Ein ruhiges Jahr

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Der Tag nach der Einführungsfeier begann mit dem Unterricht, doch zuerst war das Frühstück dran. Meine erste Stunde war alte Runen, ich packte meinen Zauberstab und einen kleinen Beutel, in dem ich meine Bücher aufbewahrte und wollte mich natürlich zuerst zur großen Halle aufmachen. Ich trat aus dem Ravenclaw- Gemeinschaftsraum, mein braunrotes Haar war locker zusammengesteckt und meine Bluse hing mir noch aus dem Rock, weil ich es etwas eilig hatte, denn ich hatte ein wenig länger geschlafen als ich sollte.

"Du siehst aus, als hätte dich etwas angegriffen", sagte eine Stimme links von mir und als ich meinen Kopf drehte, sahen mich dunkelgrüne Augen an, ich starrte ihn an, er war irgendwie auch größer als noch vor einigen Monaten. Er lächelte mich verschmitzt an und stieß sich von der Wand ab, "Hab auf dich gewartet, Siebenschläfer", sagte er und legte mir den Arm um die Schulter. "Wo ist Ominis?", fragte ich neugierig und Sebastian sah mich empört an, " Da warte ich auf dich und hab mich auch noch extra schick gemacht und alles was dich interessiert ist Ominis?", fragte er gespielt dramatisch, er trug die normale Hogwarts-Uniform, natürlich war seine grün. "Spar dir das Theater Sallow", sagte ich und umarmte ihn locker, "Ominis ist einfach leichter zu vermissen als du", jetzt grinste ich ihn an und auch er musste schmunzeln, Sebastian sagte mir das Ominis schon in der großen Halle war und dort auf uns wartete also machten wir uns auf den Weg. Die große Halle war schon beinahe leer, an wenigen Tischen saßen noch Leute und am Slytherin-Tisch waren außer Ominis und dem Sohn des Direktors nur zwei weitere Slytherins dessen Namen ich nicht kannte weil sie entweder Erstklässler oder Zweitklässler waren.

Ich folgte Sebastian zum Slytherin-Tisch und setzte mich zu ihnen, "Da seid ihr ja", sagte Ominis in einem vorwurfsvollen Ton, lange bevor wir uns an den Tisch setzten, klar unsere Schritte hatten Geräusche gemacht aber das er genau wusste das es unsere waren, war beeindruckend. "Beschwer dich bei Hawkins", sagte Sebastian und ich sah ihn mit heruntergezogenen Augenbrauen an, "Wieso? Hat sie sich auf dem Weg vom Gemeinschaftsraum hierher etwa wieder mit einem ausgewachsenen Troll angelegt?", fragte Ominis etwas gelangweilt und ich musste wieder schmunzeln. "Einem ausgewachsenen Troll und einem etwas kleineren", sagte ich und sah dabei Sebastian bedeutungsvoll an, er sah mich so an als wollte er wissen ob ich das ernst meinte. Ein Blick auf die Uhr verriet uns, dass es Zeit war, schnell etwas zu essen und dann zum Unterricht zu laufen.

Wir hatten zusammen Alte Runen, also saßen wir auch zusammen, danach hatten wir die erste Stunde Apparieren und es lief ziemlich mies, fast alle hatten Startschwierigkeiten, es war wie damals die erste Stunde fliegen, hörte ich einige flüstern, nachdem wir den Raum verließen. Ich erinnerte mich daran, meine erste Stunde Flugunterricht war ziemlich gut gewesen, apparieren dagegen war etwas völlig anderes. Fliegen hatte die Gefahr, dass man vom Besen flog und entweder war man tot oder gelähmt, apparieren dagegen konnte einen buchstäblich auseinanderreißen und ich weiß das ich lieber tot wäre, als einen Arm zu verlieren.

Am Nachmittag hatte ich keinen Unterricht, Ominis und Sebastian hatten noch Wahrsagen gewählt und weil wir uns vorgenommen hatten, Sirona im Drei Besen zu besuchen, wartete ich in der Bibliothek auf meine Freunde. Ich war versunken in einen Roman, den ich von Zuhause mitgebracht hatte. "Little Women", hieß das Buch. Ich saß auf einem der Tische und war ans Fenster gelehnt, als ich Schritte näher kommen hörte, "Liest du etwas Unanständiges?", fragte Sebastian verwegen und ich zog die Augenbrauen verwundert hoch, "Nur weil du dir vorstellst dass ich unanständiges lese, muss das noch lange nicht stimmen Sallow", sagte ich und klappte das Buch zu, er musterte den Titel und zuckte mit den Schultern. "Muggel Kram", sagte er und ich haute das Buch gegen seinen Arm, "Sag das nicht so als sei es etwas schlechtes", sagte ich leicht empört und er zog mir das Buch sanft aus der Hand und kam mir näher, "Wenn du es mir ausleihst, lese ich es nur für dich", flüsterte er und ich spürte seinen Atem auf meiner Wange, mein Gesicht wurde heiß und ich stieß ihn leicht weg, zog ihm das Buch aus der Hand. "Wenn du doch bloß lesen könntest", sagte ich aufgebracht.

