Kapitel 5

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Ich saß auf meinem Bett und starrte durch mein schon so gut wie leergeräumtes Zimmer. Vor wenigen Minuten hatte ich die letzte Kiste fertig gepackt. Es fühlte sich erleichternd, doch unglaublich schmerzhaft an, denn heute war der letzte Tag, an dem ich George noch einmal besuchen gehen konnte.

Ich hatte Angst.
Verdammt Angst davor, ihn dieses eine letzte Mal zu sehen, in dem unwissenden, ob ich ihn je wieder sehen und nicht da zu sein, wenn er aufwachen würde.

Nick betrat mein Zimmer, er schaute mich an.
,,Du bist stärker als du denkst'' widmete er mir aufbauende Worte.
,,Bin ich das?'' flüsterte ich vor mich hin.

Ich war so sehr mit Gedanken an George verloren, dass mir erst gerade bewusst wurde, dass ich nicht nur ihn, sondern auch meinen besten Freund zurückließ. Ruckartig stand ich auf und schaute ihn an. Ohne ein Wort zu sagen lief ich auf ihn zu und umarmte ihn.

,,Danke.''
,,Wofür?'' fragte er, während er ohne zu zögern die Umarmung erwidert hatte.
,,Alles.''

Nachdem ich mich aus der Umarmung gelöst hatte, bemerkte ich seinen starrenden Blick.
,,Er wird nicht alleine sein, wenn er aufwacht. Wenn es so weit sein sollte, bist du der Erste, der davon erfährt, dafür werde ich sorgen'' sagte er vielversprechend, woraufhin ich ihn dankbar anlächelte.

Ich stand noch immer an Ort und Stelle neben Georges Bett, dabei war ich seit längerem bereits da. Ich konnte mich einfach nicht vom Fleck bewegen. Während ich ihn wieder so ununterbrochen anstarrte, kamen alle möglichen Gefühle in mir hoch.

Ich wollte nicht gehen, aber ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte.
Dieser Gedanke zu wissen, dass ich ihn das letzte Mal sah, tat einfach so unglaublich weh.
Es kam mir so surreal vor.

Sanft legte ich meine Hand auf seine, während ich mich niederkniete und meinen Kopf für einen Moment auf das Bett legte. Für einen letzten Moment wollte ich seine Nähe im Stillen einfach genießen können.

Nachdem ich mich wieder aufgerichtet hatte, bemerkte ich, wie sehr mir die Tränen schon wieder die Wangen hinunter liefern. Ich beugte mich vorsichtig über George und gab ihm einen letzten Kuss.

,,Es tut mir so leid...'' flüsterte ich, während sich der Griff am Bett meiner anderen Hand verstärkte. Ich durfte nicht nachgeben, ich musste standhaft bleiben.
Ich strich ihm behutsam über die Stirn.
,,Ich liebe dich, das werde ich immer George. Eines Tages werden wir uns wiedersehen, versprochen'' waren meine letzten Worte, bevor ich meinen Mut ein letztes Mal zusammenfasste und ging.

Als ich gerade dabei war, das Krankenhaus zu verlassen und an der Rezeption ankam, hinterließ ich dort einen kleinen Brief für Rebecca. Das Jahr über hatte sie mir wirklich oft mit ihren Worten und ihrer Anwesenheit geholfen. Ich war ihr dankbar dafür und das sollte sie auch wissen.

Noch immer fühlte sich alles so surreal an. Es war einfach kaum zu glauben, dass ich meine letzte Nacht hier verbrachte. Dass ich ihn soeben wirklich das letzte Mal für weiß Gott wie lange Zeit gesehen hatte.

Es war ein Schritt, der niemals hätte passieren müssen.
Wären wir an diesem einen beschissenen Tag einfach nicht zur Klippe gefahren.
Hätte ich ihn einfach nicht dazu ermutigt zu springen und es dabei belassen, dann wäre das alles nicht passiert.

Vielleicht war es gut so, dass ich nicht da war, wenn er aufwachen sollte. Ich war mir nicht sicher, ob er sich an den Unfall überhaupt erinnern würde. Doch was, wenn er mich gar nicht sehen wollte? Wenn er sauer oder enttäuscht mir gegenüber war? Das hätte ich noch weniger ertragen.

Ich hatte keine Ahnung wohin die Zukunft mich bringen würde, doch ich hoffte sehr, dass ich George eines Tages wieder so in meinen Armen halten konnte, wie ich es vor dem Unfall konnte. Wenn ich könnte würde alles ich dafür tun, um die Zeit zurückdrehen zu können.


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Kleine Vorwarnung: Im nächsten Kapitel wechselt es zu Georges PoV, was wie ich schon zuvor gesagt hatte bedeutet, dass sich die Geschichte nun in der Gegenwart spielt, also dementsprechend auch mit einem Zeitsprung nach vorne.(Wird aber auch da nochmal am Anfang kurz erwähnt und das merkt man beim Lesen ja auch haha)

Missing PartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt