So ... es war nun genau eine Woche her.
Eine! Verdammte! Woche!
Vor sieben Tagen stand ich mit Yvi vor meiner Haustür und versuchte mich daran zu erinnern, wie man regelmäßig ein- und ausatmete. Keine Selbstverständlichkeit bei so einem psychischem Wrack wie mir.
Sie war also in mich verliebt, hatte sie mir auf fast schon schüchterne Art und Weise gestanden. Erst war ich einfach nur erschrocken und konnte den Sinn ihrer Worte und deren Konsequenz nur schwer erfassen. Später kamen Zweifel dazu.
Warum ich?
Ganz ehrlich? Ich glaubte ihr nicht.
Ich war weder besonders nett zu ihr gewesen, noch hatte ich ihr irgendwie schöne Augen gemacht oder so. Wir hatten doch kaum ein Wort gewechselt! Da waren doch so viele andere um sie herum. So viele normale Mädchen, die nicht so kaputt waren. Ich verstand es nicht. Es war schlichtweg unlogisch und vollkommen absurd. Außer Yvi hatte einen seltsamen Fetisch für gestörte Mädels ohne Selbstbewusstsein und einem Hang zum Selbsthass. Weil darin war ich super. In Sachen Sozialkompetenz hingegen war ich eine Niete.
Also was zum Geier wollte sie von mir?
Marie ging mir seit Tagen auf die Nerven. Immer wieder fragte sie mich, warum ich nicht mehr in Zumba gehen wollte. Sie wusste zwar, dass ich mit Yvi auf einem Konzert war. Mehr hatte ich ihr allerdings nicht erzählt. Sie ahnte, dass etwas vorgefallen war. Marie war ja nicht blöd. Und es verwirrte sie, dass ich ihr offensichtlich etwas Wichtiges nicht erzählte. Ich konnte es mir ja selbst nicht erklären. Ich vertraute ihr normalerweise wirklich so gut wie alles an.
Das Doofe war: Ich wollte ja unbedingt in Zumba. Es machte mir wirklich Spaß und ich vermisste das Tanzen und die Musik. Aber ich konnte mich nicht überwinden. Ich war nicht stolz darauf, so feige zu sein. Aber ich hatte schlichtweg Angst. Angst vor dem, was mich erwartetete. Vor dem Unbekannten.
Heute wäre wieder ein Kurs gewesen. Verdammt!
Ich schleppte mich müde und genervt von mir selbst von der Straßenbahnhaltestelle nach Hause. In der Videothek war mal wieder nichts los gewesen. Nicht ein Kunde. Aber gerade momentan wünschte ich mir nichts sehnlicher als Ablenkung. Ich wollte über das Ganze nicht nachdenken. Es belastete mich und bereitete mir Bauchschmerzen. Wirklich! Mir war regelrecht schlecht. Seit Tagen bekam ich kaum etwas Essbares herunter. Aber was sollte ich dagegen tun? Wie konnte ich das Problem aus der Welt schaffen? Denn - so realistisch war ich - Yvi einfach zu ignorieren, war keine Lösung. Zumindest nicht auf lange Sicht.
Ich bog um die Ecke und malte mir gerade aus, wie ich den restlichen Abend zu Hause verbringen würde ... Da stand plötzlich Yvi vor mir. Mir entwich ein erschrockener Ton und ich hielt mir mein rasendes Herz. Ich wäre fast in sie hineingerannt.
Es gab keine Möglichkeit ihr aus dem Weg zu gehen oder unbemerkt wieder abzuhauen.
Da musste ich nun wohl durch.
Ich rieb mir resignierend über die Schläfen, die Augen und durch die Haare. Dann schaute ich sie verlegen von unten an. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie einige Zentimeter größer war als ich. Einschüchternd. Einschüchternd war auch ihr Gesichtsausdruck. Yvi sah sauer aus.
Oh nein, bitte keinen Streit. Ich war in Streitgesprächen noch schlechter als in normalen Gesprächen.
»Hier bin ich«, sagte ich sinnloserweise, denn das hatte sie wohl oder übel schon registriert. Sie sah nun nicht mehr so wütend aus, eher enttäuscht, vielleicht auch traurig.
»Es ist unfair, wenn du mir aus dem Weg gehst«, seufzte sie und weckte dadurch wieder das schlechte Gewissen in mir. Ich wusste das natürlich. Ich wusste, dass ich mich unfair und mehr als unreif verhielt. Trotzdem schwieg ich. Ich wusste nicht, was ich zu meiner Verteidigung hätte sagen sollen. »Hell, du bist doch wirklich kein Kind von Traurigkeit. Auf jeder Party sehe ich dich mit einem anderen ...«
Wenn sie wüsste ... Wenn sie wüsste, wie sehr ich mich jedes Mal danach hasste. Ich konnte es mir ja selbst nicht erklären, warum ich überhaupt irgendwelche Typen mit mir rumknutschen ließ. Warum das funktionierte, aber ich nicht mal dazu in der Lage war jemanden zu umarmen oder die Hand zu geben. Ich hatte noch nie mit jemandem geschmust, bin noch nie gestreichelt worden. Noch nie hatte ich mich jemandem nackt gezeigt.
»Warum lässt du jeden an dich ran, nur mich nicht?«, schloss Yvi ihre Anschuldigungen.
»Das stimmt nicht! Ich lasse niemanden an mich ran. Niemanden!« Ich wurde für meine Verhältnisse ziemlich gesprächig und laut. Warum rechtfertigte ich mich überhaupt? »Das auf den Partys, das ist ... das ist nichts. Nicht der Rede wert. Nur ein bisschen Bestätigung und ... ach ... ich weiß ja auch nicht.« Jetzt schämte ich mich. Ich versteckte mein Gesicht in meinen Händen. Das klang so schrecklich billig. Das war ich doch gar nicht. Was gab ich eigentlich für ein Bild ab?
»Ach Hell, wir müssen doch nichts überstürzen: Lass uns doch einfach als Freunde starten und schauen, was daraus wird. Ab und an mal was trinken gehen oder ins Kino ... das ist doch ein Anfang. Aber geh mir bitte nicht mehr aus dem Weg. Dann gib mir lieber direkt einen Korb. Damit kann ich besser umgehen.«
Ich nickte und hatte dabei irgendwie ein ungutes Gefühl. Das wäre der Moment gewesen. Ich hätte die ganzen Sache mit einem klaren ›Nein‹ beenden können.
Doch ich sagte nichts.
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Wow, schon wieder Montag :-) Wie die Zeit vergeht ... Schon 10 Kapitel! Ein kleines Mini-Jubiläum ;-)
*Konfetti-werf*
"Like Hell" ist zwar auf Wattpad kein "Bestseller" (Ist halt leider keine One Direction-Story) aber ich freue mich, dass es mittlerweile doch schon ein paar Leute gibt, die regelmäßig vorbeischauen und sich für die Geschichte von Hell interessieren :-)
Danke dafür!
Bis nächste Woche :-*
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Like Hell
Teen FictionAbgeschlossen! Hell ... Den Namen hatten sich irgendwann meine Klassenkameraden ausgedacht. Er würde wohl besser zu mir passen als Helena. Helena, hatten wir einmal in der Schule gelernt, bedeutete so viel wie ›die Schöne‹ und ›die Strahlende‹. Ich...