Kapitel 3

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Weitere drei Monate waren vergangen, in denen George nicht aufgewacht war. Mit jedem weiteren Tag verschlechterte sich mein Zustand. Dennoch hatte ich es irgendwie gerade noch so hinbekommen meinen Abschluss zu schaffen, dabei hatte ich nicht mal mehr wirklich etwas geleistet.

Ich war einfach nur noch froh, diesen Mist hinter mir gehabt zu haben. All diese Blicke, die jedes Mal diesen ist alles okay bei dir Gesichtsausdruck hatten konnte ich langsam nicht mehr sehen.
Es war doch wohl offensichtlich, dass es mir seit dem Unfall einfach nur noch beschissen erging.

,,Wir sind stolz auf dich'' riss mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken. Ich realisierte wieder, dass wir gerade zusammen zu Abend aßen. Schon länger hatte ich nicht mehr an einem Tisch mit ihnen gesessen, aber heute bestanden sie unbedingt darauf, um meinen Abschluss damit noch einmal richtig gratulieren zu können.

,,Wir müssen dir außerdem noch etwas beichten'' hörte ich sie nun sagen, doch ich reagierte nicht wirklich darauf und stocherte in meinem Essen herum.
,,Dein Vater und ich haben lange über diese Entscheidung nachgedacht, doch finden, dass es für dich das Beste ist, einen Neuanfang zu wagen.''

Nun hatte sie meine volle Aufmerksamkeit erlangt.
,,Was soll das bedeuten?'' fragte ich sie irritiert.
,,Wir werden umziehen'' antwortete sie zögernd.
Die Gabel in meiner Hand ließ ich aus Reflex auf den Teller fallen und starrte sie an.
,,Was?''

Ich schüttelte meinen Kopf und stand auf.
,,Das könnt ihr mir nicht antun'' fing ich an zu rufen.
,,Wie soll ich George noch sehen können? Wissen, ob es ihm gut geht? Dass er aufwacht? Er ist hier!''
,,Darum geht es doch, Clay'' kam es von meinem Vater.
,,Ihn zu sehen tut dir nicht gut, es bewirkt das Gegenteil'' fügte er hinzu.

,,Wir wollten mit guten Absichten noch bis zu deinem Abschluss warten, damit du dich woanders für das College bewerben kannst, sofern es dir erst einmal wieder besser geht'' sagte meine Mutter.

Fassungslos starrte ich sie beide an, während ich mich zusammenreißen musste, nicht auszuflippen. Ich wusste ganz genau, dass es sowieso nichts gebracht hätte. Da ich noch nicht volljährig war, war ich ihnen mehr oder weniger noch ausgeliefert.

Ohne noch ein Wort zu sagen verließ ich die Küche und ging in mein Zimmer. Kurz nachdem ich meine Zimmertüre hinter mir geschlossen hatte, liefen mir die Tränen die Wange hinunter. Wie konnten sie von mir verlangen, George zurückzulassen?

Wie konnten sie denken, dass es das richtige für mich sei?
Dass es mir helfen würde?
Das würde das genaue Gegenteil bewirken!

Im Krankenhaus konnte ich ihn wenigstens noch so gut wie jeden Tag besuchen und sehen mit der täglichen Hoffnung, dass er aufwachen würde. Ihm sagen, wie verdammt leid mir das alles tat und wie sehr ich ihn nach wie vor liebte und auf ihn wartete.

Wie konnten sie mich dazu zwingen mich von dem Menschen, den ich am meisten liebte und brauchte aufzugeben? Einen Neuanfang zu wagen und so zu tun, als wäre nie etwas passiert gewesen? Als wäre das alles nicht mehr wichtig?
Es war nicht das Beste für mich, sondern für sie.

George war mehr als nur ein Teil von meinem Leben. Nachdem der Unfall passiert war wurde mir erst bewusst, wie stark meine Gefühle für ihn eigentlich waren. Wie sehr ich mir ein Leben bereits in diesem jungen Alter ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen konnte. Wie sehr ich jedes Ereignis aus meinem Leben mit ihm erleben wollte.

Für mich würde es gedanklich nicht einmal infrage kommen an eine andere Person an meiner Seite zu denken, dieser Platz gehörte einzig und alleine ihm. Lieber würde ich einsam sterben, statt ihn mit jemand anderen zu ersetzen.

Ich rief Nick an und erzählte ihm davon.
,,Ich kann dich zu 100% verstehen, aber vielleicht ist es wirklich das Beste für dich und ich bin ja auch noch jederzeit hier, falls er aufwachen sollte'' kam es von ihm, nachdem wir lange darüber gesprochen hatten.

Vielleicht hatten sie recht.
Vielleicht war es das Beste für mich, doch das hieß nicht, dass ich diese Entscheidung unterstützte. Dass ich es für guthieß und akzeptieren würde, denn das tat ich nicht.
Ich wusste jedoch, dass mir nichts anderes am Ende des Tages übrig bleiben würde.


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Was meint ihr? Wäre es das Beste für Clay nach vorne zu schauen, bevor er komplett daran zerbricht?

Missing PartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt