9 Kapitel: ... Mein Kopf ist leer

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Bis dahin war ich der festen Überzeugung gewesen, dass dieser Abend das Seltsamste war, was ich je erlebt hatte. Nicht das Gruseligste oder Schrecklichste, aber doch irgendwie verwirrend.

Wir hatten einen Abend miteinander verbracht, der meines Erachtens nach echt lahm war, aber sie hatte ihn anscheinend genossen und wollte sich sogar wieder mit mir treffen. Das sollte mal einer verstehen.

Wer war denn hier die Irre von uns beiden?

Als am nächsten Tag mein Handy klingelte und Yvi mich anrief, wollte ich anfangs gar nicht rangehen. Ich starrte das vibrierende Teil auf meinem Schreibtisch skeptisch an und zweifelte an meinem Verstand. Warum rief sie mich an? Wir hatten uns doch erst gestern gesehen. Es gab verdammt noch mal keinen vernünftigen Grund dafür, warum sie mich jetzt schon wieder sprechen wollte! Keinen!

Beim zweiten Anruf nahm ich dann doch ab. Das war ja hier kein Kindergarten. Und ich würde ja auch erst dann wissen, was sie von mir wollte, wenn ich genügend Eier in der Hose hatte und das Telefonat entgegennahm. Ich schnaufte einmal durch und drückte dann den grünen Hörer auf dem Display. Warum genau war ich eigentlich so aufgeregt? Oh damn ... warum tat ich mir das an?

»Ja?«

»Hi Hell, gehts dir gut?«

»Mmh«, brummte ich bejahend.

»Gut, hast du heute Abend Zeit?« Ich hörte sie durch das Telefon lächeln.

»Ähm...«, gab ich wenig intelligent von mir.

»Ich habe zwei Konzertkarten ergattert. Für eine echt coole Punk-Band. Das Konzert ist schon seit Monaten ausverkauft aber eine Bekannte von mir ist krank geworden und naja ... ähm ... hast du Lust?«

Schweigen.

»Hell, bist du noch dran?«

»Ja. Ähm, warum? Also warum fragst du mich? Du hast doch bestimmt noch andere Freunde, die vielleicht etwas unterhaltsamer sind.«

»Ich würde aber gerne mit dir hingehen.«

Schweigen.

»Treffen wir uns um 19 Uhr vor der großen Halle?«

Schweigen.

»Hell?«

»Okay, okay ...«

»Ich freu mich! Bis dann.«

Tut tut tut.

Ich hielt das Handy noch ziemlich lange gegen mein Ohr gepresst. Zu durcheinander, um zu verstehen, was da gerade passiert war. Erlaubte sich Yvi einen Scherz mit mir?

Ich öffnete meinen Pferdeschwanz und fuhr mir ein paar Mal wild mit den Händen durch die Haare, bis sie mir in alle Richtungen abstanden. Dann schnappte ich mir meine Gitarre und spielte einige Lieder von Metallica. Aber selbst Nothing Else Matters konnte mich nicht wirklich beruhigen. Aus unerfindlichen Gründen war ich ein Nervenbündel und meine Hände zitterten.

Als ich aus der Straßenbahn stieg und mich dem Haupteingang der Konzerthalle näherte, wurde ich immer nervöser. Wahrscheinlich, weil ich aus diesem Mädel einfach nicht schlau wurde, die Situation mich im Allgemeinen überforderte und ich mich nicht erinnerte, jemals zu etwas eingeladen worden zu sein. Also zumindest noch nie zu einem Konzert.

Yvi fiel mir sofort auf. Ihre kinnlangen blonden Haare hatte sie sich mit Gel oder Wachs wild gestylt. Sie trug eine weite Jeans und eine braune Lederjacke. Sie schaute sich um und schien auf mich zu warten. Ich lief zu ihr und blieb dann unentschlossen vor ihr stehen, beide Hände behielt ich in den Hosentaschen. Wie sollte ich sie denn begrüßen? Handschlag? Umarmung? Bussi, Bussi? Nein, lieber nicht. Keine unnötigen Berührungen. Ich hielt vorsichtshalber einen Meter Abstand.

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