Ominis, der hinter Sebastian stand, lachte: "Hogsmeade?", fragte er erwartungsvoll und ich steckte das Buch in meinen kleinen Beutel. Sebastian starrte das kleine Behältnis an, der Beutel war nicht winzig, er sah aus, als würde ein Roman darin Platz finden und noch einige Kleinigkeiten, man hätte das Buch sehen müssen, doch die Form veränderte sich nicht. "Unaufspührbarer Ausdehnungszauber", sagte ich mit einem Schulterzucken und hielt den Beutel hoch, "Da sind so viele unanständige Romane drin das man darin schwimmen könnte", sagte ich etwas leiser und hackte mich bei Ominis unter um loszugehen. Sebastian folgte uns dicht und legte dann einen Arm um mich als er zu uns aufschloss, "Ich weiß schon was in deinem Köpfchen vorgeht Hawkins", sagte er verschmitzt und sah mich wieder mit diesem Blick an, als hätte er etwas vor oder mich komplett durchschaut.

Wenn er nur wirklich wüsste, was in meinem Kopf vorging. Neben all den Gedanken und Schuldgefühlen war da noch etwas. Es war etwas Dunkles, das ich nicht benennen konnte. Ich hatte bisher niemandem davon erzählt, aber kurz bevor dieses Schuljahr in Hogwarts losging, hatte ich angefangen Albträume zu bekommen. Manchmal fragte ich mich, ob sie etwas zu bedeuten hatten oder ein Resultat daraus waren, was ich letztes Jahr alles erlebt hatte. Vielleicht kamen die Albträume jetzt an die Oberfläche, weil ich nervös gewesen war, was dieses Jahr alles passieren würde. Ich hoffe auf ein ruhiges Jahr, vielleicht eine kleine Romanze oder auch nur eine Schwärmerei. Keine Trolle, keine Kobolde und keine dunklen Zauberer, ich wollte nur lernen und mit meinen Freunden Butterbier trinken.

Butterbier war das Stichwort, ich hatte wohl so lange in meinen Gedanken gelegen, das wir mittlerweile im Drei Besen angekommen waren, wir bestellten jeder eines und Sebastian versuchte Sirona zu überreden ihm einen Feuerwhiskey zu geben aber sie tätschelte nur seinen Kopf und riet ihm wieder zu kommen wenn er einen Abschluss in Hogwarts hatte. Sebastian war zwar schon 17 und durfte auch außerhalb von Hogwarts zaubern, aber Sirona kannte diesen Slytherin. Er zog die Probleme an wie das Licht, die Motten.

Unser erster Schultag im sechsten Jahr ist für mich erst das zweite. Wir ließen den Tag in der kleinen Taverne ausklingen und als wir wieder nach Hogwarts zurück liefen, ging die Sonne bereits unter. Das Licht war warm auf der Haut und ich zog mir meinen Umhang von den Schultern, um ihn im Arm zu tragen. Ich bemerkte einen kurzen Blick von Sebastian und auch er zog den Umhang aus, er krempelte sich die Ärmel hoch und hielt sie etwas mehr in das verbleibende Sonnenlicht. Ominis tat nichts dergleichen, dafür hielt er das Gespräch am Laufen.

Als wir wieder in der Schule waren, verabschiedeten wir uns und gingen in verschiedene Richtungen zu unseren Gemeinschaftsräumen. Ich sah den beiden kurz nach und auch Sebastian drehte sich noch kurz um mir zuzuwinken. Es war eine kleine Geste, doch irgendwie ließ sein Lächeln mein Herz ein kleines bisschen schneller schlagen.

Keine Trollangriffe, keine Drachen und keine Kobolde. Ich erinnerte mich an meinen ersten Tag in Hogwarts und ich war froh, ich war so froh, dass dieses mal vielleicht doch ein ruhiges Jahr werden könnte.

Against the dark Hearts - German/DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt