Kapitel 2

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Ich lag auf dem Bett und hörte Musik, während ich gegen die Zimmerdecke starrte und in meinen Gedanken an George versunken war.

,,Sag bloß nichts!'' warnte ich ihn, als ich die Kapuze vor ihm seit meinem Friseurbesuch das erste Mal heruntergezogen hatte. Sofort brach er in Gelächter aus.
,,George!'' rief ich seinen Namen.
,,Es tut mir leid...aber...er hat es echt verkackt'' fing er noch mehr an zu lachen.

Gespielt beleidigt verschränkte ich meine Arme und schaute zur Seite.
Er kam auf mich zu, nahm meine Arme und legte sie um sich und schaute mich so lange an, bis ich ihm ebenfalls wieder in die Augen schaute.

,,Du könntest eine Glatze haben und wärst dennoch der attraktivste Mensch auf diesem Planeten'' entgegnete er mir, bevor er mich küsste.
,,Gerade noch so gerettet'' hauchte ich grinsend in den Kuss hinein.

Unbemerkt hatte sich ein Grinsen auf meine Lippen geschlichen, während mir dennoch eine Träne die Wange herunterlief. George hatte es geliebt mich zu Ärgern und auch wenn es merkwürdig klingen mochte war es eine der Sachen, die ich an ihm so liebte.

Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, war er mein erster Gedanke sowie am späten Abend der letzte. Mit jedem Tag vermisste ich ihn mehr. Seit dem besagten Tag war in meinem Leben nichts mehr wie vorher.

George und ich kannten uns schon einige Jahre, als wir schließlich mit 14 die Gefühle zum anderen erst richtig deuten konnten und seither zusammen gewesen waren. Wir waren zwei Jahre glücklich und noch wie am ersten Tag verliebt zusammen, bis der Unfall passierte und er seitdem im Koma lag.

Mittlerweile war ein Jahr vergangen. Ein komplettes Jahr, dass ich bereits ohne ihn lebte. Er war nicht Tod, doch es kam mir manchmal so vor. Mein Herz schmerzte noch wie am Tag des Unfalles. Ich hatte nicht einmal meinen 17ten Geburtstag gefeiert, da ich es ohne ihn einfach nicht wollte. Er konnte seinen schließlich auch nicht feiern, er hatte zwei Monate nach mir Geburtstag.

Ich seufzte und zog mir die Kopfhörer vom Kopf.
Ich konnte das alles langsam nicht mehr, es zerfraß mich von innen nach außen komplett auf.
Wieso musste es ausgerechnet ihm passieren?
Wieso konnte ich es nicht an seiner Stelle gewesen sein?
Wieso musste es überhaupt passieren?
Es war nie davor etwas passiert gewesen.

Ich zog mir die Schuhe an, warf mir meine schwarze Strickjacke über und lief die Treppen hinunter. Aus dem Wohnzimmer hörte ich meine Mutter rufen.
,,Wohin gehst du?'' fragte sie.
,,Raus'' antwortete ich nur stumpf und ging los.

Wenn ich von meinen Gedanken überwältigt wurde fand ich mich meistens an dem Ort wieder, an dem alles begonnen hatte - die Klippe. Seit dem Unfall wurde dieser Bereich zwar abgesperrt, damit so etwas nicht mehr passieren konnte, doch das hielt mich nicht davon ab hierher zukommen.

Es war der letzte Ort, an dem ich mit George zusammen gewesen war.
Während ich mich langsam dem Ende der Klippe näherte und hinunterschaute, kamen direkt vereinzelnd die Erinnerungen wieder in mir hoch.

Sofort tauchte ich mit meinem Gesicht unter und was ich dann sah, werde ich nie wieder vergessen können. George schwamm bewusstlos im Wasser umher, während sich das Blut, welches aus seinem Hinterkopf lief, im Wasser auflöste.

Ich packte ihn und zog ihn an die Wasseroberfläche zurück zum Wasserrand.
,,Ruf sofort einen Krankenwagen!'' rief ich mit brennenden Augen zu Nick, da ich diese zu lange im Wasser geöffnet hatte.

,,George!'' rief ich seinen Namen, während ich versuchte ihn wach zu bekommen, doch er reagierte nicht das kleinste bisschen. Ich checkte seinen Puls, welcher mir viel zu schwach erschien. Ich versuchte selbst Reanimation, doch ich kannte mich damit nicht gut aus.

Neben ihm brach ich verzweifelt unter Tränen zusammen, während ich hörte, wie Nick zu mir rief, dass der Krankenwagen gleich da sein würde. Ich hätte ihn niemals zum Springen animieren dürfen, es war meine Schuld.

Ich versuchte mich zusammenzureißen, doch die Tränen waren nicht zurück haltbar.
Was für ein Schmerz sich in meiner Brust befand, war nicht in Worte fassen zu können.
Diesen Schmerz, diese Schuld, würde ich nicht einmal meinen Feinden wünschen.

,,Ich hab mir schon gedacht, dass du dich hier aufhältst'' ertönte Nicks Stimme plötzlich hinter mir. Ich drehte mich um und starrte ihn verwundert an.
,,Woher wusstest du, dass ich hier bin?'' fragte ich ihn.
,,Deine Mutter hat mich angerufen, nachdem du gegangen bist. Sie macht sich halt wie immer Sorgen, wenn du so leise verschwindest'' erzählte er, während er sich neben mich stellte und ebenfalls herunterschaute.

,,Wir vermissen ihn alle'' kam es leise von ihm.
Ich spürte seinen Blick von der Seite auf mir.
,,Du musst aufhören dir die Schuld dafür zu geben. Es war ein Unfall, den niemand hätte ahnen können, Clay'' sagte er.

,,Ich halte das nicht mehr aus'' entfuhr es mir, während ich ihn mit tränen befüllten Augen anschaute. Er zog mich in eine Umarmung und versuchte mich zu beruhigen. Nick war mein sowie Georges bester Freund und immer für mich da gewesen, obwohl ich mich selbst von ihm seit dem Unfall ungewollt immer mehr distanziert hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich diesen Schmerz in mir noch aushalten würde.


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Ein wenig zur Aufklärung: Der Anfang dieser Geschichte passiert quasi in der Vergangenheit (sozusagen als Rückblende), damit ihr wisst, was ungefähr in der Zeit, bevor Clay umgezogen ist, passiert ist. Der Zeitsprung, in dem es sich auch zu Georges PoV wechselt und dann sozusagen in der Gegenwart spielt, kommt schon demnächst. (:

Missing PartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt