Kapitel 21

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Als mein Wecker am Morgen klingelte und ich ihn ausschaltete verspürte ich reine Motivation. Ich war froh und dankbar hier sein zu dürfen. Natürlich vermisste ich mein Zuhause, meine Familie oder meine Freunde wie Nick, die ich zurücklassen musste, doch dieser Ort fühlte sich richtig an. Als würde ich hier sein müssen.

Nachdem ich mich fertig gemacht hatte und im Spiegel betrachtete zog sich sanft mein rechter Mundwinkel nach oben. Jedes Mal wenn ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich meistens den 16-jährigen George noch vor mir stehen.

Natürlich waren schon einige Monate seit meines Aufwachens vorüber und Normalität in mein Leben wieder gekehrt, doch dennoch wurde mir viel Zeit durch diesen Unfall geraubt. Zeit, die ich nie wieder bekommen oder nochmal erleben würde. Umso froher war ich wieder voll und ganz heute hier stehen zu können - an der Kentucky Universität.

Ich atmete noch einmal tief aus, bevor ich mich zum Treffpunkt der Erstsemester machen würde, da die Leute aus dem Zweitsemester uns dort sozusagen abholten. Ich war schon ein wenig aufgeregt, schließlich war das alles neu für mich. Aber natürlich war es das für alle anderen ebenfalls.

Es war nur so, dass ich mich manchmal wirklich noch wie 16 fühlte. Es war einfach noch immer so surreal, dass ich schon 19 und in nur drei Monaten 20 sein würde. Aber umso aufregender war das Ganze auch für mich, wie eine Art Neuentdeckung.

Als ich am Treffpunkt in der großen Bibliothek ankam, sah ich schon die Leute mit ihren Schildern an der Brust angeknipst stehen und warten. Auch ich hatte mir ein kleines weißes Kärtchen geholt, meinen Namen herauf geschrieben und mir an die Brust geknipst. Clay kannte mich zwar vom Namen und Aussehen her schon, doch leider wurde man gezwungen das zu tun.

Ich stellte mich etwas abseits der Menschenmenge, da ich mir wie eine verlorene Seele zwischen all den Leuten vorkam, doch es dauerte nicht lange, da wurde ich angesprochen. Da die Person kein Kärtchen trug, nahm ich an, dass es sich um ein Zweitsemester halten musste.

,,Du musst der neue sein'' kam es von ihm.
,,Sorry, mein Fehler. Ich sollte mich wohl erst einmal selbst vorstellen'' unterbrach er sich selbst und hielt mir seine Hand hin.
,,Ich bin Deven Dirgiro, aus dem Zweitsemester'' stellte er sich also nun vor.
,,George Bailey'' nahm ich seine Hand entgegen.

,,Also George, wie gefällt es dir bisher hier?'' fragte er mich.
,,Ganz gut'' antwortete ich ihm.
,,Nur ganz gut? Also da hatten wir ja sogar im Erstsemester noch mehr Funkeln in den Augen'' scherzte er, was mich tatsächlich ein wenig zum Auflachen brachte.

,,Ich bin erst seit gestern hier und konnte daher noch nicht so viel von der Umgebung sehen'' erklärte ich. Er schaute mich verdutzt an.
,,Das heißt dir hat noch niemand die verbotene Etage gezeigt'' sagte er mit einem provokantem Unterton.

Ich starrte ihn an.
,,Verbotene Etage?'' wiederholte ich etwas spottend seine Worte. Er zog seine Augenbraue in die Höhe und musterte mich.
,,Noch machst du dich darüber lustig'' fing er an.

,,Es gibt eine versteckte fünfte Etage, die ein riesiger Raum ist. Niemand der Studenten hat dort zutritt, nicht einmal Dozenten. Man sagt, dass es dort spuckt und diejenigen, die sich zutrifft verschaffen, heimgesucht werden sollen'' fuhr er fort.

Ich starrte ihn unglaubwürdig an.
,,Du willst mich doch auf dem Arm nehmen'' entfuhr es mir.
Erneut zog er seine Augenbraue in die Höhe und legte seinen Kopf schief.
,,Okay, hast mich erwischt'' gab er schließlich zu.
,,War aber nicht schlecht''' entgegnete ich ihm leicht grinsend.

Plötzlich schaute er zu einer kleinen braunhaarigen.
,,Da ist mein Ersti, wohl meine Zeit zu gehen'' kam es von ihm.
,,Man sieht sich bestimmt noch einmal'' entgegnete ich ihm.
,,Das hoffe ich doch'' zwinkerte er mir zu, ehe er ging und ich wieder alleine dort stand. Ich wusste noch nicht ganz, was ich von Deven halten sollte, doch er war auf jeden Fall sympathisch und versuchte wohl einen Komiker zu spielen.

Inzwischen wurden es immer weniger Leute, da sie alle abgeholt wurden. Mit mir waren es grob überflogen und geschätzt nur noch sechs wartende Erstsemester. Als ich Rika sah wollte ich auf sie zu und sie ansprechen, doch sie hatte mich nicht gesehen und lief direkt auf ihren Ersti los, um sie mitzunehmen.

Wenige Minuten später spürte ich seitlich ein Tippen auf meiner Schulter. Ich rechnete mit Clay, doch es war Noel, der mich verwirrt musterte.
,,Wieso bist du denn noch hier?'' fragte er mich.
,,Clay war noch nicht da'' antwortete ich ahnungslos und schulterzuckend.
Er rieb sich seufzend übers Gesicht.
,,Er ist wahrscheinlich wieder eingeschlafen, weil er nicht aufgestanden ist'' erzählte er.

Ich musste lachen, als er mir das erzählt hatte. Das war genau meine Sorge heute Morgen und nun schien es ihm passiert zu sein. Noel starrte mich zunächst etwas irritiert an, doch setzte ein Lächeln auf.

,,Ich hätte nicht gedacht, dass du das so positiv durchgehen lassen würdest'' sagte er.
,,Ach, das kann doch jedem mal passieren'' sagte ich.
,,Ja, aber ihm passiert es ständig. Wenigstens heute hätte er sich ja mal zusammenreißen können.''

Er gab mir deren Zimmernummer, damit ich zu Clay gehen und ihn wecken konnte. Er meinte, dass er die Türe nicht abgeschlossen hätte, da es Clays Job hinterher gewesen wäre. So machte ich mich auf dem Weg zum schlafenden Clay, der die nächsten vier Wochen meinen Lehrer spielen sollte.


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Ich sehe schon die ganzen zukünftigen Kommentare zu Deven 😂

Missing PartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt