Ich fühlte mich gut. Irgendwie, wie neu geboren. Befreit. Eine riesige, tonnenschwere Last war über Nacht einfach von mir gefallen. Ich hatte solche Angst vor diesem Moment gehabt. Dem Moment, wenn ich mich jemandem offenbaren würde. Jemandem, der mir wichtig war.
Als wir morgens aufwachten, lagen wir eng aneinander gekuschelt da. Allein das war schon Premiere genug. Ich schreckte nicht zurück. Wir wussten, dass der andere wach war und trotzdem war der Moment einfach zu schön. Zu schön, um sich zu bewegen. Fast heilig. Zumindest für mich. Sobald der erste die Augen öffnen und sich rühren würde, wäre der Moment vorbei.
Später stand Yvi auf und machte Kaffee. Mit zwei Tassen bewaffnet kam sie wieder ins Schlafzimmer zurück. Sie trug eine Hotpants und ein Spaghettiträger Top. Ich hatte immerhin eine Unterhose und einen knappes Bustier an. Ich zog mir die Decke bis zum Kinn. Jetzt bei Tageslicht, war alles nicht mehr so einfach wie in der gestrigen Dunkelheit. Aber Yvi ließ mir keine Chance mich wieder zurückzuziehen oder einzumauern. Sie schob die Bettdecke auf die Seite und wollte sich meinen Körper noch mal bei Licht anschauen. Es erforderte mehr als nur Willenskraft, meinem Fluchtreflex zu widerstehen. Ich schaute aus dem Fenster. Ziemlich grau da draußen, wolkig und neblig. Irgendeine Ablenkung wäre jetzt gut gewesen.
Yvi fuhr mir mit den Fingern über meinen linken Oberschenkel, dann über den Bauch. Mein Gesicht musste in dem Moment knallrot gewesen sein. Zumindest glühten meine Wangen.
»Hell, ich bin mir sicher, dass du es schlimmer empfindet als es in Wirklichkeit aussieht.«
Ich schaute sie skeptisch an.
»Es sieht echt gar nicht so böse aus. Man sieht, dass es auf der linken Seite schlimmer ist als rechts. Da sind die Narben irgendwie anders gefärbt, aber rechts kann man es ja kaum mehr sehen.«
Das war zumindest Yvis Meinung. Und ich war so froh darüber. Ich wollte ihr glauben. Es fiel mir so schwer. Aber ich wollte ihr so unglaublich gerne glauben. Ich hatte solche Angst, sie würde sich ekeln, mich einfach hässlich finden.
Aber jetzt.
Ich war in einer Beziehung. Einer richtigen Beziehung. Okay. Mit einer Frau. Aber was soll's ... Es war echt!
Ich lief pfeifend nach Hause und freute mich schon auf meine Gitarre. Ich war in Spiellaune. Doch als ich vor meiner Wohnungstür stand, kam mir irgendetwas seltsam vor. Hatte ich vergessen das Licht auszuschalten? Was waren das für Geräusche?
Mit klopfendem Herzen betrat ich den Flur und erstarrte vor Schreck.
Da stand ein Mann, in meiner Wohnung und ... er kochte?
»Dad? Was machst du denn hier?" War ich denn nun vollkommen Irre? Warum genau hatte ich mich nicht direkt umgedreht und war abgehauen?
»Hey Helena, ich koche.«
»Das sehe ich. Wie bist du hier reingekommen?« Ich versuchte ruhig zu klingen und der Panik, die sich langsam in mir hocharbeitete, keine Chance zu geben.
»Das war einfach. Das alte Schloss kannst du mit jeder Kreditkarte knacken.«
Ich drehte mich um und überlegte gerade, wieder zu gehen. Schnellstmöglich wieder zu verschwinden und diesem Wahnsinn aus der Ferne ein Ende zu bereiten. Vielleicht die Polizei rufen, wenn ich bei Martie war, oder bei Yvi. Hier würde ich zumindest keine Minute länger bleiben.
In dem Moment hörte ich ein Klicken. Ein gefährliches Klicken, das ich bislang nur aus Krimis kannte.
Langsam drehte ich mich wieder zu ihm um. Da stand tatsächlich mein Vater und er zielte mit einer Pistole auf mich. Ich schluckte. Er hatte etwas beängstigendes an sich. Etwas Irres.
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Like Hell
Ficção AdolescenteAbgeschlossen! Hell ... Den Namen hatten sich irgendwann meine Klassenkameraden ausgedacht. Er würde wohl besser zu mir passen als Helena. Helena, hatten wir einmal in der Schule gelernt, bedeutete so viel wie ›die Schöne‹ und ›die Strahlende‹. Ich...