränk auf und blickte direkt in Yvis Augen. Sie hatte die Chance genutzt und sich auf Maries Platz gesetzt. Weggegangen Platz vergangen – oder wie ging der Spruch noch gleich?

Und jetzt?

»Hi«, begrüßte ich sie völlig unnötig ein weiteres Mal. Yvi lächelte.

Dann tranken wir beide schweigend und hörten drei Mädels zu, die sich mit ›Wannabe‹ von den Spice Girls blamierten. Danach sang ein Typ ›Suspicious Mind‹ von Elvis und ich summte mit. Und als dann noch eine aufgetakelte Blondine Whitney Houstons ›One Moment in time‹ zum Besten gab, trällerte ich schon kräftig mit. Auch Yvi wurde von der guten Stimmung mitgerissen und ich sah im Augenwinkel, dass auch sie mitsang. Das  zauberte ein winziges Grinsen auf meine Lippen. Ganz klein und unauffällig, aber trotzdem unaufhaltsam.

»Willst du nicht auch? Also auf der Bühne etwas singen?«, fragte sie mich in einer kurzen ruhigen Pause zwischen zwei Liedern?

»Heute nicht«, gab ich kleinlaut zurück. Das wäre mir momentan irgendwie peinlich gewesen.

»Schade«, sagte sie und lächelte mich an. Sie hatte auffällig gerade und weiße Zähne, fiel mir auf. 

Marie kam nach einer unglaublich langen Zeit vom Klo zurück – ich hatte schon Angst, sie wäre vielleicht reingefallen – und schaute uns beide kurz skeptisch an. Dann orderte sie noch mal Getränke für uns drei. Sehr aufmerksam, die Gute.

In dem Moment spürte ich, wie Yvi unterm Tisch nach meiner Hand griff. Erst erschrak ich und riss die Augen weit auf. Ich glaube sogar, dass sich mein Gesicht knallrot färbte.

Aber ich ließ es trotzdem zu.

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BÄM... langsame Schritte, aber sie gehen zumindest in die richtige Richtung.

Händchenhalten... Cute, oder?

Einige von euch hatten ja tatsächlich in die richtige Richtung gedacht. Marie wurde natürlich nur als Informationsquelle ausgenutzt :-) Aber das macht ihr glaube ich recht wenig aus. 

Nächste Woche gehts weiter. Bleibt Hell treu ;-)

Grüße

Katharina


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